Urknall, Weltall und das Leben. Harald Lesch

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Название Urknall, Weltall und das Leben
Автор произведения Harald Lesch
Жанр Математика
Серия
Издательство Математика
Год выпуска 0
isbn 9783831257683



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eines Elektrons von einer (der dritten) auf eine andere (die zweite) Bahn um den Atomkern.

      Elektronen auf höheren Bahnen besitzen mehr Energie, entsprechend wird die Differenz beim Übergang in Form eines Photons (Emissionslinie) freigesetzt. Dabei entspricht jede Wellenlänge einer bestimmten Energie. Kurze Wellenlänge bedeutet hohe Energie, große Wellenlänge bedeutet niedrige Energie.

      Den umgekehrten Vorgang, bei dem Atome aus einem vorgegebenen Spektrum Energie entnehmen, um sie in ihrer inneren Struktur zu verteilen, nennt man Absorption. Dabei wird beispielsweise ein Elektron auf eine höhere Bahn ausgelenkt. Die entsprechende Energie fehlt anschließend im Ausgangsspektrum. Diese charakteristischen schwarzen Linien nennt man Absorptionslinien.Emissions- und Absorptionslinien werden unter dem Oberbegriff „Spektrallinien“ zusammengefasst.

      Gaßner: Die Wellenlängen der Spektrallinien weit entfernter Objekte sind gegenüber unseren Laborwerten aber verschoben. Daraus leiten wir eine sogenannte Fluchtgeschwindigkeit her, wobei wir noch sehen werden, dass man hier mit dem Begriff „Geschwindigkeit“ sehr vorsichtig umgehen muss.

      1.10 Oben ist das Spektrum unserer Sonne dargestellt, unten die Spektrallinien des eine Milliarde Lichtjahre entfernten Superhaufens BAS11. Die Linien weit entfernter Objekte sind gegenüber den Referenzlinien aus den irdischen Labors verschoben.

      1.11 Für eine ruhende Strahlungsquelle (links) erhält man eine Kugelwelle um den Mittelpunkt, wobei jeweils der Abstand zwischen zwei konzentrischen Kugelschalen die Wellenlänge des abgestrahlten Lichts kennzeichnet.

      Bewegt man die Strahlungsquelle kontinuierlich nach rechts, erhält man das rechte Bild. In Bewegungsrichtung sind die Wellenlängen verkürzt (blauverschoben), entgegengesetzt sind sie gedehnt (rotverschoben).

      Lesch: Wenn ein Kranken- oder Polizeiwagen mit Sirene an uns vorbeifährt, hören wir diesen sogenannten Dopplereffekt. Die Frequenz beziehungsweise die Tonhöhe des Signals ist erhöht, bis das Fahrzeug auf gleicher Höhe mit uns ist. Entfernt es sich von uns, fällt sie sprunghaft auf ein tieferes Niveau ab. Der Österreicher Christian Doppler hat das bereits 1842 vorausgesagt. Natürlich wusste er damals noch nichts von Martinshörnern auf Autos.

      1.12 Die Relativbewegung einer Lichtquelle (Stern) bewirkt eine Rotverschiebung, wenn sich die Quelle vom Beobachter entfernt und eine Blauverschiebung bei Annäherung.

      Gaßner: Aber wieder zurück zu Edwin Hubble. Mit Hilfe der theoretischen Leuchtkraft der Cepheiden, der zugrundeliegenden Theorie und der Verschiebung der Spektrallinien konnte er nun Punkt für Punkt Entfernung und Fluchtgeschwindigkeit der beobachteten Objekte in einem Diagramm zusammentragen. Anhand ähnlicher Beobachtungen hatte Georges Lemaître bereits 1927 erkannt, dass sich weit entfernte Objekte tendenziell von uns wegbewegen. Damit hatte er dem etablierten Weltbild eines ewig statischen Universums bereits einen empfindlichen Wirkungstreffer verpasst. Edwin Hubble legte nun ein Lineal an und zeichnete durch seine Messpunkte eine Gerade in sein Diagramm – einen linearen Zusammenhang zwischen Entfernung und Fluchtgeschwindigkeit. Gewissermaßen ein kurzer Strich für einen Menschen, aber eine lange, zukunftsweisende Linie für die Naturwissenschaft!

      Lesch

      Das hast du schön gesagt! Wie viele Punkte hatte Hubble denn in diesem Diagramm?

      Gaßner: So drei Dutzend würde ich mal sagen und die waren ziemlich unregelmäßig verteilt.

      1.13 Das Hubble-Diagramm: Horizontal ist die Entfernung der Objekte aufgetragen; vertikal die Fluchtgeschwindigkeit (korrigiert um die Eigenbewegung unseres Sonnensystems).

