Urknall, Weltall und das Leben. Harald Lesch

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Название Urknall, Weltall und das Leben
Автор произведения Harald Lesch
Жанр Математика
Серия
Издательство Математика
Год выпуска 0
isbn 9783831257683



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besteht.

      Während des ursprünglichen Dialoges hatten sich drei Schwerpunkte herauskristallisiert: die Urknall-Hypothese sowie der aktuelle Forschungsstand zum Weltall und dem Phänomen Leben. Die Themen unterscheiden sich deutlich im Schwierigkeitsgrad, sind allerdings weitgehend selbsttragend. Wem also der theoretische Hintergrund des Urknallmodells zu abgedreht erscheint, der kann jederzeit Mut zur Lücke beweisen und unmittelbar zum Kapitel Weltall springen.

      Die zahlreichen Rückmeldungen haben uns motiviert, unter http://www.Urknall-Weltall-Leben.de eine Internetseite zum Buch einzurichten, mit stets aktualisierten Nachrichten und Videos aus der Wissenschaft sowie einem Forum. Vielen Dank an alle, die dort offene Fragen, Änderungs- und Erweiterungsvorschläge hinterlassen haben und das hoffentlich auch in Zukunft tun werden. Das gesamte Feedback ist in die vorliegende dritte Auflage des Buches eingeflossen. Die laufende Pflege des Manuskripts gewährleistet, dass sich alle Zahlen und Fakten auf dem aktuellen Stand befinden. Dabei ist ein vierter Schwerpunkt hinzugekommen, der die aktuellen Grenzfragen der theoretischen Physik behandelt.

      Unter dem Titel des Buches haben wir auch einen YouTube-Kanal eingerichtet, auf dem Sie laufend neue Videos von Harald und mir zu unterschiedlichen Themen finden.

      Wir hoffen, der vorliegende Dialog wird Ihnen ebenso viel Freude bereiten wie uns und laden Sie herzlichst ein, die/der Dritte im Bunde zu sein. Aber noch eine Warnung vorweg – seien Sie sich des Risikos bewusst: Die Faszination Wissenschaft ist ein trojanisches Pferd, mit dessen Hilfe man in die Köpfe der Menschen gelangt. Sobald Ihnen bewusst wird, welche glücklichen Umstände in diesem Universum vom Urknall bis heute Morgen zusammenspielen mussten, damit das Phänomen Leben und damit unsere eigene Existenz überhaupt möglich ist, werden Sie vielleicht diese Welt und sich selbst mit neuen Augen sehen. Sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt!

Im Herbst 2014Josef M. Gaßner

      Prolog

      „Auf einem stark abgekühlten Aschehaufen stehend, beobachten wir das allmähliche Erlöschen der Sonnen, und wir versuchen uns des entschwundenen Glanzes des Ursprungs der Welten zu erinnern.“

      1.1 Georges Lemaître (1894 - 1966)

      Gaßner: Spüren Sie, verehrte Leserinnen und Leser, die tiefe Sehnsucht in diesen Worten von Georges Lemaître? Genau diese Sehnsucht ist es, die viele Generationen von Menschen bis heute motiviert, Astronomie und Kosmologie zu betreiben. Es ist der ureigene Wunsch, die Welt zu verstehen, in der wir leben.

      Lesch: Genau. Es geht schlichtweg um die Frage, woher alles kommt. Es gilt, die größtmögliche Geschichte zu ergründen und zu erzählen. Das Hauptproblem besteht letztlich darin, dass wir auf die Welt kommen – und die Welt ist schon da. Wir versuchen von Kindesbeinen an, diese faszinierende Welt zu erforschen.

      Gaßner: Ein Universum, das in einem Urknall sämtliche Voraussetzungen in sich trägt, nach Jahrmilliarden die unglaubliche Metamorphose von toter Materie zu lebenden Organismen zu vollziehen, ist für reflektierende Lebewesen zwangsläufig ein bestaunenswertes Rätsel.

      Lesch: Deshalb ist es ja auch naheliegend, dass der Mensch der Vorzeit bis weit in die Antike die Gründe für die Existenz und Funktionsfähigkeit der kosmischen Vorgänge zunächst im Bereich der Götter und Mythen suchte. Um sich eine vielfältige Welt mit all ihren Einzelheiten zu erklären, bedurfte es Wesen, die das wollten und mittels übermenschlicher Fähigkeiten bewerkstelligen konnten. Dass sich die Welt aus dem Nichts beziehungsweise einem völlig ungeordneten Chaos in einen geordneten Kosmos entwickelt haben könnte, war lange Zeit nicht vorstellbar und ist es im Grunde bis heute nicht. Für den nachfragenden Geist war das ewige Universum aber schon damals eine Provokation. Für weniger kritische Gemüter stellte es jedoch eine große Beruhigung dar.

