Название | Geist über Materie |
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Автор произведения | Dawson Church |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783956280290 |
So schnell verändern sich Neuronen
Studien aus den 1990er-Jahren verblüfften und schockierten die Neurowissenschaftler; wie daraus hervorging, wird sogar bei über Achtzigjährigen die Kapazität neuronaler Schaltkreise durch häufige Nutzung schnell ausgebaut.
Am 5. November 1998 lautete die Schlagzeile zu den »Nachrichten der Woche« in »Science«, dem angesehensten Wissenschaftsmagazin: »Neue Erkenntnisse zur Regeneration von Nervenzellen im Gehirn« (Barinaga, 1998).
Die Welt der Wissenschaft wurde angesichts des Tempos, mit dem sich Gehirnneuronen verändern, auf den Kopf gestellt. Werden Neuronen in einem Nervenbündel immer wieder stimuliert, kann sich die Anzahl der synaptischen Verbindungen in gerade einmal einer Stunde verdoppeln (Kandel, 1998). Zum Vergleich: Ein Haus, das sich wie unser Körper verhalten würde, würde bemerken, welche Lichter wir einschalten, und daraufhin jede Stunde die Menge an Elektrokabeln, die zu diesem Lichtkreis führen, verdoppeln.
Innerhalb von einer Stunde wiederholter Stimulierung verdoppelt sich die Anzahl synaptischer Verbindungen in einer Nervenbahn.
Um die Rohstoffe für die Neuverkabelung der Zimmer herbeizuschaffen, in denen wir die Lichter am häufigsten eingeschaltet haben, würde unser intelligentes Haus Leitungen an anderen Stellen abbauen.
Unser Körper macht genau das Gleiche. Ist ein vorhandener neuronaler Signalpfad drei Wochen lang inaktiv, beginnt der Körper ihn abzubauen, um diese Bausteine für aktive Schaltkreise nutzen zu können (Kandel, 1998).
Mehr Masse in den häufig genutzten Gehirnarealen
Dieser Prozess der sogenannten Neuroplastizität zeigt sich deutlich beim Erlernen neuer mechanischer oder intellektueller Fertigkeiten. Man nehme beispielsweise einen Russisch-Kurs an der Volkshochschule: Schon nach der ersten Stunde hat man ein paar Wörter gelernt. Nach einem Jahr sind die damit zusammenhängenden Nervenbündel so gut ausgebaut, dass man einfache russische Sätze ohne bewusste Anstrengung sprechen kann.
Oder man beschließt, Schach zu spielen – eine geistige Herausforderung, die bis ins hohe Alter einen scharfen Verstand und einen wachen Geist bewahrt. Anfangs ist es schrecklich; man weiß nicht mehr, ob man denn nun den Turm oder den Läufer diagonal zieht. Aber nach ein paar Spielen macht man die Züge ganz zielstrebig und entwickelt sogar eine Langzeitstrategie.
In ein Schachspiel vertiefter Junge
Oder vielleicht möchten Sie Ihr Geld besser verwalten. Sie schauen sich Ihre Altersvorsorge an und sehen, dass Sie dank Ihres sich liebevoll kümmernden Vermögensverwalters sage und schreibe 2 Prozent Zinsen pro Jahr bekommen. Jemand wird damit reich, aber sicherlich nicht Sie. Sie denken, Sie könnten das selbst besser, also belegen Sie einen Onlinekurs zum Thema »Börse und Aktienanlagen«. Zunächst verstehen Sie nur Bahnhof. Was ist denn bitte schön eine »gedeckte Kaufoption«? Und was ist der Unterschied zwischen »Return on Investment (ROI)« und »Return on Equity (ROE)«?
Bei den ersten paar Aktiengeschäften erzielen Sie vielleicht keinen Gewinn. Aber nachdem Sie sich ein paar Monate lang die Kurse angesehen und die Aktiennachrichten gelesen haben, wächst Ihr Gefühl der Sicherheit und Sie werden besser im Spiel ums große Geld.
Egal, ob Sie nun eine neue Sprache erlernen, ein neues Hobby meistern, sich in einer neuen Beziehung oder einem neuen Job zurechtfinden müssen oder mit dem Meditieren beginnen: Immer finden im Gehirn Aufbau- und Abbauarbeiten statt. Sie bauen die neuronalen Schaltkreise, die Sie am meisten nutzen, aus, und alte Schaltkreise verkümmern; das nennt man in der Fachsprache »Pruning« (engl. für »beschneiden, stutzen«).
