Chronik von Eden. D.J. Franzen

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Название Chronik von Eden
Автор произведения D.J. Franzen
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783957771285



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mit einer Scheibe, die noch intakt war. Stark war schon auf dem Weg dorthin.

      »Willst du dir Wanderschuhe klauen?«

      »Eine gute Idee, mein Sohn«, rief Stark über die Schulter zurück. »Nennt mir eure Größen, dann sehe ich nach.«

      »Geht es auch etwas leiser?«, fauchte Sandra. »Mit eurem Gegröle lockt ihr noch alle Zombies aus ganz Köln her!«

      Frank senkte seine Stimme.

      »Ja, okay. Trotzdem frage ich mich, was der Herr Pfarrer da in dem Laden will?«

      Sandra sah ihn erstaunt an. In ihrem Blick flackerte so etwas wie eine enttäuschte Erkenntnis auf. Das Gefühl der Nähe, das sich zart zwischen ihnen aufgebaut hatte, zerriss wie ein Spinnfaden.

      »Du gehst nicht oft shoppen, oder?«

      »Was hat das damit zu tun?«

      »In diesem Schuhladen gibt es nicht nur vernünftiges Schuhwerk, es gibt dort auch Rucksäcke. Zwar keine besonders guten, aber immer noch besser als solche aus Kopfkissenbezügen. Willst du alles mit den bloßen Händen tragen, was wir brauchen? Ich dachte, du wärst so ein guter Planer, ein Typ, der zwar erst überlegt bevor er handelt, dann aber auch anpackt?«

      »Ja schon, aber …«

      »Kann es sein, dass dir das alles etwas zu spontan wird? Wir müssen improvisieren!«

      Bevor Frank antworten konnte, hallte das klare Klirren und Scheppern von zerbrochenem Glas über die Straße. Sandra schüttelte den Kopf.

      »Und der Herr Pfarrer ist in seinem Gottvertrauen auch ein wenig unvorsichtig. Welche Schuhgröße hast du?«

      »Hä?«, machte Frank, durch den plötzlichen Themen- und Stimmungsumschwung total aus der Bahn gebracht.

      »Deine Schuhgröße!«

      »Vierundvierzig, eher breit.«

      Sandra lief zum Schuhladen.

      »Halte die Stellung und warne uns, falls wir Besuch bekommen.«

      Frank sah ihr verdattert hinterher. Das ging ihm alles in der Tat ein wenig zu schnell. Mit einem mürrischen Knurren griff er nach seiner Maschinenpistole. Grimmig schaute er die Straße entlang, ob sich dort vielleicht Feindbewegung zeigte. Der Himmel verdunkelte sich langsam. Frank vermutete, dass bald ein Unwetter aufziehen würde. Das bedeutete Dunkelheit. Und das wiederum würde die Zombies schneller machen. Und sicher auch die, die schon jetzt viel zu schnell für normale Untote waren, sofern man überhaupt von normalen Zombies sprechen konnte. Er schluckte trocken und hielt seine Maschinenpistole fester.

      Dann wurde ihm bewusst, dass er keine Munition mehr hatte.

      Mit einem herzhaften »Scheiße!« drehte er sich auf dem Absatz um und lief Sandra hinterher.

      *

      Die schattenhafte Gestalt beobachtete die Gruppe Zombies, die sich um den versammelt hatte, der sich selber Papa nannte. Ihre Schritte waren fest, ja. Aber ihre Orientierung ließ zu wünschen übrig. Sie irrten durch Seitenstraßen, gingen in Hauseingänge, kamen wieder heraus … So würde das nichts werden.

      ER würde eingreifen müssen.

      Die Gestalt, bisher nur ein formloser, vager Schatten, bewegte sich langsam von hinten auf die Gruppe Zombies zu. Mit jedem Meter wurde sie greifbarer und nahm Formen an.

      Teure Schuhe, die im Licht des Tages glänzten. Ein dunkler Anzug aus feinstem Stoff, der bei jedem Schritt leise raschelte. Lange, schlanke Hände mit feingliedrigen Fingern, ein blasses Gesicht, hager und asketisch, eigenwillig frisierte hellblonde Haare, die mit ihrem Scheitel an David Bowie erinnerten. Eisblaue Augen funkelten mit einem zeitlosen Blick in die Welt. Ein dunkles Leuchten ging von der Gestalt aus, eine Kälte, die aus dem unendlich leeren Raum zwischen den Sternen zu kommen schien. Je mehr die Gestalt des Mannes Form annahm, umso dunkler wurde es am Himmel.

      Der dunkle Mann erreichte die Nachzügler der Gruppe.