      Gaßner: Für das frühe Interesse der Menschheit an den Vorgängen am Himmel gibt es sogar einen archäologischen Beweis, die Himmelsscheibe von Nebra. Sie ist die älteste bekannte Himmelsdarstellung und wurde etwa 2100 bis 1700 v. Chr. von unseren Vorfahren angefertigt. Über ihre genaue Bedeutung gibt es seit ihrem Fund 1999 in einer Steinkammer nahe der heutigen Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt die unterschiedlichsten Theorien.

      Lesch: Der Anblick des Himmels hat von jeher in den Menschen das tiefe Verlangen ausgelöst zu verstehen. Selbst vor 4.000 Jahren, und da hatte man ja wirklich noch andere Probleme.

      Gaßner: Der römische Philosoph Lucio Annaeus Seneca schrieb bereits zu Beginn unserer Zeitrechnung: „Wenn die Sterne nur von einem einzigen Ort aus auf der Erde sichtbar wären, würden die Menschen nie aufhören, dorthin zu reisen, um sie zu sehen.“

      Vom Staunen ist es nur ein kurzer Schritt zum Verstehenwollen. Der Durchbruch in puncto „Verstehen“ kam aber erst mit dem Beginn der Neuzeit und den sich entwickelnden empirischen Naturwissenschaften. Die Forschung machte auch vor dem Kosmos als Ganzes nicht mehr halt. Die Entwicklungslinien wurden immer klarer. Letztlich konnte die Vorstellung eines ewigen Kosmos nicht länger aufrechterhalten werden.

      1.2 Die Himmelsscheibe von Nebro. Sie besteht aus etwa 2,3 kg Bronze und ist mit Goldapplikationen versehen, die den Verlauf der Sonnenaufgänge darstellen und Sterne kennzeichnen. Anhand von Verunreinigungen in der Bronze, insbesondere radioaktiver Bleiisotope, konnte die kreisrunde Platte mit 32 cm Durchmesser auf 2100 bis 1700 v. Chr. datiert werden. Am Abend der Sommersonnenwende (21. Juni) wurde die Scheibe auf dem Mittelberg stehend in Richtung Brocken justiert. Die Sonnenuntergänge wanderten anschließend bis zur Wintersonnenwende (21. Dezember) entlang des Horizontbogens und kehrten von dort wieder zum Ausgangspunkt zurück. Ein zweiter, leider nicht mehr erhaltener Horizontbogen kennzeichnete analog die Sonnenaufgänge. Beide spannten jeweils einen Winkel von 82 Grad auf. Der Bogen am unteren Rand stellt vermutlich eine sogenannte Himmelsbarke dar und hatte keine astronomische Bedeutung.

      Lesch: Als in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts immer mehr Beobachtungen sogar auf eine Expansion des Kosmos hindeuteten, kam es zum finalen Aufbäumen der Hypothese vom ewigen Universum. Die Liste der Expansions-Kritiker liest sich wie das damalige Who’s Who der Wissenschaft, von Fred Hoyle, Max Born, Robert Millikan, Louis de Broglie, Walther Nernst, Erwin Freundlich bis Fritz Zwicky. Gestützt wurde die Skepsis durch ein theoretisches Alter des Universums, dass geringer war als das nachweisbare Alter unseres Sonnensystems. Zudem erschien vielen ein kosmologisches Prinzip in Raum und Zeit ansprechender.

      Gaßner: In den folgenden Jahren geriet die Frage mehr und mehr zum Politikum. Selbst Papst Pius XII. äußerte sich zum Thema.

      Lesch: Zum Glück wurde mit der Zeit die Entfernungsmessung immer weiter verbessert und damit auch die Bestimmung des Alters des Universums. Mit der Entwicklung der Radioastronomie gelang schließlich sogar der direkte Nachweis, dass Galaxien früher dichter standen als heute.

      1.3 Sir Fred Hoyle (1915 - 2001)

      Gaßner: Ausgerechnet Sir Fred Hoyle, einer der Hauptvertreter des statischen Universums, hat in einer Radiosendung das Modell eines sich dynamisch entwickelnden, expandierenden Kosmos mit der abfällig gemeinten Bezeichnung „Big Bang“, also „großer Knall“, abgetan und wurde so unfreiwillig zum Namensgeber dieser bis zum heutigen Tage gültigen Theorie. Das Modell vom Urknall hat sich durchgesetzt. Es ist zum anerkannten Standardmodell der Kosmologie geworden.

      Lesch: Das nennt man ein klassisches „Branding“. Das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden. Das Urknallmodell war in der Zeit damals ja heiß umstritten und gerade der Herr, den du angesprochen hast, kämpfte noch jahrzehntelang dagegen an.

      Gaßner: Die Vorbehalte von Fred Hoyle und seinen Kollegen sind aus damaliger Sicht durchaus nachvollziehbar. Ein Universum, das sich fortwährend ausdehnt, war offensichtlich gestern kleiner und wärmer als heute und letzte Woche noch kleiner und noch wärmer. Konsequent