Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Название Der mondhelle Pfad
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783867779579



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der Stirn, schließlich war er gerade im Hindernislauf durchs halbe Lager Zweiter geworden.

      „Wir ha … haben ihn abgehä … hach … abgehängt, Silvanus.“

      „Oh nein!“

      „Doch.“ Loranthus tätschelte Silvanus beruhigend die Schulter und stützte sich bei der Gelegenheit gleich noch ein bisschen ab. „Ich seh ihn nirgendwo! Die Gefahr ist gebannt.“

      „Da täuscht du dich, Loranthus. Sie ist zwar noch weit weg, aber sie hat mich gesehen. Bei allen borstigen Wildsäuen! Sie kommt direkt auf uns zu!“

      Loranthus stutzte und hörte auf zu schnaufen, sowie die Gegend nach dem Fährmann abzusuchen. Neugierig schaute er in die gleiche Richtung wie Silvanus.

      Die junge Frau, die da lächelnd auf sie zukam, hatte er irgendwo schon einmal gesehen. Sie war zwar wirklich noch weit weg, aber ganz eindeutig zu erkennen: Praller Busen, extrem gefärbte rote Haare, diesmal nicht auf einem Pferd, aber dafür unter einem zu klein geratenen weißen Zelt zum Mitnehmen …

      Loranthus musste erst ein paarmal blinzeln, bevor er herausbrachte: „Oh, je, die Wildsau … äh ich meine, Furia! Was ist denn mit der passiert?“

      „Sie trägt einen Sonnenschutz.“

      „Dieses Gestell auf ihren Schultern mit dem weißen Leinstoff darüber? Das habe ich schon mehrfach an adeligen Weibern gesehen. Ich meinte eigentlich ihr Gesicht oder richtiger, was davon noch übrig ist.“

      „Was ist mit ihrem Gesicht?“

      „Na, siehst du das denn nicht?! Das Einzige, was nicht angemalt ist, sind ihren Augäpfel. Hatte wahrscheinlich die Augen zu, als sie in den Farbtopf gefallen ist und danach hat sie festgestellt, dass sie ihren Kupferspiegel zu Hause vergessen hat. Und jetzt sieht sie aus, als wolle sie in die Schlacht ziehen, nur nicht in Blau, sondern in Rot und Grün.“

      „Ach, du meinst die Schminke auf ihren Lippen!“

      „Lippen?!“ Loranthus kniff die Augen zusammen und schob abschätzend die Unterlippe vor. „Ja, ganz eindeutig. Nur dass ihre Lippen vom Kinn bis zum Scheitel gehen.“

      Silvanus prustete los.

      „Loranthus! Dein Augenmaß ist wirklich frappierend! Aber jetzt mal im Ernst: Daran musst du dich bei unseren Weibern gewöhnen, je größer die Feste, desto mehr Schminke.“

      Loranthus legte seinen Kopf schief und knurrte: „Nur bei denen, die was zu verbergen haben.“

      „Na, du tust ja gerade so, als hättest du Ahnung von derlei Weiberkram!“

      Loranthus reckte herausfordernd das Kinn und brummte etwas Unverständliches, während seine Augen einer Horde junger Maiden hinterher schielten, die gerade kichernd an ihnen vorbei liefen. Zwei davon winkten ihnen und Silvanus winkte zurück. Daher konnte sich Loranthus in Ruhe auf die Zunge beißen, er hatte nämlich tatsächlich Ahnung von derlei Weiberkram. Vor nicht allzu langer Zeit war er höchstpersönlich selbst in einen Schminktopf gefallen und hatte beim Anblick von Loranthissima einen Schreck bekommen. Das durfte natürlich keiner wissen. Ablenkung war die Devise.

      „Griechische Weiber schminken sich auch, musst du wissen, Silvanus. Am liebsten kalken sie sich die Haut heller. Je weißer, desto besser! Manche übertreiben es derart, dass sie Pusteln oder gar hässliche Ekzeme davon bekommen und dann brauchen sie noch mehr Kalkpuder, um alles zu überdecken. Was für ein Schwachsinn! Hier habe ich noch kein einziges Weib mit Unreinheiten gesehen.“

      „Wir haben helle Haut, da brauchen wir kein Kalkpuder!“

      „Da könntest du recht haben, Silvanus. Ihr werdet ja schließlich nicht umsonst ‚die Milchigen‘ genannt. Aber vielleicht habt ihr einfach bessere Schminke! Hm. Das wäre einen Handel wert! Sag mal, Silvanus, gibt es bei euch auch Weiber, die sich Extrakte der Tollkirsche in die Augen träufeln, um einen entrückten Blick zu bekommen?“

      „Entrückter Blick? Damit man neben der Spur läuft? Wofür soll das gut sein?!“

      „Na, ich gucke mir diese Furia mal ganz genau an. Wenn die auch übergroße Pupillen hat, weiß ich, dass sie neben der Spur läuft.“

      Silvanus zischte durch die Zähne: „Philosophier nicht solchen Schwachsinn zusammen! Beug lieber dein Haupt, rat ich dir!“

      Loranthus musste zugeben, dass Silvanus sehr deutlich reden konnte, ohne die Lippen zu bewegen. Aber da der wandelnde Schminktiegel schon gefährlich nah war, tat er sofort, wie ihm geheißen und richtete seinen Blick nach unten.