Schließlich nehmen ganze Gehirnareale, die aktiv genutzt werden, an Masse zu. Anhand von Kernspintomogrammen kann man die Größe aller Teile eines lebenden menschlichen Gehirns messen. Wie man dabei festgestellt hat, haben Menschen, die ihr Gedächtnis aktiv nutzen, beispielsweise Londoner Taxifahrer, die sich im Gewirr aus alten Straßen und Gassen zurechtfinden müssen, mehr Gehirngewebe im Hippocampus, einem Teil des Gehirns, der für Gedächtnis und Lernen zuständig ist. Tänzer wiederum entwickeln mehr Gehirnmasse in dem Bereich, der für die sogenannte Propriozeption, das holografische Verständnis bzw. die Wahrnehmung von Körperbewegung und -lage im Raum, verantwortlich ist.
Patient im Kernspintomografen
Unser Geist trifft ständig Entscheidungen, beispielsweise über die Teilnahme am Russisch-Kurs oder die Mitgliedschaft in einem Schachclub. Was der Geist macht, entscheidet dann darüber, welche Schaltkreise im Gehirn aktiviert werden. Die neuronalen Pfade im Gehirn, die durch die Entscheidung des Geistes stimuliert werden, wachsen und werden ausgebaut. So erzeugt der Geist buchstäblich das Gehirn.
Achtsames Gewahrsein verändert das Gehirn eines skeptischen Fernsehjournalisten
Dr. Graham Phillips ist ein australischer Astrophysiker und Fernsehjournalist. Wohlfühltechniken wie der Meditation begegnete er mit großer Skepsis; deshalb beschloss er, sie auf den Prüfstand zu stellen (Phillips, 2016). Er selbst sagte: »Ich habe mir eigentlich nie wirklich überlegt, ob Meditation für mich gut sein könnte. Aber je mehr ich über entsprechende Forschungsarbeiten höre, desto mehr interessiert es mich, herauszufinden, ob sie etwas bewirken kann.
Also werde ich es zwei Monate lang ausprobieren … Damit ich Meditation ernst nehmen kann, brauche ich handfeste Beweise dafür, dass mein Gehirn sich dadurch positiv verändert.«
Bevor er mit dem Meditieren anfing, unterzog er sich einer Bewertung durch ein Team von Forschern der Monash University unter der Leitung von Dr. Neil Bailey, Professor für Biopsychologie, und dem klinischen Psychologen Dr. Richard Chambers. Er durchlief eine Reihe von Tests zur Auswertung seines Gedächtnisses, seiner Reaktionszeit und seiner Fokussierungsfähigkeit. Außerdem wurde anhand von Kernspintomogrammen die Größe aller Gehirnareale gemessen, insbesondere der Bereiche, die für Gedächtnis und Lernen, die motorische Steuerung und die emotionale Regulierung zuständig sind.
Nach nur zweiwöchiger Praxis der Achtsamkeitsmeditation war Phillips weniger gestresst und konnte die Herausforderungen seines Lebens und seines Berufes besser bewältigen. Wie er berichtete, »nehme ich den Stress wahr, aber lasse mich nicht reinziehen«. Acht Wochen später führten Bailey und Chambers an der Monash University noch einmal die gleichen Tests durch. Das Ergebnis: Phillips konnte Verhaltensaufgaben besser erledigen, obwohl die Gehirnaktivität vermindert war. Wie die Forscher feststellten, wies sein Gehirn eine höhere Energieeffizienz auf. Insgesamt war die Nervenaktivität zurückgegangen; das Gehirn erledigte seine Arbeit besser mit weniger Energie. Auch sein Gedächtnis hatte sich verbessert. Seine Reaktionszeit auf unerwartete Ereignisse hatte sich um fast eine halbe Sekunde verbessert. Phillips stellte sich vor, welche Vorteile das hätte, beispielsweise eine schnellere Reaktion, wenn ihm ein Fußgänger auf einer vielbefahrenen Straße vors Auto liefe.
Die Wissenschaftler vermaßen unter anderem den Hippocampus, insbesondere den Gyrus dentatus, den Teil des Hippocampus, der für die Regulierung von Emotionen in anderen Teilen des Gehirns zuständig ist. Er kontrolliert das sogenannte Ruhezustandsnetzwerk, eine Gruppe von Gehirnregionen, die beim Nichtstun aktiv werden und beim Lösen von Aufgaben deaktiviert werden. Die Masse der Nervenzellen im Gyrus dentatus hatte um 22,8 Prozent zugenommen.
Das ist eine sehr starke Veränderung. Eine solche Neukonfiguration des Gehirns sieht man manchmal bei jungen Menschen, deren Gehirn noch wächst, aber nur selten bei Erwachsenen. Die Veränderungen von Phillips’ Gehirn wiesen auf eine drastisch verbesserte Fähigkeit der emotionalen Regulierung hin. Wie psychologische Tests zeigten, waren auch Phillips’ kognitive Fähigkeiten um mehrere Größenordnungen gestiegen.
Viele Forschungsarbeiten weisen darauf hin, dass Meditation die Gehirnstruktur verändert. Das angesehene Fachblatt »Nature