Schwarze Präsenz. Lena Obscuritas

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Название Schwarze Präsenz
Автор произведения Lena Obscuritas
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783957203120



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er, bevor er geschlagen seufzte. »Na schön, bis später.«

      Er legte auf und sah Daniel an. »Hast du heute Abend schon etwas vor?«

      »Nein«, erwiderte Daniel und fühlte sich in seiner Vermutung bestätigt, »aber es klingt, als hätte ich es gleich.«

      Raphael lachte leise. »Ein paar Freunde von mir wollten heute ein Lagerfeuer veranstalten. Möchtest du mitkommen?«

      Daniel zögerte. Er kannte niemanden von Raphaels Freunden.

      »Sie sind fantastisch, glaub mir«, sagte Raphael und schubste ihn in eine Seitenstraße. »Zu dem Café geht es da lang.«

      2.

      Im Zentrum der Stadt, in einer ganz normalen Mietswohnung, klappte Ranva ihr silbernes Handy zusammen und legte es neben sich auf die Kommode. Sie strich sich ihr langes, tintenschwarzes Haar aus dem Gesicht und wandte sich an die Personen in ihrem Rücken.

      In dem in dunklen Farben gehaltenen Wohnzimmer befanden sich noch vier weitere Menschen. Auf dem schwarzen Ledersofa saß ein Junge mit längeren schwarzen Haaren und eiskalten blauen Augen, ein Mädchen mit dunkelroten, schulterlangen Haaren neben sich. Beide sahen Ranva erwartungsvoll an.

      Neben dem Sofa befanden sich zu beiden Seiten mokkabraune Sessel. In dem links von Ranva saß ein schwarzhaariger Junge, der helle, wölfische Augen hatte. Er ließ sein rechtes Bein lässig über eine Armlehne baumeln.

      In dem anderen Sessel lümmelte ein Junge mit schwarz-blauen Haaren, die ihm fransig ins Gesicht fielen. Die schwarzen Augen musterten Ranva neugierig.

      Sie hielt dem Blick stand; ihre Augen waren hellgrau, so hell, dass sie in bestimmtem Licht weiß wirkten.

      »Wir lernen heute Raphaels kleinen Träumer kennen«, verkündete Ranva schließlich.

      »Ob Raphael wirklich dachte, dass er ihn aus der ganzen Sache heraushalten kann?«, fragte Gabriel vom linken Sessel.

      »Offenbar«, antwortete der Junge mit den schwarz-blauen Haaren namens Wyn. »Nur brauchen wir den Träumer, ohne ihn können wir diese ganze Sache wohl nicht verstehen.«

      Ranva lehnte sich an die Kommode und verschränkte die Arme. Sie dachte über diesen Daniel nach. Etwas an dieser Sache gefiel ihr nicht, kam ihr falsch vor, wie eine schiefe Note in einem Klavierstück. Während sie nachdachte, ließ sie ihren Blick durch das Zimmer schweifen. In ihrer Wohnung wirkte alles nur auf den ersten Blick normal. Untersuchte man die Bücherregale, die sich an jeder freien Wand hochzogen, fand man nur Bücher über Magie, Runen und Dämonen. An der Wand links von Ranva befand sich eine Glasvitrine, in der zwei Bücher ausgestellt waren, eine christliche Bibel, alt, mit vergoldeten Seiten und Ledereinband, sowie eine satanische Bibel, in schwarz gehüllt, ohne jeglichen Prunk.

      Die Fensterreihe im Rücken des Ledersofas wurde durch luftige, hellgraue Vorhänge verdeckt, und vor jedem der drei Fenster war ein kleiner Wasserspeier angebracht. Auf dem kleinen Kaffeetisch vor dem Sofa stapelten sich Bücher über Traumdeutung, das Unterbewusstsein und Engel.

      »Was ist los, Ranva?«, fragte Gabriel. »Worüber denkst du nach?«

      Ranva schüttelte den Kopf. »Irgendetwas gefällt mir an der ganzen Sache nicht.«

      »Ich weiß genau, was du meinst«, sagte das andere Mädchen. »Ich habe noch nie von einem Fall wie diesem gehört.«

      »Nur, weil wir etwas nicht kennen, muss es nicht falsch sein, Farah«, meinte der Junge, der neben ihr saß.

      Farah verdrehte die Augen. »Du weißt genau, dass ich das so nicht gemeint habe, Leander.«

      Normalerweise brachten die Diskussionen zwischen den beiden Ranva zum Lächeln, denn sie benahmen sich wie ein altes Ehepaar, obwohl sie nicht zusammen waren.

