Название | Urknall, Weltall und das Leben |
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Автор произведения | Harald Lesch |
Жанр | Математика |
Серия | |
Издательство | Математика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783831257683 |
Gaßner: Und bei der Periheldrehung des Merkurs handelt es sich um die Wechselwirkung des Planeten mit dem Gravitationsfeld der Sonne. Dieses „Eiern“ um den Brennpunkt, ausgelöst durch Störungen der Planeten Venus und Erde, kannte man schon vor Einstein, allerdings gab es zwischen den Messdaten und der theoretischen Berechnung Abweichung von 43 Bogensekunden pro hundert Jahre. Die Allgemeine Relativitätstheorie konnte diese Bahnveränderung auf die Raumkrümmung durch die Anwesenheit der Sonne zurückführen.
1.16 Die Periheldrehung des Merkurs
Lesch: Aber der wirkliche Hammer war natürlich die gravitative Beugung des Lichts. Josef, ich will jetzt hier nicht abschweifen, aber kannst du dir vorstellen, wie das damals gewesen sein muss, als der Arthur Eddington von seiner Afrika-Expedition mit den Daten der Sonnenfinsternis zurückgekommen ist und sie dann in der Royal Society vorgestellt hat. Eddington betritt also die Bühne. Über ihm der Gipskopf von Isaac Newton. Was nun? Es ist ein Drama. Das erlauchte Publikum in London wartet gespannt. Es geht für Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie um Kopf und Kragen. Sie hat die klare Vorhersage getroffen, dass Licht an schweren Massen so sehr gebeugt wird, dass die scheinbaren Positionen von den tatsächlichen Positionen der Lichtquellen, also der Sterne, abweichen. Für eine Beobachtung dieses feinen Effekts muss jedoch die alles dominierende Leuchtkraft der Sonne abgedeckt sein – daher die Sonnenfinsternis. Und die Natur hat glücklicherweise mitgespielt. Einen Tusch, bitte! Sir Arthur Eddington hatte genau die Daten mitgebracht, die die Theorie bestätigten. Heureka!
1.17 Arthur Stanley Eddington (1882 - 1944)
Gaßner: Heutzutage lässt sich die Wechselwirkung von elektromagnetischen Wellen in Gravitationsfeldern sehr genau vermessen. Mittlerweile sind wir nicht mehr auf günstige Konstellationen aus Sonnenfinsternis und Hintergrundsternen angewiesen, sondern platzieren selber geeignete Messgeräte hinter der Sonne. Mit Hilfe der Cassini Sonde konnte auf diese Weise der sogenannte Shapiro-Effekt (Irwin Ira Shapiro) nachgewiesen werden, wonach elektromagnetische Signale beim Durchlaufen von Gravitationsfeldern gemäß Allgemeiner Relativitätstheorie eine Verzögerung erfahren. Der theoretische Effekt konnte mit einer Genauigkeit von 0,001 Prozent bestätigt werden.
Lesch: Die Allgemeine Relativitätstheorie hatte auch vor hundert Jahren schon vieles erklärt, aber als dann der Hubble mit seinen Beobachtungsdaten kam, gelang ihr der Durchbruch.
Gaßner: Die Art und Weise, mit der die Allgemeine Relativitätstheorie die Newtonsche Mechanik verdrängte, ist übrigens kennzeichnend für eine sanfte Form der Evolution in der modernen Naturwissenschaft. Je besser eine etablierte Theorie durch experimentelle Daten gestützt wird, desto schwieriger wird es, sie in Bausch und Bogen zu verwerfen. Sie findet sich entsprechend aufgenommen wieder und behält als Grenzfall – im Beispiel der Newtonschen Mechanik für kleine und mittlere Massen und Geschwindigkeiten deutlich unterhalb der Lichtgeschwindigkeit – ihre Gültigkeit. In der Autobranche entspräche dies eher einem Facelifting denn einem Modellwechsel.
Lesch: Klar, die Allgemeine Relativitätstheorie hat sozusagen die Newtonsche Mechanik in sich aufgesogen.
Gaßner: Eben! Bei der Rekonstruktion eines Autounfalls muss nicht gleich die Allgemeine Relativitätstheorie ran. Da reicht nach wie vor die ganz normale Newtonsche Mechanik.
Lesch: Obwohl ich es spannend fände, zu sehen, wie so ein Unfall etwas gründlicher untersucht würde. Das Gravitationsfeld der Erde ist ja nicht an jeder Stelle gleich. Auch die Autos üben eine Gravitation aus – schwach, aber immerhin. Das wäre eine beliebig komplizierte Berechnung, an deren Ende sich vermutlich die Schuldfrage gar nicht eindeutig klären ließe.
