Название | Hand in Hand |
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Автор произведения | Patty Wipfler |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867812344 |
Wann ist Bleib-Ganz-Ohr angebracht?
Wenn Sie die Wahl haben, dann versuchen Sie diese Strategie des Zuhörens erstmals, wenn Sie sich mit Ihrem Kind allein in einer geschützten Umgebung aufhalten. Denn Erwachsene sind ja nicht gerade für ihre Toleranz gegenüber weinenden Kindern bekannt. Sie werden sich aber die Freiheit wünschen, dem Kind Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, und dabei wahrzunehmen, wie es Ihnen selbst die ersten Male geht.
Hier folgen einige Situationen, in denen Bleib-Ganz-Ohr nützlich ist:
• Wenn Ihr Kind wegen eines blauen Flecks oder Kratzers weint.
• Bei einem tränenreichen Abschied.
• Wenn es weint, weil ihm etwas verwehrt wird.
• Wenn es etwas schaffen will und dabei plötzlich einen Wutanfall bekommt.
• Wenn es vor lauter Angst in Tränen ausbricht.
• Wenn es angespannt und ärgerlich ist.
• Wenn seine Gefühle verletzt wurden.
Das sind längst nicht alle affektbeladenen Situationen in denen Bleib-Ganz-Ohr von Nutzen ist, aber bestimmt haben Sie verstanden, worum es geht.
Der Bericht einer stellvertretenden Schulleiterin zeigt, wie Bleib-Ganz-Ohr bei einem jungen Menschen sogar in schulischer Umgebung große Veränderung bewirken kann. Sie arbeitet schon lange in einer einkommensschwachen, seit Generationen von Bandenkriminalität gebeutelten städtischen Gemeinde.
Eineinhalb Jahre hatte ich mit einem Schüler der Junior Highschool gearbeitet, der schon mehrmals wegen kleinerer Verhaltensauffälligkeiten zu mir geschickt worden war. Jedes Mal machte er völlig dicht und bezeichnete sich als einen „schlechten“ Jungen. Ich glaube nicht an so etwas, also versicherte ich ihm immer wieder, dass mir viel an seinem schulischen Fortschritt lag und ich von seiner Leistungsfähigkeit überzeugt war.
Bei nahezu jedem Besuch in meinem Büro hatte er etwas zu beweinen. Eines Tages fragte ich, was ihm wirklich zu schaffen machte, und weil ich mit Hilfe von Bleib-Ganz-Ohr allmählich sein Vertrauen gewonnen hatte, gestand er mir seine Befürchtung, niemand würde ihn lieben, und zählte angebliche Beweise dafür auf. Ich hörte ihm zu und beteuerte, er sei wertvoller, als er selbst es wüsste. Auch traf ich mich mit seiner Mutter und hörte ihr zu. Als sich die Gelegenheit ergab, erklärte ich ihr die Wunschzeit und ermutigte sie, damit zu experimentieren, was sie auch tat. Bis zum März letzten Jahres hatte sich bei der Mutter viel getan. Sie hatte eine positive Einstellung gewonnen, die auf den Jungen abfärbte.
Nach einigen Bleib-Ganz-Ohr-Sitzungen mit mir und Wunschzeit mit seiner Mutter konnte der Jugendliche spüren, dass er geliebt wurde, und erreichte gute Schulleistungen. Im März dieses Jahres erzählte er mir stolz, dass er seinen Notendurchschnitt deutlich verbessert hatte. Auch seine Körperhaltung hatte sich verändert. Statt missmutig mit hängenden Schultern dazustehen, begann er sich aufzurichten und zu lächeln. Ab und zu umarmte er sogar einen Lehrer.
Im Juni erfuhr er, dass er zum Jahresabschluss eine sehr begehrte Auszeichnung bekommen würde, die pro Jahrgangsstufe nur einem Schüler oder einer Schülerin für „besonders gute Fortschritte“ verliehen wurde.
Es dauerte anderthalb Jahre, doch mit einer großen Portion Bleib-Ganz-Ohr meinerseits und Wunschzeit mit seiner Mutter gelang es uns, Vertrauen herzustellen und eine sehr positive Entwicklung in Gang zu bringen. Dies führte zu bleibender Veränderung bei diesem jungen Mann, der nun eine weitaus vielversprechendere Zukunft vor sich hat.
Wie geht Bleib-Ganz-Ohr?
