Call me Baby. Katharina B. Gross

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Название Call me Baby
Автор произведения Katharina B. Gross
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960894636



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mir sein ganzes Auftreten, von seinem Aussehen hin bis zu seinem verlegenen Lächeln.

      »Schon gut. Ist ja nichts weiter passiert. Ich hätte die ganze Sache schließlich sofort aufklären oder einfach auflegen können«, entgegne ich mit roten Wangen. Zum Glück ist der Raum nur schwach beleuchtet, sodass er es hoffentlich nicht bemerkt. »Also bin ich auch irgendwie schuld, weil ich mitgemacht habe. Du hast mich beim ersten Mal nur so sehr überrascht, dass ich selbst kaum reagieren konnte …«

      »Kann ich verstehen. Mich würde es auch irritieren, wenn mir jemand einfach so ins Ohr stöhnt, während ich bei der Arbeit sitze.« Nun grinst er schelmisch, was ihm echt gut steht. Irgendwie finde ich ihn dadurch noch attraktiver. »Mann, ich hätte dich wohl ewig weiter in dem Glauben angerufen, bei einer Sexhotline für Schwule gelandet zu sein, wenn du nichts gesagt hättest.« Eindringlich sieht er mich an. Seine Augen wirken noch dunkler und ein Schatten liegt auf seinem Gesicht.

      Dann grinst er wieder und nimmt einen großen Schluck von seinem Bier. Die Stimmung lockert sich, was vermutlich auch an dem Alkohol liegt, denn mein Bier ist bereits zur Hälfte leer. Die Schmetterlinge in meinem Bauch verbreiten sich nach Niklas’ Geständnis immer mehr und je länger wir uns unterhalten, desto heftiger klopft mein Herz. Mein Körper kribbelt angenehm, wenn ich ihn ansehe. Das ist kein perverser Kerl, der bloß eine schnelle Nummer gesucht hat, sondern ein wirklich sympathischer und attraktiver Mann, der hier vor mir sitzt und verzweifelt versucht, mir diese peinliche Situation zu erklären. Das Bier in meinem Blut lässt mich mutiger werden. Ich bin verdammt neugierig, was er wohl von mir als seinen Telefonsexpartner gehalten hat, denn sonst hätte er vermutlich kein zweites Mal angerufen.

      »War ich denn … nun, genauso gut wie die Anderen?«, frage ich nicht ohne eine Spur von Nervosität.

      »Welche anderen?«, will er verwirrt wissen. Vermutlich hat er nicht mehr damit gerechnet, dass ich das Thema erneut aufgreifen würde.

      »Na ja … ich dachte … du klangst so, als hättest du das schon mal gemacht. Also Telefonsex, meine ich. Das sind doch alles Profis, oder? Da muss ich doch wie jemand geklungen haben, der absolut keine Ahnung hat.«

      Niklas’ Augen weiten sich überrascht, dann vergräbt er sein Gesicht in den Händen. Anscheinend habe ich ihn mit dieser Frage total überrumpelt.

      »Scheiße«, murmelt er, »ich habe das noch nie zuvor gemacht. Musste ich nie.« Dann sieht er mich wieder an. »Ich habe geglaubt, dass ich es mit einem Profi zu tun habe, und mir wirklich Mühe gegeben, nicht wie ein blutiger Anfänger zu klingen. Mir war das Ganze so schon peinlich genug. Hast du dir etwa gemerkt, was ich alles gesagt habe?«

      Ich nicke stumm. Natürlich. Jedes Wort. Und vor allem sein Stöhnen geht mir seit dem Abend nicht mehr aus dem Kopf. Keine Ahnung, was Niklas von mir hält, jetzt, da wir uns tatsächlich begegnet sind. Ich für meinen Teil finde nicht nur seine Stimme verdammt sexy. Der ganze Mann ist einfach zum Anbeißen! Für ihn könnte ich doch tatsächlich all meine Prinzipien, was One-Night-Stands betrifft, vergessen. Gerade jetzt spüre ich die Anziehung zwischen uns und das Kribbeln, das sich von meinen Haarspitzen bis zu den Fußsohlen in meinem ganzen Körper ausbreitet. Er macht mich wirklich neugierig. Umso interessanter ist es, wie er mich so schnell gefunden hat. Es überrascht mich, dass er nach dieser Nummer überhaupt bei mir aufgetaucht ist. Wäre mir so ein Missverständnis passiert, ich hätte mich ganz sicher nicht zu erkennen gegeben.

      »Umso schlimmer«, seufzt er und kratzt sich verlegen am Kopf. Ihm ist sein Verhalten wirklich peinlich, was ich irgendwie süß finde.

      »Es ist ja nichts weiter passiert und wir konnten die Sache klären, also Schwamm drüber«, sage ich zu ihn. »Wie hast du mich eigentlich gefunden? Ich meine … du hattest doch keine Ahnung, wer ich bin.« Mein Bier ist mittlerweile leer, während er seins kaum angerührt hat. Kurzerhand bestelle ich mir ein weiteres bei der Bedienung, die gerade mein leeres Glas einsammelt.