Gaßner: Jetzt sollten wir aber wieder zurück auf unsere Spur finden – das Stichwort war Facelifting anstelle von Modellwechsel.
Lesch: Ja, ja. Wir haben es also mit einer Theorieentwicklung zu tun, die, abgesehen von Kopernikus, der die Erde ganz aus dem Zentrum des Weltbildes herausgenommen und dafür die Sonne reingestellt hat, abgesehen von dieser kopernikanischen Revolution eher über Reformen als über Revolutionen vonstattengeht.
Gaßner: Ein heliozentrisches Weltbild gab es übrigens bereits 1800 Jahre vor Kopernikus. Aristarch von Samos hatte es entwickelt, basierend auf Überlegungen von Heraklit und Philolaos. Beobachtet man über Monate den nächtlichen Lauf des Mars vor dem Fixsternhimmel, so scheint er regelrechte Schleifenbewegungen zu vollziehen. Dieses Umkehren und Zurückfliegen, die sogenannte retrograde Bahn des Mars, hatte sie stutzig werden lassen.
1.18 Im Mittelpunkt links steht die Sonne, umkreist von der blauen Erde und dem roten Mars. Betrachtet man von der Erde aus an sieben charakteristischen Punkten die Projektion des Mars auf den Fixsternhimmel, so ergibt sich eine Schlingerbewegung, die sogenannte retrograde Marsbahn.
Lesch: Dann kam Ptolemäus mit seiner Epizykeltheorie und setzte die Erde wieder in den Mittelpunkt. Wie man sieht, gibt es zu jedem beliebig komplizierten physikalischen Problem eine ganz einfache und zugleich völlig falsche Erklärung. Die Epizykeltheorie war noch nicht mal einfach.
Gaßner: Die Naturwissenschaften durchlaufen einen stetigen Anpassungsprozess, in dem sich kleine Mutationen der Theorien als erfolgreicher durchsetzen. Nur von Zeit zu Zeit ereignet sich Spektakuläres, ausgelöst durch schlagartig drastisch veränderte „Lebensbedingungen“. Einen solchen „Meteoriteneinschlag“ stellten die Beobachtungsdaten von Edwin Hubble dar. Damals starben ganze Spezies an Theorien aus. An ihre Stelle trat ein neues Weltmodell – das expandierende Universum – das, wiederum mit entsprechenden Anpassungen, bis zum heutigen Tag zahllose Bestätigungen erfuhr.
Lesch: Die wichtigste und weitreichendste Bestätigung war die Entdeckung der Kosmischen Hintergrundstrahlung. Wenn das Universum in seiner Geburtsphase tatsächlich sehr heiß war, dann musste diese Strahlung auch heute noch nachweisbar sein. Die amerikanischen Physiker Ralph Alpher und Robert Hermann hatten diese Überlegung bereits 1948 angestellt und sogar angegeben, dass die Strahlung aufgrund ihrer extremen Rotverschiebung mittlerweile im Mikrowellenbereich läge, bei einer Temperatur von etwa fünf Kelvin.
Gaßner: Auch der russisch-amerikanische Kernphysiker George Gamov hatte mehrere Arbeiten zu diesem Thema verfasst. Diesen Prognosen wurde allerdings kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Die eigentliche Entdeckung war purer Zufall. An den Bell Laboratories in New Jersey waren zwei junge Ingenieure mit der Eichung einer 15 Meter großen Hornantenne zu Gange, die Radiosignale aus der Milchstraße untersuchen sollte. Arno Penzias und Robert Wilson kämpften mit einem rätselhaften Rauschen im Mikrowellenbereich bei 7,35 Zentimeter Wellenlänge, das isotrop, also von allen Seiten gleichermaßen registriert wurde. Nachdem sie ein Jahr lang alle potentiellen Fehlerquellen ausgeschlossen und in ihrer Verzweiflung sogar den Taubenkot aus der Hornantenne entfernt hatten, suchten sie Rat bei der nahen Universität Princeton. Dort erkannte man schnell, dass es sich um die Kosmische Hintergrundstrahlung handelte.
Lesch: Ironie des Schicksals. In Princeton hatte im Frühjahr 1964 ein Forscherteam um Robert Dicke bereits seinerseits eine Antenne gebaut, um gezielt nach der Hintergrundstrahlung zu suchen. Penzias und Wilson waren ihm haarscharf – und fast muss man sagen versehentlich – zuvorgekommen und haben 1978 den Nobelpreis abgeräumt.
Gaßner: Höchstbrisant auch deshalb, weil Robert Wilson ein enger Freund von Fred Hoyle war, die beiden hatten sogar gemeinsam studiert. Nun sollte ausgerechnet sein größter Triumpf die Modelle eines statischen Universums, die Hoyle so leidenschaftlich vertrat, vom Tisch wischen. Eigentlich ist