Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Название Der mondhelle Pfad
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783867779579



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sie hatten nämlich ein Arzt-Zelt, selbstverständlich auch in Grün. König Gort hatte es Viviane geschenkt und höchst persönlich mit aufgestellt. Es war das größte Zelt im gesamten Lagerabschnitt und hatte exakt zwei Dutzend Stützstreben, Loranthus hatte nachgezählt. König Gort hatte ein größeres, aber nur unwesentlich viel.

      Im Lagerabschnitt der Könige hätte jeder Juwelenhändler seine wahre Freude gehabt. Hier prunkten die Zelte ganz und gar noch mit eingelassenen Edelsteinen im Schnitzwerk der Stützstreben und wehenden Standarten in Gold und Silber am Eingang.

      Der gesamte Bereich schillerte schon von Weitem in der Sonne und Loranthus brummte zufrieden, als er das grüne Zelt von König Gort und den Hirsch auf der Standarte silbern schimmern sah. Gegen die anderen wirkte es eher schlicht, doch für das Auge war es eine Wohltat. Und so blieben auch hier viele Leute stehen und hefteten ihre Blicke darauf. Je länger man hinsah, desto besser erkannte man ein filigranes Muster aus Silberfäden in der Zeltleinwand, die ein Rudel Hirsche und Jagdszenen darstellten. Wer im Hirschclan konnte so kunstvoll weben? Loranthus seufzte tief, drehte sich hierhin und dorthin und überlegte.

      Es war eine Frage des Prestige, eindeutig. Alle Königreiche kamen zu Lugnasad zusammen und zeigten sich von ihrer besten Seite. Wenn sie vor jedem Clan ein Schild aufgestellt hätten ‚Wir sind wohlhabend, einflussreich und imponierend‘, hätte es nie im Leben denselben Effekt gehabt. Die wehenden Standarten vor den Zelten vermittelten auch noch den Eindruck eines skurrilen Tierasyls. Die normalen Bilder von Löwe, Hirsch, Bär, Falke, Gans, Hase, Hahn, Huhn, Hund, Luchs, Pferd, Stier, Taube, Widder und Zaunkönig flatterten zusammen mit den abnormalen Varianten als wäre dies hier der Treffpunkt, um sich zu kreuzen und noch ein paar weitere fantastische Gattungen hervor zu bringen, Hauptsache alles strahlte und funkelte in den sattesten Farben; je glamouröser, desto besser.

      Diese Hermunduren protzten doch wirklich mit allem, was sie hatten.

      Natürlich hatte sich auch jeder mit Schmuck behängt.

      Fibeln, Broschen, Ketten, Armreifen, Handreifen, Fußreifen, Fingerringe oder Ohrringe in Kupfer, Bronze, Messing, Silber, Gold, Holz, Horn oder Glas mit Perlmutt, Bernstein, Koralle, Emaille oder Edelsteinen im Farbspektrum von Kristall bis Onyx … Man musste richtig blinzeln, um überhaupt noch ihre verschiedenen Torques zu erkennen, so sehr gleißte es in der Sonne.

      Eine Frau schleppte sogar einen kleinen Hund mit einem breiten Halsband aus aufwendig verflochtenen Kupfersträngen mit sich herum. Vor lauter Windungen, Schlingen und Knoten war der Hund kaum noch zu erkennen, da musste man schon genauer hinsehen, was Loranthus auch tat, weil sie genau auf ihn zukam.

      Ihr Blick war der eines Milans, der einen frei laufenden Hahn gesichtet hatte. Loranthus konzentrierte sich auf ihren Hals, um die Gefahr besser einzuschätzen und gab seinem eingezogenen Kopf gleich Entwarnung.

      Sie hatte einen besonders dicken Torques, aber nur aus drei gedrehten Kupfersträngen. Ihre Augen huschten mehrmals an ihm hoch und runter, bis sie sicher gehen konnte, dass er weder Schmuck noch Torques vorzuweisen hatte. Da stolzierte sie an ihm vorbei, als hätte sie einen Stock verschluckt und kraulte den Hund oder das Halsband, was ja dasselbe war.

      Ethmanja gähnte ihr gelangweilt hinterher, doch Loranthus war über ihr Gehabe eher belustigt. Er nickte sogar anerkennend, schließlich war sie die erste, die einen Stelzgang perfekt imitieren konnte und das wohlgemerkt ganz ohne Hilfsmittel. Daher kam er lautstark zu der Erkenntnis, dass sie in einem früheren Leben ein Storch gewesen sein musste. In diesem Leben war sie jedenfalls das Weib eines Händlers, erfuhr er von Silvanus in der gleichen Lautstärke.

      Prompt sah er ihr lange nach und rümpfte die Nase.

      Ihre aufgetürmten roten Haare sollten wohl römisch oder griechisch wirken und waren garantiert gefärbt, wahrscheinlich mit derselben Farbe wie ihr Mund und ihre Wangen. Ihr dunkelrosa Kleid war auch nichts Besonderes. Da gab es viel schönere in leuchtenden Farben, mit komplizierten Brettchenwebkanten am Saum und mit Blumen bestickt … Sogar er trug ein kurzärmeliges Hemd, bestickt mit Misteln. Flora hatte es ihm genäht. Zum einen schmeichelte es seiner schlanken Figur, zum anderen passte es so schön zu seinem Namen. Der bedeutete ja schließlich auch Mistel.

