Название | Heldenstoff |
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Автор произведения | Axel Rabenstein |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783840337819 |
Nach dieser Begegnung wollte ich mehr, und so beschloss ich, weitere Sportler zu befragen, um herauszufinden, woher sie kommen und wohin sie wollen; was sie erfolgreich gemacht hat, woran sie gewachsen sind, und was sie wirklich bewegt. Es war der Beginn einer Serie von mehr als 70 Interviews, die ich bis heute geführt habe. Darunter waren Stars wie Usain Bolt, Franziska van Almsick oder Shaun White, aber auch weniger bekannte Athleten wie die Bergläuferin Andrea Mayr oder der Apnoetau- cher Herbert Nitsch, die sich als nicht minder faszinierende Gesprächspartner erwiesen.
Die auf den folgenden Seiten zu Wort kommenden Sportler haben bis heute (Stand: Mai 2021) insgesamt 263 WM-Titel und 111 Medaillen bei Olympischen Spielen gewonnen sowie 89 Weltrekorde aufgestellt. Eine Erfolgsbilanz, die verdeutlicht, dass diese Athleten vieles richtig gemacht haben. Ihre wertvollsten Tipps, emotionalsten Erlebnisse und schönsten Gedanken finden sich nun in diesem Buch.
Es beginnt mit der Frage, warum wir unsere Komfortzone überhaupt verlassen sollten, nimmt uns mit auf den Weg zu neuen Möglichkeiten und bringt uns an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit; es berichtet vom Aufstehen nach der Niederlage und erzählt uns davon, warum wir durch den Sport zu besseren Menschen werden können.
Dabei ist mir eines wichtig zu betonen: Ich habe nicht von langer Hand geplant, dieses Buch zu schreiben. Nach meinem Interview mit dem staatsmännischen Wunderläufer Gebrselassie war ich einfach nur fasziniert, sprach mit mehr und mehr ausgewählten Athleten und kam schließlich auf die Idee, die Gespräche gezielt auszuwerten und den darin enthaltenen Wissensschatz in aufbereiteter Form zur Verfügung zu stellen.
Es hatte vorab keine Struktur gegeben. Keinen Plot und keinen Plan. Es wurden also keine Interviews für ein Buch geführt; sondern es wurde nachträglich ein Rahmen für all die Protagonisten und Begegnungen geschaffen. Deshalb sind die einzelnen Erzählungen und Athletenporträts nicht immer trennscharf in ihren Inhalten, teilweise changieren sie über ihre Kapitel hinaus.
Das vorliegende Buch ist keinem Genre zuzuordnen. Es ist sowohl Sachbuch als auch Ratgeber. Nennen wir es ein multi-biografisches Sportlesebuch. Oder ganz einfach: eine Quelle der Inspiration.
Ich denke, dass jeder von uns eine Menge aus den vorliegenden Gesprächen für sich mitnehmen kann. Für seine sportlichen Ambitionen. Für die Verwirklichung seiner Träume. Und für ein selbstbestimmtes Leben.
Mich persönlich hat der Inhalt dieses Buchs verändert. Weil ich mit Menschen gesprochen habe, die dafür brennen, was sie tun. Menschen, die ihr Leben lieben und es deshalb so sehr leben. Besonders angezogen fühlte ich mich vom Mythos des Ironmans®. Ich erinnere mich noch genau daran, wie unbegreiflich mir die Tatsache erschien, dass ein Mensch nach 3,8 Kilometer Schwimmen im offenen Meer und 180 Kilometer auf dem Fahrrad noch einen Marathon laufen kann.
Im Frühling 2019 bin ich schließlich nach Lanzarote zurückgekehrt. Dorthin, wo ich 13 Jahre zuvor auf Haile Gebrselassie getroffen war. Wieder war ich auf dem Weg in den Club La Santa. Diesmal kam ich allerdings nicht als Journalist, sondern als Athlet; als Teilnehmer des Ironman® Lanzarote, den ich wenige Tage später erfolgreich absolvieren sollte.
Für mich hat sich damit ein Kreis geschlossen: Der in diesem Buch zusammengetragene Heldenstoff hat mich mehr als ein Jahrzehnt lang begleitet. Er hat mich dauerhaft inspiriert. Und bis ins Ziel des härtesten Ironmans® der Welt geführt.
