Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums. Horst-Joachim Rahn

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Название Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums
Автор произведения Horst-Joachim Rahn
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960085553



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stellt fest: „Wer das Gefühl der Menschlichkeit und Bescheidenheit nicht hat, ist kein Mensch.“ Auch in unserer Gesellschaft wünschen wir uns mehr Bescheidenheit. Wie soll das gehen? „Zur Größe gelangt man, indem man demütig ist“ (S. Ramakrishna). Dabei gilt: „Größe und Demut schließen einander nicht aus“ (W. Dilthey).

      Wie ist es mit der weiblichen Bescheidenheit? „Das Religiöse steht der weiblichen Bescheidenheit sehr wohl; es gibt der Schönheit ein gewisses edles gesetztes und schmachtendes Aussehen“ (G.E. Lessing). Ein deutsches Sprichwort bringt es auf den Nenner: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.“ Dazu bemerkt F. Fellini: „Bescheidenheit ist eine große Tugend – besonders bei anderen Menschen.“ Marie von Ebner-Eschenbach treffend: „Siege, aber triumphiere nicht!“ Kritiker werfen der Bescheidenheit vor, sie sei nur eine anerzogene Verhaltensweise. Die Freiwilligkeit des Verzichts eines Menschen auf Vorteile wird unterschiedlich beurteilt: „Bescheidenheit ist für den beruflichen Erfolg und für die Selbstverwirklichung des Menschen mitunter hinderlich.“* „Falsche Bescheidenheit ist Anmaßung“ (G.E. Lessing). Und André Gide sagt: „Ich glaube, nichts lehrt einen besser Bescheidenheit, als wenn man einen wertvollen Menschen liebt.“ Und Dieter Nuhr meint dazu: „Demut und Bescheidenheit sind für mich Begriffe, die zu Unrecht vollständig ausgestorben sind.“ Ich stimme ihm zu und finde, dass sie etwas Edles beinhalten. Deshalb plädiere ich für mehr Bescheidenheit und drücke es positiv so aus: „Bescheidenheit ist der Schlüssel zur Zufriedenheit.“*159

      Die Höflichkeit ist zuvorkommendes, freundliches Verhalten im Umgang mit anderen Menschen und äußert sich in der Achtung, Wertschätzung und Respekt. „Die wahre Höflichkeit besteht darin, dass man einander mit Wohlwollen entgegenkommt“ (J.J. Rousseau). Sie ist vor allem durch gesellschaftliche Normen und Umgangsformen geprägt und äußert sich auch in der Zurückhaltung beim Ausspruch möglicherweise heikler Themen. Hier gilt das Motto: „Wahre den Anstand und verletzte niemand.“ (Sprichwort). Höflichkeit ist ein Verhalten, das zum normalen Umgang der Menschen miteinander gehört, z. B. das Anklopfen an der Tür und das Grüßen des anderen. „Höflichkeit hat auch den Zweck, die Vorzüge eines anderen Menschen indirekt in Erscheinung zu bringen“ (A. Schopenhauer). Das Gegenteil von Höflichkeit ist Unhöflichkeit, Grobheit, Rücksichtslosigkeit oder gar Barbarei.

      ► „Höflichkeit wirkt wohltuend, wenn sie aus echtem Gefühl heraus kommt“*: „Es gibt eine Höflichkeit des Herzens, sie ist der Liebe verwandt“ (J.W. von Goethe). Ähnlich: „Die Höflichkeit ist die Schwester der Liebe (F. von Assisi). Und: „Takt ist der Verstand des Herzens“ (C.F. Gutzkow). Es reimt sich: „Höflichkeit und Treue bringt nimmer Reue“ (Sprichwort). Höfliches Verhalten ist mit Wohlwollen verbunden: „Höflichkeit ist Wohlwollen in Kleinigkeiten“ (T.B. Macaulay). Oder intellektuell ausgedrückt: „Höflichkeiten sind das Kleingeld unter den Wohltaten“ (H.J. Quadbeck-Seeger). Auf das ganze Leben bezogen: „Das Leben ist kurz, aber man hat immer Zeit, höflich zu sein“ (R.W. Emerson). Oder auch: „Höflichkeit ist der Versuch, die anderen so zu sehen, wie sie nicht sind“ (V. de Kowa).