      »Du hast ja selbst gesagt, wo ich gelandet bin. nachdem ich erschrocken aufgelegt habe, musste ich diese Media AG sofort googlen. Und weil du so spät noch ans Telefon gegangen bist, obwohl die offiziellen Sprechzeiten schon vorbei waren, habe ich einfach gehofft, dich wieder sprechen zu können. Natürlich hätte auch jemand ganz anderes rangehen können, da hatte ich vermutlich Glück. Wie du aussiehst, wusste ich nicht, ich konnte nur raten, dass du es bist, der heute Abend so spät das Gebäude verlässt.« Niklas hebt sein Bier an die Lippen und nimmt einen langen Schluck. Der Schaum hinterlässt eine Spur auf seiner Oberlippe. Seine Zunge schnellt vor und leckt den Schaum weg. Wir gebannt starre ich auf seinen Mund.

      »Keine Ahnung, was du jetzt über mich denkst, aber das mit dem Telefonsex war eine total schwachsinnige Idee«, meint er nach einer längeren Pause.

      »Wie kamst du da überhaupt drauf?«

      »Diese ganze Telefonsexsache ist auf den Mist von meinem Mitbewohner gewachsen.« Niklas trinkt sein Bier aus und schiebt das Glas zur Seite. »Na ja, Max war eben davon überzeugt, dass es mir guttun könnte …«

      »Und dann wolltest du es auch mal ausprobieren?«, mutmaße ich mit hochgezogenen Augenbrauen.

      »Nein, so war es gar nicht. Bisher habe ich mich von Telefonsex oder One-Night-Stands ferngehalten, weil ich in einer festen Beziehung gewesen bin. Doch nach der Trennung von meinem Freund war ich einsam. Also habe ich es auf Max’ Zureden mal mit Telefonsex probiert, statt für einen Quickie in den nächstbesten Club zu rennen oder mich in einschlägigen Onlineportalen anzumelden. Und am Telefon wäre ja alles ganz unverbindlich. Niemand sieht einen dabei. Und wenn es nicht geht, sofort auflegen. Klang leicht, wie Max er formuliert hatte.« Er lacht und kratzt sich verlegen am Kopf. »Wenn ich Trottel mich bloß nicht verwählt hätte … Ich war einfach viel zu nervös.«

      »Dann hätten wir uns vermutlich gar nicht kennengelernt und säßen jetzt nicht hier«, entgegne ich und proste ihm mit meinem Bier zu.

      »Ja. Max sei Dank, würde ich mal sagen. Da habe ich wohl Glück gehabt, direkt die richtige Filiale eures Callcenters erwischt zu haben und …«, er sieht mir tief in die Augen, »dass du dich als so ein angenehmer Gesprächspartner entpuppt hast.«

      Als er mich so offen anlächelt, kann ich einfach nicht anders. Mein Körper reagiert wie von selbst. Ich beuge mich über den Tisch und küsse ihn einfach, ohne über mein Handeln nachzudenken.

      Niklas zuckt vor Überraschung zusammen, weicht jedoch nicht zurück. Dadurch ermutigt, verstärke ich den Druck auf seinen Mund. Meine Lippen streichen erst zögernd über seine, dann intensiviere ich den Kuss. Vorsichtig tastet sich meine Zunge vor und erkundet seine Konturen. Sein Dreitagebart kitzelt ein wenig. Niklas hat nicht nur wahnsinnig schöne Lippen, sie fühlen sich auch noch unglaublich toll an beim Küssen.

      Er öffnet breitwillig seinen Mund, um mir Einlass zu gewähren. Seine Zunge kommt mir bereits entgegen. Jetzt ist von seiner anfänglichen Zurückhaltung gar nichts mehr zu spüren. Hungrig erwidert er den Kuss. Mit den Händen umfasst er mein Gesicht und zieht mich noch ein Stück weiter über den Tisch zu sich. Ein leises Stöhnen kommt über meine Lippen. Scheiße, kann der Kerl gut küssen!

      Dieser Kuss bringt mich um den Verstand. Es ist ewig her, seit mich ein Mann so leidenschaftlich geküsst hat. Und ihn scheint es nicht einmal zu stören, dass wir uns gerade in einer Kneipe befinden. Hier ist zwar nicht so viel los, dennoch sind wir nicht allein hier. Aber das ist auch mir egal, denn mein Kopf ist wie leergefegt.

      Ich stütze mich mit den Händen auf dem Tisch ab, um den Kuss nicht unterbrechen zu müssen, denn diese Position wird langsam etwas unangenehm für mich. Deshalb lehne ich mich noch weiter vor und verlagere mein Gewicht auf dem Ellenbogen, als ich es plötzlich laut neben uns scheppern höre. Erschrocken fahren wir auseinander.

      »Scheiße!«, flucht Niklas. Ich blinzle verwirrt und versuche, die Situation zu erfassen. Mein Hirn ist immer noch etwas benebelt von der plötzlichen Leidenschaft, die durch den Kuss in mir ausgelöst wurde. Hat mein Körper so eindeutig auf Niklas reagiert, weil ich schon so lange mit niemanden intim gewesen bin? Schon möglich … Aber es war eben nicht nur Verlangen, das ich während des Kusses gespürt habe.

      Niklas