Название | Liebe, Wissenschaft und die Wiederverzauberung der Welt |
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Автор произведения | Jeremy W. Hayward |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867812443 |
Die Anschuldigungen waren häufig völlig aus der Luft gegriffen. Die als Hexen bezeichneten Frauen waren meist die Heilerinnen ihres Dorfes. Die »guten« Hexen, deren Heiltränke und Kräfte tatsächlich etwas bewirkten, wurden noch entschiedener verdammt als die »bösen« Hexen und Scharlatane. Dabei bedienten die Priester sich häufig derselben magischen Mittel wie die Hexen. Dieser Vernichtungsfeldzug hatte also überhaupt nichts mit Wahrheit, dafür um so mehr mit Macht zu tun. Immer grimmiger trachtete die Kirche jedem nach dem Leben, der direkten Zugang zu göttlichen Energien besaß – den Mystikern, Heilern, Alchimisten. Die Kirche sollte die einzige Verbindung zum Göttlichen bleiben, der alleinige Hort des Heils.
Vielleicht hast Du in der Schule von Giordano Bruno gehört, einem der Heroen der Physikbücher, der aber auch Alchimist war. Er wurde als Ketzer verbrannt, und als Grund dafür wird meist angeführt, er habe gesagt, das Universum sei unendlich. Tatsächlich ist es jedoch wahrscheinlicher anzunehmen, daß er verbrannt wurde, weil er das unendliche Universum von unendlichem Geist erfüllt sah, und den Menschen für fähig hielt, diesen unendlichen Geist unmittelbar zu erfahren.
In den Städten entstand eine neue Mittelschicht, deren Angehörige erkannten, daß man sich durch die Beherrschung der Natur schon in diesem Leben allerlei Annehmlichkeiten verschaffen konnte und dann nicht mehr auf das bessere Leben im Jenseits warten mußte, das die Kirche versprach (während sie zugleich alles daransetzte, die Hölle auf Erden zu verwirklichen). Diese Menschen waren darauf aus, Reichtum anzuhäufen und ihre individuelle Freiheit zu verwirklichen. Dazu, so glaubten sie, war die Beherrschung der Natur erforderlich. Das Heil wurde eine weltliche Sache, und Geld war das Maß des Erfolgs.
»Lassen wir mal die Philosophie weg und sehen wir uns an, wie die Dinge wirklich im Detail funktionieren. Weg mit Emotion und Gefühl und Qualität. Seien wir doch mal realistisch«, sagten die Menschen damals, und viele beten es bis heute nach. Aber was ist mit den unklaren, unlogischen, redundanten, widersprüchlichen, intuitiven, schattenhaften Gefühlen, aus denen unser Leben besteht? Ganz einfach: »Halten wir uns an das, was erkennbar ist – kurzum, laßt uns messen und quantifizieren. Unsere Sprache soll dabei die der Zahlen sein, die Mathematik.«
Seit ihren Anfängen in dieser Zeit ist die Naturwissenschaft den Wirtschaftsinteressen, dem Individualismus und dem Machtstreben ebenso verbunden gewesen wie dem Forschen nach der wahren Geschichte der Natur und des Menschen. Die Sehnsucht nach Sicherheit und Macht war allgemein, und Wissenschaftler erachteten deshalb die Beherrschung der Natur als das höchste Ziel ihrer Arbeit. Klar ausgesprochen wurde das von einem der Begründer der neuen Naturwissenschaft, Francis Bacon. Er sagte auch, die Natur gehöre »auf die Streckbank«, damit man ihr (sie war eine Frau) ihre Geheimnisse durch die Folter abringe. Das war seine Formulierung des neuen Ideals eines experimentellen Vorgehens. Er schrieb zur Zeit der Hexenverfolgungen.
Die Verleumdung und Erniedrigung der Frauen – eine Geschichte für sich und eine ziemlich lange – hat, wie Du hier siehst, eine Menge mit der Beherrschung der Natur und der Trennung von Geist und Körper zu tun. Frauen wurden als Teil der Erde, der Natur, angesehen, während die Seele des Mannes himmlischen Ursprungs war. Deshalb waren Frauen eine Verkörperung des Bösen, eine Versuchung. Frauen waren die frühen Schamanen und Weisen der heidnischen Religionen und der verzauberten Welt; und alles Heidnische war der neuen Naturwissenschaft ebenso ein Dorn im Auge wie der Kirche.
Wenn wir also verstehen wollen, wie der Geist aus dem Universum verschwand, müssen wir die Geringschätzung des Körperlich-Naturhaften betrachten, die schließlich in die vollständige Trennung von Körper und Geist mündete. Aber all das ist reine Erfindung, Vanessa. Ausgedacht von Männern, die ihren eigenen Körper geringschätzten und verdrängten und, dem Brauch der Zeit folgend, in den Frauen nicht eigentlich Menschen sahen, sondern eine den Tieren nahestehende Gattung. Tiere, Frauen und das Ganze der Natur brauchten einen »Herren«, den Mann. Ebenso mußten Intuition und Gefühl vom Verstand beherrscht werden.