      Eine hochgewachsene Frau in einem engen Minirock aus beigefarbenem Wildleder und einer taillenbetonten Jacke aus dem gleichen Leder stöckelte unbeholfen auf ihren absurd hohen Pumps als Schlusslicht der Gruppe über die Straße. In ihrer Hand baumelte eine Lederhandtasche.

      Der dunkle Mann verzog sein Gesicht zu einem anerkennenden Grinsen. Louis Vuitton-Täschchen, stramme Waden, griffiger Hintern, auf dessen oberem Ansatz die Ausläufer einer wasserstoffblonden Mähne wippten … Schade, dass sie jetzt wohl keine Lust mehr verspüren würde. Für Geld hätte er sie zu anderen Zeiten bestimmt überreden können, mit ihm ein paar vergnügliche Stunden zu verbringen, und hinterher sogar von ihr eine Entlohnung für seine Mühen angeboten bekommen. Mit einem verächtlichen Schnaufen berührte er sie beiläufig von hinten an der Schulter.

      Die Untote brach auf der Stelle zusammen.

      Besser so.

      Ihr unbeholfenes Stöckeln war einfach nicht mit anzusehen gewesen. Davon abgesehen war Stille eine Waffe, die man nicht so ohne Weiteres hergeben sollte.

      Als der Mann an ihrem auf dem Boden liegenden Körper vorbeiging, sah er aus dem Augenwinkel etwas, das ihn kurz innehalten ließ.

      Er sah genauer hin und bemerkte einen Bartschatten im herben Gesicht der Sexbombe. Unter dem knappen Rock ihres Kostüms erkannte er einen prall gefüllten Stringtanga. Mit einem leisen Auflachen schüttelte er den Kopf.

      »Typisch Köln. Ob wir uns morgens wohl um den Rasierer gestritten hätten?«

      Mit einem breiten Lächeln drängte er sich weiter an die Spitze der Gruppe, hielt sein Ziel fest im Auge. Den Zombie mit dem Hausmeisterkittel und dem affigen Hütchen auf dem Kopf. Die Zombies, die er passierte, fielen zu Boden und wanden sich in stummer Agonie. Drei Schritte hinter dem Hausmeisterzombie, der sich selber Papa nannte, blieb der dunkle Mann stehen.

      Papa drehte sich um.

      Der dunkle Mann breitete die Arme aus, als wolle er einen alten Freund begrüßen. Eine unglaubliche Kälte ging von ihm aus und Papa stolperte ein paar Schritte rückwärts. Dann fiel er zu Boden, wand sich in Krämpfen, versuchte mit unbeholfenen Bewegungen sein Gesicht mit den Unterarmen zu schützen, das dunkle Leuchten des Mannes abzuwehren.

      »Ja«, sinnierte der dunkle Mann. »So ist es recht. Winde dich voller Demut vor mir im Staub, mein Freund.« Der dunkle Mann schloss die Augen, griff mit seinem Geist nach dem kruden Bewusstsein Papas, und nickte versonnen vor sich hin.

      »Du hast recht, mein Freund. Ich bin alt. Ich war schon alt, als das Universum noch jung war. Und ja, wenn du es gerne so siehst, bin ich ein Engel. Ein Engel des Todes. Ihr liebt ja solche Bilder, selbst nachdem ihr eure kümmerliche Existenz ausgehaucht habt. Ich atme ganze Welten ein, um sie anschließend leer und kalt wieder aus meinem Inneren zu entlassen. Ich bin die Nemesis des Lebens.« Er ließ die Arme sinken, und Papa beruhigte sich allmählich wieder. Der dunkle Mann blickte beinahe liebevoll auf den wehrlosen Zombie herunter.

      »Ja. Wenn du es so möchtest, bin ich Gabriel, mein Freund.« Der dunkle Mann streckte Papa seine Hand entgegen.

      »Steh auf. Ich glaube, wir zwei haben sehr viel zu besprechen.«

      *

      Im Keller der Kirche schreckte Jonas aus einem dämmerigen Halbschlaf hoch. Auch die anderen waren wach. Vorsichtig drehte Jonas das Licht der Lampe nur ein klein wenig heller.

      Die Augen der anderen Kinder schwammen in bleichen Seen der Angst. Sie hatten es auch bemerkt. Trotzdem musste Jonas sein Unbehagen einfach in Worte fassen.

      »Habt ihr auch …«

      Peter nickte.

      »Ja. Ich habe IHN auch gespürt.«

      Rosi wimmerte leise und klammerte sich an Peters Arm. Gerhard holte tief Luft. Seine Stimme zitterte.

      »Wir sollten Frank warnen.«

      »Wovor?«

      »Vor