      Sie und Raphael dagegen waren schon lange ein Paar, schliefen Hand in Hand ein und wachten Hand in Hand auf. Ranva hatte früher nie an die einzig wahre Liebe geglaubt, doch dann hatte sie Raphael kennengelernt.

      »Also, was sollen wir jetzt tun?«, fragte Ranva in die Runde.

      »Ich denke, wir sehen uns Daniel erst einmal an«, antwortete Wyn. »Vielleicht überrascht er uns ja.«

      Gabriel stand auf und streckte sich. »Kommt, bereiten wir alles für heute Abend vor!«

      Gemeinsam verließen sie die Wohnung.

      3.

      Daniel setzte seine Kaffeetasse ab und sah sich in dem kleinen Café um. Er hatte nicht erwartet, dass Raphael ausgerechnet diesen Laden auswählen würde. Alles war hell und freundlich, bunte Aquarelle hingen an den Wänden, und sanfte Klaviermusik drang aus den Lautsprechern.

      Raphael hatte sein Kinn in die linke Hand gestützt und starrte gedankenverloren die Wand in Daniels Rücken an.

      Daniel selbst besah sich die anderen Gäste über Raphaels Schulter hinweg genauer. Zwei Mädchen schienen sehr an Raphael interessiert; sie sahen immer wieder zu ihm herüber, steckten die Köpfe zusammen und kicherten.

      »Ich glaube, du hast zwei Verehrerinnen«, sagte Daniel.

      Raphael blinzelte überrascht, dann warf er einen kurzen Blick über seine Schulter. »Nicht mein Fall«, sagte er.

      Daniel grinste. »Dachte ich mir schon.«

      »Du kennst mich eben viel zu gut«, behauptete Raphael, während er seine Tasse zwischen den Händen drehte, »aber abgesehen davon, habe ich eine Freundin.«

      »Wirklich?«, fragte Daniel verwundert, woraufhin Raphael nickte. »Du wirst sie heute Abend kennenlernen.«

      Jetzt war es an Daniel zu nicken.

      »Hat der Kaffee gegen deine Kopfschmerzen geholfen?«, wollte Raphael wissen.

      »Ja, danke«, antwortete Daniel.

      Raphael sagte nichts weiter. Als Daniel ihn genauer betrachtete, sah er auf einmal sehr müde aus.

      »Verschweigst du mir außer deiner Freundin noch mehr?«, fragte Daniel, eigentlich im Scherz.

      »Zu viel«, flüsterte Raphael, »und das tut mir leid.«

      Daniel lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah seinen Freund nachdenklich an. Insgeheim machte er sich Sorgen um ihn.

      »Aber das wird sich ändern, ich verspreche es«, sagte Raphael.

      »Ich bin froh, dass du noch nie ein Versprechen gebrochen hast«, erwiderte Daniel.

      Raphael nickte. »Ich auch.« Er warf einen Blick auf Daniels Tasse. »Sollen wir gehen?«, fragte er.

      Als Daniel zustimmte, winkte Raphael nach der Kellnerin. Nachdem sie gezahlt hatten, traten sie in die frische Frühlingsluft hinaus.

      »Ist es in Ordnung, wenn ich dich später um acht abhole?«, fragte Raphael. Er wirkte unsicher, als er Daniel von der Seite ansah, als hätte er Angst vor einer Absage.

      Seltsamerweise brachte das Daniel zum Schmunzeln. »In Ordnung, ich freue mich schon«, sagte er deswegen.

      Raphael lächelte wieder sein schüchternes Lächeln. »Ich mich auch.«

      4.

      Nachdem Daniel zu Hause angekommen war, hatte er sich in sein Zimmer zurückgezogen. Die Kopfschmerzen waren wiedergekommen, schlimmer als zuvor. Sogar das kurze Gespräch mit seiner Mutter, dass er sich noch mit Raphael treffen wollte, hatte sich wie Glasscherben in seinem Kopf angefühlt.

      Kraftlos ließ Daniel sich in seinen Sessel fallen und versuchte, sich mit dem Gedanken an Raphaels Freunde abzulenken. Er saß immer noch regungslos da, als es pünktlich um acht Uhr an der Haustür klingelte.

      Daniel öffnete die Augen, verscheuchte die Bilder, die in seinem Kopf herumspukten. Er zog im Flur gerade seine Jacke an, als seine Mutter mit einem Buch in der Hand