1
NEULAND – DAS VERLASSEN DER KOMFORTZONE
1.1 AUFBRUCH IN EINE NEUE WELT
Mit Anton Krupicka, Kilian Jornet, Rebecca Rusch, Matt Hunter
Wir könnten es so bequem haben. Ausgestreckt auf dem Sofa, ein Kissen unter dem Kopf, die Füße unter einer Decke; vielleicht nehmen wir uns ein Buch zur Hand, vielleicht läuft der Fernseher. Das ist schön. Es ist angenehm. Und dennoch wird die verspürte Behaglichkeit nicht von langer Dauer sein. Früher oder später werden wir uns, trotz des Komforts, merklich unwohl fühlen.
Dabei spielt es keine Rolle, wie lange es dauert, bis wir uns unwohl fühlen. Entscheidend ist die Tatsache, dass wir uns unwohl fühlen werden. Es geht nicht um einen schmerzenden Rücken, einen verspannten Nacken. Es geht darum, dass wir Langeweile empfinden werden. Unsere Seele wird nach Nahrung rufen. Wir können noch eine Weile mit unserem Telefon spielen oder in einer Zeitschrift blättern. Es wird uns Aufschub bringen. Aber keine Befriedigung. Wir möchten etwas erleben, und wir möchten es aus der Tiefe unserer Seele am eigenen Leib erleben.
Um das zu tun, müssen wir aufstehen und unsere Komfortzone verlassen. Nur dort draußen, außerhalb unserer Komfortzone, werden wir das wahre Leben finden und uns wirklich lebendig fühlen.
Wenn du mehrere Stunden am Stück rennst, hat plötzlich jeder Moment die Intensität, für immer bei dir zu sein.
Der US-amerikanische Ultraläufer Anton „Tony“ Krupicka hat das Verlassen der Komfortzone zu seiner Paradedisziplin gemacht. Nicht selten läuft er 100 Kilometer oder länger am Stück. Ausrüstungsgegenstände wie Pulsmesser, iPod® oder GPS-Uhr lässt er gerne zu Hause. Er läuft los. Und rennt, soweit er kann.
Auf die Frage, warum er sich so etwas antue, warum er seinen Körper solchen Strapazen aussetze, antwortet er wie folgt: „Wenn du mehrere Stunden am Stück rennst, auf dem Rad sitzt oder auf einen Gipfel kletterst, dann erfährst du besonders klare Momente. Die eigene Existenz wird auf eine Art Selbsterhaltungstrieb reduziert. Irgendwann ist alles in seine Einzelteile zerlegt, wirkt elementar. Plötzlich hat jeder Moment die Intensität und das Potenzial, für immer bei dir zu sein.“
Anton ist seit mehr als zehn Jahren Profi. Er sagt zwar, er könne noch immer nicht glauben, dass er dafür bezahlt werde, nach Lust und Laune durch die Berge zu rennen, aber das hat durchaus seine Berechtigung: Im Auftrag mehrerer Outdoorbrands ist der Mann mit charakteristischem Rauschebart ein gern gesehener Markenbotschafter. Zudem ist er erfolgreicher Wettkämpfer.
Bis heute gewann er einige der härtesten Ultraläufe der Welt, u. a. das Miwok Trail Race über 100 Kilometer in Kalifornien, den Rocky Raccoon in Texas und den Leadville 100 Trail in Colorado über jeweils 160 Kilometer. Was hat er davon?
„Schwere Beine. Authentische Emotionen. Und das Bewusstsein, mich einer schier unüberwindbaren Herausforderung gestellt zu haben, die ich dank meiner Standhaftigkeit meistern konnte. Das ist erfüllend. Ich denke, dass Ultraläufer deshalb lange Läufe bestreiten, weil sie die Dinge gerne mit sich selbst ausmachen.“
Dass er gerne läuft, zeigte sich beim kleinen Tony, der in der Weite Nebraskas aufwuchs, bereits früh. Seinen ersten Marathon absolvierte er im Alter von 12 Jahren. Warum das? – „Für mich war es das Beste, was ich tun konnte. Ich war wie besessen davon, mich besonderen physischen Herausforderungen zu stellen. Nachdem ich im Training einige Male mehr als 30 Kilometer gelaufen war, wusste ich, dass ich bereit dafür bin. Dieselbe Motivation trieb mich dann auf noch längere Strecken und Ultramarathons.“
Hatten seine Eltern nichts dagegen, dass er als Teenager einen Marathon lief? – „Die nächste Teerstraße war meilenweit entfernt“, erinnert sich Tony, „ich war den ganzen Tag draußen, habe Bisonknochen gesammelt und Hütten gebaut. Mit neun Jahren bekam ich meine erste Axt geschenkt. Ich war ein hochaktives Kind und erinnere mich, dass meine Eltern mal auf mich eingeredet haben, ich solle nicht immer so ‚Kamikaze’ unterwegs sein. Am Ende war es absolut okay für sie, dass meine Energie in meine immer