Das Ziel besteht darin, Ihr Kind in seinem aufgewühlten Zustand mit freundlicher Aufmerksamkeit und Unterstützung zu umgeben. Es wird Ihnen zeigen, wenn es so weit ist. Ihr Kind wird in Tränen oder einen Wutanfall ausbrechen, vor Angst schreien oder vor Zorn beben. Vermitteln Sie Ihrem Kind Halt, während es vor Emotionen überquillt. Hören Sie zu. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Kind gerade genau das Richtige tut, um wieder zu sich kommen zu können. Die ersten Male wird es sich wie die verrückteste Idee anfühlen, die Sie jemals ausprobiert haben. Aber konzentrieren Sie sich auf Ihr Kind und bieten Sie ihm Ihre liebevolle Zuwendung an. Seine Psyche funktioniert; es hat einen gesunden Instinkt! Hier folgt genauer, was zu tun ist:
• Nähern Sie sich und gehen Sie in Augenkontakt. Wendet sich Ihr Kind ab, so hören Sie weiter zu und bieten ihm nach einer Weile nochmals Augenkontakt an. Erinnern Sie es sanft an Ihre Anwesenheit: „Ich bin genau hier, mein Schatz. Schau, ein Küsschen für die Finger.“ Sie brauchen nicht drängen. Wenn es Augenkontakt aufnimmt, aber noch nicht fertig ist, wird es jetzt heftiger weinen. Sie zu sehen ist beruhigend und verstärkt den emotionalen Heilungsprozess.
• Stellen Sie sich auf eine längere Sitzung ein. Bleib-Ganz-Ohr ist oft zeitaufwändig. Große Gefühle tauchen geballt auf, und es dauert, bis sie sich aufgelöst haben. Wenn Bleib-Ganz-Ohr für Sie völlig neu ist, wird Ihr Kind wahrscheinlich einiges an Gefühlen durchzuarbeiten haben.
• Sprechen Sie in sanftem Tonfall, auch dann, wenn Ihr Kind Sie als schlechteste Mutter, schlechtesten Vater der Welt beschimpft. Vertrauen Sie einfach darauf, dass Sie genau die richtige Person an der Seite Ihres Kindes sind, während es diese schrecklichen Gefühle loswird.
• Hören Sie zu. Sagen Sie wenig. „Mir tut leid, dass es so schwer ist“ oder „ich bin hier für dich da“ oder „Schätzchen, ich merke, dass du ganz aufgewühlt bist“, mag zwar hilfreich sein, das Zuhören ist jedoch der Schlüssel. Kim John Payne schreibt in seinem Buch Simplicity Parenting: „Je mehr Sie sagen, umso weniger hören Sie zu.“ Das sehe ich ebenso. Doch wenn Ihr Kind um sich schlägt, wird eine leise Litanei beruhigender Worte während seines Kampfes mit unsichtbaren Kräften zu seinem inneren Halt beitragen.
• Sanfte Berührungen können hilfreich sein. Probieren Sie es aus. Kinder unterscheiden sich stark in ihrem Wunsch nach Berührung. Ist sie hilfreich, werden dadurch wahrscheinlich die Gefühle verstärkt. Ist sie eher fehl am Platz, hören die Kinder mit dem Weinen auf oder reagieren ärgerlich. Sie müssen Ihre Aufmerksamkeit nicht über die Berührung oder Umarmung zeigen, obwohl Ihr Kind beim Freisetzen seiner Emotionen allmählich mehr Nähe suchen wird.
Falls Ihr Kind einen Wutanfall hat, ist es meist am besten, ohne Tuchfühlung näher zu rücken, es sei denn, Sie müssen es davon abhalten, sich selbst zu verletzen. Lassen Sie Ihr Kind toben. Es braucht die Bewegung. Wenn Ihr Kind es mag, können Sie es in den Arm nehmen, wenn es fertig ist. Arbeitet es sich durch Ängste hindurch, dann wird das Im-Arm-Halten zu einer Herausforderung. Vielleicht braucht es Gerangel und Kampf mit Ihnen.
• Sorgen Sie für seine und Ihre Sicherheit. In den Fängen tiefsitzender Ängste reagieren die Kinder manchmal wild und mit dem Impuls, zu verletzen. Weil Sie zuhören, macht Sie das zum Hauptangriffsziel. Der Umgang mit diesen stürmischen Reaktionen ist nicht einfach. Nützliche Hinweise bekommen Sie in Kapitel 11, Ängste auflösen, und Kapitel 12, Aggressionen überwinden.
Lassen Sie Ihr Kind entscheiden, wann es fertig ist. Die kindlichen Gefühle sind von einer Größe und Tiefe, die Sie weder ermessen noch vorhersagen können. Manchmal