      Schwarze Punkte: Objekte, die individuell gemessen wurden.

      Kreise: Nebel, deren Objekte nicht individuell aufgelöst werden konnten.

      Kreuz: mittlere Geschwindigkeit von 22 Nebeln, deren Abstände nicht einzeln ermittelt werden konnten.

      Die gestrichelte Linie ergibt sich unter Berücksichtigung der Kreise. Die durchgezogene Linie approximiert die schwarzen Punkte. Die Steigungen beider Geraden sind aus heutiger Sicht falsch. Die grundlegende Idee einer Geraden war jedoch bahnbrechend.

      Lesch: Ein starkes Stück. Hubble hatte den Mut, durch eine Wolke von Punkten einfach mal einen Strich zu ziehen und dann zu sagen: „So!“ Ein mutiger Mann, Preisboxer eben.

      Gaßner: Vielleicht sollten wir für die nächste Datenauswertung die Klitschkos einladen. Boxer sind halt in der Astronomie klar im Vorteil: Sie können auch tagsüber mal Sternchen sehen.

      Lesch: Wie so oft auch in der Wissenschaft: Man muss einfach mal was wagen.

      Gaßner: Ein anderer namhafter Preisboxer – Mohammed Ali – hat in jungen Jahren einmal gesagt: „Ich weiß nicht immer genau, wovon ich rede, aber ich weiß, dass ich recht habe.“ Dieses Selbstvertrauen war wohl auch Edwin Hubble nicht fremd.

      Lesch: An dieser Stelle hat Hubble auf alle Fälle Physikgeschichte geschrieben. Er hat dieses Wahnsinns-Diagramm – das später nach ihm benannte Hubble-Diagramm – aufgestellt, das den Zusammenhang zwischen Entfernung und Fluchtgeschwindigkeit verdeutlicht.

      Gaßner: Die Daten belegten, dass sich Objekte, die man von der Erde aus in beliebigen Richtungen betrachtet, umso schneller von uns wegbewegen, je weiter sie entfernt sind. Dies entzieht der Theorie eines statischen Universums die Grundlage und verdrängt sie durch eine Theorie des expandierenden Universums. Die immerwährende Evolution in der Naturwissenschaft hatte ein weiteres namhaftes Opfer gefordert.

      Lesch: Ähnlich den biologischen Organismen, die sich in einem Lebensraum behaupten oder verdrängt werden, so unterliegen auch naturwissenschaftliche Theorien diesem Evolutionsprinzip. Der natürliche Feind der Theorie ist hierbei allerdings nicht eine andere Theorie, sondern das Experiment.

      1.14 Albert Einstein (1879 - 1955)

      Gaßner: Bereits Jahre vor Hubbles Entdeckung hatte Albert Einstein die Allgemeine Relativitätstheorie entwickelt. Deren Gleichungen beinhalten zwangsläufig ein expandierendes Universum. Nur mit größter Mühe – mit Hilfe eines mathematischen Kunstgriffes in Form einer Kosmologischen Konstante – war die Theorie mit einem statischen Universum vereinbar.

      Lesch: Er hatte einfach eine Konstante mit der Dimension inverse Fläche addiert, und zwar so raffiniert, dass wieder alles passte.

      Gaßner: Aber selbst ein Schwergewicht wie die Allgemeine Relativitätstheorie musste sich ohne entsprechende experimentelle Unterstützung dem Dogma eines statischen Universums beugen, während es keine geringere Theorie als die Newtonsche Mechanik vergleichsweise mühelos vom Podest stürzte.

      Lesch: Also nochmal: Einstein war vor Hubble. Die Allgemeine Relativitätstheorie wurde 1915 veröffentlicht. Erst 14 Jahre später legte Hubble seine wichtigen Beobachtungen vor. Die Theorie schwebte also die ganze Zeit im luftleeren Raum.

      Gaßner: Nicht ganz, einige ihrer Vorhersagen waren durch Beobachtungen schon bestätigt worden: die gravitative Beugung des Lichts und die Stärke der Periheldrehung des Merkurs.

      Lesch: Langsam, langsam. Das ist jetzt vielleicht etwas viel Material auf einmal. Zunächst hat die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein schlicht und ergreifend vorhergesagt, dass, wenn Licht sich an schweren Massen vorbei bewegt – was soll Licht sonst schon machen, Licht muss sich immer bewegen, Licht ist wie ein Hai, das geht gar nicht anders –, dann werden seine Wege gekrümmt. Das nennt man „gravitative Beugung“. Dieser Effekt hat die Allgemeine Relativitätstheorie so berühmt gemacht.