      ► „Höflichkeit kann zur Farce werden, wenn sie ins Devote abrutscht.“* Dieses Verhalten kann zu folgender Feststellung führen: „Höflichkeit ist gespielte Unterwürfigkeit“ (F.J. Schaarschuh). Ähnlich: „Höflichkeit ist die angenehmste Form der Heuchelei“ (A.G. Bierce). Aber auch: „Unhöflich sind der Niedrigkeit Genossen“ (J.W. von Goethe). Höflichkeit kann auch aus Berechnung geschehen: „Es gibt Menschen, die einem kleine Höflichkeiten aufdrängen, um nachher große Gegendienste verlangen zu können“ (A. Strindberg). In Frankreich lebt die Höflichkeit mit der Mentalität und mit der Sprache. Etwas direkter ausgedrückt: „Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist“ (J.W. von Goethe). Folgende drei Aussprüche zeigen, wie vielseitig das Thema Höflichkeit ist: „Es ist keine Höflichkeit, einem Lahmen den Stock tragen zu wollen“ (A. Schnitzler). Mit Bezug zur Tierwelt: „Der Fuchs grüßt den Zaun um des Gartens willen“ (Sprichwort). Und der Meister der Aphorismen La Rochefoucauld sagt zum Schluss: „Die Menschen können nur deshalb in Gemeinschaft leben, weil sie Betrüger und Betrogene zugleich sind.“

      ► Wie manche Antithesen zeigen: „Zu viel Höflichkeit ist unhöflich“ (Nachman, Rabbi von Bratzlaw). „Wir sollten falsche Höflichkeit erkennen bzw. abtrennen und die wahre Höflichkeit als Herzenssache verstehen und praktizieren.“* „Die Höflichkeit ist nicht ein Resultat aus der Erziehung, sondern primär das eigene Ergebnis aus Anstand, Weitsicht und Toleranz“ (O. von Allmen). Einleuchtend ist: „Höflichkeit ist eigentlich weiter nichts als ein vorsichtiges Bestreben, gegen niemand Verachtung und Geringschätzung zu zeigen“ (J. Locke). Einer der größten Menschenkenner erkennt das Wesentliche:

      „Höflichkeit ist wie ein Luftkissen: Es mag nichts drin sein, aber sie mildert die Stöße des Lebens“

       (Arthur Schopenhauer)

      „Soll etwas gelingen, so bedarf es bei allem Nachdenken noch eines sicheren Taktes, welcher nur durch frühe Übung und Angewöhnung gewonnen wird“ (J.G. Fichte). Und zum Schluss der geniale Rat von George Washington: „Sei höflich zu allen, aber freundschaftlich nur mit wenigen, und diese wenigen sollen sich bewähren, ehe du ihnen Vertrauen schenkst.“

      Die Menschlichkeit ist als Tugend die humane Gesinnung eines Menschen. Sie äußert sich beispielsweise in der Achtung des Mitmenschen, Toleranz Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Nachbarschaftshilfe, Engagement in sozialen Einrichtungen und im achtsamen Umgang mit der Natur. „Dabei heißt tolerant sein, Widersprüche aushalten können“ (G. Grass). Der Gedanke der Humanität umfasst auch die allgemeine Menschenwürde, wie sie im Grundgesetz verankert ist:

      „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“

       (Art. 1, 1 Grundgesetz)

      Die Menschlichkeit hat auch im Rahmen der Menschenführung als Erfolgsfaktor ihren Stellenwert.160 Grundsätzlich gilt für uns alle: „Behandle Menschen immer so, wie du selbst behandelt werden möchtest“ (nach I. Kant). Der kluge Schöpfer des kategorischen Imperativs lebte in Königsberg und konnte sich im Alter ein Haus, einen Hausdiener und eine Köchin leisten. Kant wird – etwas überzeichnet – als spröder, pünktlicher und professoraler Typ dargestellt. In seiner Studienzeit war er ein guter Katenspieler und verdiente sich sein Studium auch mit Billardspielen. Später litt er an der Alzheimer-Krankheit und war am Ende total orientierungslos.161 Er starb 80jährig in Königsberg. Seine Forderungen nach mehr Menschlichkeit gelten bis heute. Auch der Dalai Lama162 fordert seit Jahren engagiert: „Alles, was wir brauchen, ist mehr Menschlichkeit.“ Das Gegenteil ist die Unmenschlichkeit, die sich z. B. in Rücksichtslosigkeit, Gewalt und unterlassener Hilfeleistung zeigt. Die Menschlichkeit grenzt sich auch von verschiedenen tierischen Eigenheiten und Gegebenheiten ab.

      ► Was bedeutet Menschlichkeit? „Sie ist die höchste Tugend“ (L. de Vauvenargues). Und: Menschlichkeit ist Humanität: „Sie besteht darin, dass niemals ein Mensch einem Zweck geopfert wird“ (A. Schweitzer). Woran ist sie zu messen? „Menschlichkeit misst sich vor allem an Demut“ (K. Feldkamp). Wie entfaltet sie sich? „Das Wesen der Menschlichkeit entfaltet sich nur in der Ruhe. Ohne sie verliert die Liebe alle Kraft ihrer Wahrheit und des Segens“ (J.H. Pestalozzi). Wie kann man sie erhalten? „Man muss sich besiegen lassen und Menschlichkeit haben“ (Moliére). Zum Verhältnis von Vernunft und Menschlichkeit: „Der Mensch soll nicht vernünftiger, er soll menschlicher werden“ (I.G. von Herder). Zur Partnerschaft äußert sich der österreichische Dichter E. Ferstl: „Solange die Menschlichkeit uns miteinander