      Beim Zeus, kamen da ein paar rot lackierte Fußzehen auf ihn zu! Aber wenigstens die Sandalen waren so kunstvoll mit Edelsteinen besetzt, dass Loranthus seinen Kopf gerne noch etwas länger gebeugt hielt, es waren schließlich viele Edelsteine.

      „Silvanus! Welch’ seltene Freude! Dein Schoßhündchen heute angebunden!? Wer ist denn dein Begleiter?“

      Mit ‚Schoßhündchen‘ konnte sie nicht Ethmanja meinen, denn die brauchte er nicht anbinden, weil sie aufs Wort hörte. „Das ist Loranthus, unser Gast aus Kreta, edle Königstochter.“

      „So, so. Der griechische Händlersohn. Ich habe von ihm gehört. Er soll bei der Schlacht gegen die Chatten dabei gewesen sein. Mir ist er jedoch nicht aufgefallen.“

      „Er hat nur von Weitem zugesehen. Er war nicht direkt dabei, edle Königstochter.“

      „So, so. Er bevorzugt die sichere Entfernung, der griechische Händlersohn.“ Ansatzlos ging sie ins Griechische über: „Ich bin Furia, Tochter des stattlichen Naharrix und oberster Befehlshaber seiner Krieger. Du kannst jetzt dein Haupt wieder heben, Loranthus. Ich bin noch nicht Königin, dass du mir derart Achtung zollen darfst. Wie gefällt es dir bei meinen Nachbarn, den Nachfahren des Cernunnos?“

      Loranthus hob zwar seinen Kopf, hielt aber die Augen immer noch gesenkt, weil er plötzlich zwei Mal rot sah: rote Fingernägel, die in einem Topf mit roter, brodelnder Wut herum rührten. Letzteres wollte er nicht überschäumen lassen, darauf spekulierte sie ganz offensichtlich.

      Deshalb holte er tief Luft und pustete gegen die roten Schöpfkellen. „Es gefällt mir sehr gut bei den Nachfahren des Gottes Cernunnos, edle Furia. Sie haben mich sehr freundlich aufgenommen. Besser hätte ich es gar nicht treffen können. Das ist mir jetzt absolut bewusst.“

      Die rot lackierten Fingernägel winkten verächtlich ab und rasselten mit drei goldenen Armreifen an jedem Handgelenk, jeder so breit wie ihr goldener Torques.

      Dass sie bei dem Gewicht die Arme überhaupt noch hoch bekam − beachtlich. Obwohl, ihr Hals bog sich irgendwie durch. Da hing nämlich nicht nur ihr Torques dran, sondern extra noch eine höchst kunstvolle Kette aus filigran verschlungenen Kettengliedern, in denen riesige Edelsteine prunkten. Sie passten farblich exakt zu Furias Gesamterscheinung, auch hier waren alle Farben vertreten. Nun, ja. Sollte diese Furie demnächst das Übergewicht bekommen, würde sie, wenn schon nicht weich, dann wenigsten reich, abknicken. So langsam dickte die brodelnde Wutsuppe zu einer sämigen Ironiesoße ein, besonders als er sich vorstellte, wie Furias extrem kunstvolle Hochsteckfrisur aussehen würde, wenn er sie da mit viel Elan kopfüber hinein schubsen würde.

      „Das ist ja sehr interessant. Du hast sicher schwer bei ihnen arbeiten müssen, Händlersohn. Hast du schon einmal einen Backofen mit Lehm verstrichen? Nein? Da hinten ist gerade welcher abgebröckelt, als ein Mann seinen Knüppel daran … anlehnte. Dabei war er doch erst neu, der Backofen. Die Leute dort freuen sich bestimmt, wenn sie einen Helfer bekommen.“

      Nun riss Loranthus aber doch seinen Kopf hoch und stellte verblüfft fest, dass dieses arrogante Weib unter der Schminke recht hübsch war. Sogar ihre Pupillen in den bernsteinfarbenen Augen waren normal groß. Instinktiv drehte er sich aber um und sah wirklich Leute aufgeregt mit den Händen fuchteln. Manche rannten mit Brotlaiben zu anderen Backöfen, andere sammelten Lehmbrocken auf.

      Loranthus blickte Furia direkt in die Augen.

      „Ich habe wahrlich noch nie gesehen, wie Weidengeflecht mit Lehm