      Sichtlich mit sich selbst zufrieden, schlenderte Loranthus an den Backöfen vorbei, erschrak und duckte sich hinter Silvanus.

      Da kam dieser furchteinflößende König Donar mit noch einem König, den er nicht kannte, genau auf sie zu.

      König Donar war wieder an jeder freien Stelle mit Schmuck behängt, die goldenen Bartperlen schaukelten bei jedem Schritt und machten aus seinem Wuschelbart einen roten Sternenhimmel. Vielleicht bildete sich Loranthus das nur ein, aber eine der Bartperlen war gar nicht golden, sondern aus roter Koralle und die goldenen Perlen drum herum bildeten das Sternbild des Skorpion. Leider oder zum Glück tat ihm König Donar nicht den Gefallen und blieb stehen.

      Der König, der ihn begleitete, trug seinen braunen Bart zu zwei langen Zöpfen geflochten, was keine Sterndeuterei zuließ, aber dafür hübsch ordentlich aussah. Am Ende eines jeden Zipfels hing eine lange Perle aus Horn mit eingelassenen Kristallen, wie Regentropfen, die an einem verharzten Baumstamm funkelten.

      Als Loranthus seinen Blick davon losgerissen hatte, bemerkte er daneben noch einen jungen Mann mit welligen, rotbraunen Haaren bis hinab zu den Hüften. Diese Mähne, sein Gesicht und besonders die Augenpartie erinnerte ihn irgendwie an Viviane. Er hatte sogar die gleiche Gestalt und den gleichen geschmeidigen Gang wie sie.

      Loranthus konnte sich nie so recht entscheiden, ob Viviane nun eher wie ein Reh oder wie eine Löwin ging, denn anmutig und effizient passte ja bei beiden, tödlich nur zu letzterem. Bei diesem jungen Mann war es ebenso, mit leichter Tendenz zum Löwen wegen des Bartwuchses.

      Wie die Könige trug auch er einen goldenen Torques, aber ansonsten nur Schmuck aus Holz, der jedoch derart filigran gefertigt war, dass Loranthus fasziniert die Augen aufriss. Auf den breiten Armreifen konnte er Jagdszenen erkennen und seine einzige Bartperle hatte die Form eines Baumes, wobei winzige Smaragde die Blätter darstellten. Es war eindeutig eine Buche.

      Plötzlich huschte Loranthus die Erkenntnis wie ein heller Blitz durch den Kopf: Der andere König war Eburix und der junge Mann musste sein Sohn sein.

      Bei allen dreien blitzten die Schwertscheiden, als würden sie den ganzen Tag nichts anderes tun, als sie zu polieren. Jeder hatten je zwei Hörner in den Gürtelschlaufen stecken und Loranthus fragte sich gerade, warum nicht eines zum Trinken reichte, da sah er noch eine Doppelaxt bei jedem an der Seite.

      Doppelt und dreifach, das war zu viel.

      Im Affekt packte er Silvanus und wollte ihn weg zerren, doch der zog zurück, so dass er eine unfreiwillige Verbeugung machte. Auch Silvanus verneigte sich tief, aber gewollt, und schon waren die drei an ihnen vorbei. Sie riefen sogar ein dreistimmiges „Seid gegrüßt, Silvanus und Loranthus!“, womit Loranthus absolut nicht gerechnet hätte.

      Er war darüber so verdutzt, dass Silvanus ihnen alleine hinterher rief: „Auch wir grüßen euch, Donarrix, Eburix und Hermann.“

      Loranthus lugte ihnen hinterher und hätte schwören können, dass auf den Äxten die Todesgöttin in Dreiergestalt eingraviert war. Jede hatte einen Raben auf der Schulter sitzen und hob ein Signalhorn an den Mund.

      „Nichts wie weg hier“, murmelte er, als die drei außer Hörweite waren und wollte sich über den Weg in Sicherheit bringen. Doch er musste warten und sich schon wieder verneigen, denn jetzt kreuzte Aodhrix seine Bahn.

      Auch dieser König hatte seinen dunkelbraunen Bart zu zwei langen Zöpfen geflochten und die Zipfel mit zwei riesigen Diamanten verziert. Loranthus musste richtig die Augen zusammen kneifen, so sehr funkelten sie im Takt seiner schnellen Schritte. Dazu bildeten Bart und Perlen noch einen interessanten Kontrast zu den seltsamerweise kupferroten Haaren, die ihm offen vom Scheitel bis zu den Hüften reichten und beim Gehen anmutig nach hinten wehten.

      ‚Charismatisch‘ war das einzige Wort, das Loranthus zur Erscheinung von Aodhrix wirklich passend erschien, inklusive ‚intelligent‘ und ‚durchsetzungsstark‘, was seine Augenbrauen und die Augen verrieten, die genauso dunkel wie der