Woher kam diese Körperfeindlichkeit? Die Trennung von Körper und Geist begann Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung bei den Griechen. Sie setzt sich fort in der religiös begründeten Geringschätzung des Körpers, die spätestens mit Paulus begann: Verleugne den Körper, denn nur der Geist, die Vernunft, kann den Weg zum Himmel finden. Endgültig besiegelt wurde die Trennung aber durch René Descartes, der in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts lebte und bei dessen Tod Isaac Newton gerade sieben Jahre alt war.
Das einzige, dessen wir absolut sicher sein können, sagte Descartes, ist die Tatsache, daß wir denken und erkennen und vor allem zweifeln. Unseren Sinnen jedoch oder dem, was unser Körper sagt, können wir nicht trauen. Nur durch Messen und Quantifizieren ist diese Welt zu erkennen. Allem, was wir direkt über unsere Sinne wahrnehmen, müssen wir mit Skepsis begegnen. Für Descartes wurde der Zweifel zum obersten methodischen Prinzip.
Mit dieser Methode des Zweifelns stellte Descartes die Weichen für eine neue Art, die Natur zu erforschen, nämlich so, als gäbe es keinen Geist im Universum. Auch er wollte »uns zu den Herren und Besitzern der Natur machen«. Fortan war der Welt vor allem handelnd und nicht mehr betrachtend zu begegnen. Tun war wichtiger als Sein. Der erkennende, denkende Geist, so verkündete er, ist vollkommen getrennt von dem, was wir mit den Sinnen wahrnehmen, von der Welt der Dinge. Die Welt der Dinge ist im Raum ausgebreitet, das Denken jedoch nicht. Daher ist die Welt ein »anderes« – nicht wir. So wurde die Welt ein von uns getrenntes Objekt ohne Geist.
Für Descartes haben nur Menschen (oder in der Großen Kette des Seins noch höher stehende Wesen wie etwa die Engel) die Fähigkeit zu denken, zu fühlen und zu erkennen. Andere Wesen, die Pflanzen und Tiere beispielsweise, denken nicht und besitzen keinerlei Geist. Sie funktionieren vollkommen mechanisch. Ein Tierverhalten, das wir als Aufregung oder Zuneigung oder Schmerz deuten, ist in Wirklichkeit rein mechanisch, und tatsächlich empfindet das Tier gar nichts.
Auch unser eigener Körper funktioniert mechanisch. Der Körper gehört zum »anderen« – wir sind nicht unser Körper. Unser Denken ist sich zwar des Körpers bewußt, hat aber keinen Einfluß auf ihn. All das hat Descartes sich lediglich ausgedacht, aber Du erkennst darin vielleicht schon die Ansätze zum modernen Bild von Körper und Geist. Descartes hatte den Geist gänzlich von der Welt abgelöst und einer anderen Seinssphäre zugewiesen. Gott schwebte da draußen noch irgendwo, hatte aber am Geschehen in der Welt der Phänomene keinen direkten Anteil mehr.
Descartes hinterließ eine mechanische Welt, eine Welt der Körper und dessen, was mit ihnen wahrgenommen wird. Alle Körper sind aus Materie – mechanisch und ohne jedes Bewußtsein und Gefühl. Solch eine Welt konnte auch keinen Sinn oder Zweck haben, und so war es jetzt völlig in Ordnung, sie auszubeuten und um der Sicherheit oder des Profits willen zu unterjochen. Die Welt war durch Macht und technische Mittel zu unterwerfen, so daß wir ihr nicht mehr als passive Zuschauer auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren.
Descartes’ Philosophie gelang es tatsächlich, einen Keil zwischen Bewußtsein und Gefühl einerseits und die stoffliche Welt andererseits zu treiben. Ein weiterer großer Schritt zur Eliminierung der verzauberten Welt aus unserer Erfahrung wurde dann mit der Verdrängung der Erde aus dem Zentrum des menschlichen Universums getan. Sehen wir uns einmal an, wie das vor sich ging.
Das mittelalterliche Weltbild begann im Jahr 1543 brüchig zu werden, als Kopernikus, ein nicht gerade um Aufsehen bemühter Mönch, ein Buch veröffentlichte, in dem erstmals von der Bewegung der Erde um die Sonne die Rede war. Kopernikus war auf diesen Gedanken gekommen, weil es die Berechnung der Planetenpositionen vereinfachte. Es war ihm nicht daran gelegen, gegen die Kirche aufzutreten, und so machte er in seinem Buch auch klar, daß er an eine Bewegung der Erde eigentlich nicht glaube.
Doch dann kam Galilei, ein eher kämpferischer, charismatischer und couragierter Typ. Er hatte von einem kürzlich in Holland entwickelten Instrument gehört, das »Kijker« (»Gucker«) genannt wurde und das entfernte Dinge vergrößern konnte: das Fernrohr. Er baute sich selbst solch ein Fernrohr und betrachtete mit ihm den Mond. Verwundert stellte er fest, daß der Mond voller Krater ist. Dann sah er sich Jupiter an und entdeckte kleine Planeten, die ihn umkreisten, die Monde. Das zeigte, daß die Sphären jenseits des Mondes und der Mond selbst keineswegs so vollkommen sein konnten,