Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Название Der mondhelle Pfad
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783867779579



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Sie hat sich bei mir bedankt, weil ich ihrem Vater das Bein so schön geflickt habe. Wenn sie groß ist, will sie auch einmal Ärztin werden.“

      „Ja, das ist eine höchst lohnende Kunst. Aber weiß du, was uns noch aufgefallen ist?“

      Viviane zuckte die Schultern.

      „Das ich die Geschenke nicht alle trage und dir die Kätzchen gegeben habe?“

      „Denen geht es bei mir besser, als in dem Gedränge da unten. Nein, Hanibu hat mich darauf aufmerksam gemacht: Du bedankst dich bei jedem, als hätte er dir ein königliches Geschenk gemacht und wenn es nur ein Korb voll Eier ist.“

      „Ein sehr kunstvoll geflochtener Weidenkorb, wie du bestimmt sehen konntest, Lew. Aber du hast Recht. Ein Geschenk, das von Herzen kommt, ist immer ein wertvolles Geschenk. Es verdient den gebührenden Dank, egal was es ist. Und jetzt bekommt Silvanus ein Geschenk von mir. Ich will ihn mal von Furia erlösen. Er lugt schon ganz verstohlen in unsere Richtung.“

      Lew lachte übermütig.

      „Walte deines Amtes, hohe Druidin, Viviane! Lass rangniedere Königstöchter ängstlich die Flucht ergreifen und machtlose Freunde erleichtert aufstöhnen!“

      Viviane blieb stehen, drehte sich noch einmal um und wackelte schelmisch mit dem Finger.

      „Apropos aufstöhnen: Die ganze Nacht hat ein Ochse gestöhnt und ein Käuzchen geschrien, als wäre es ihre letzte Nacht auf Erden. Habt ihr das hier oben auch gehört oder ging der Wind in die andere Richtung?“

      Großmutter Dana klopfte sich auf die Schenkel und stand auf.

      „Genau das hab ich auch gehört, obwohl unsere Zelte viel weiter die Werra runter stehen. Ich hab ja einen leichten Schlaf … bin gespannt, ob das Viehzeug heute Nacht wieder so einen Lärm macht oder ob es wartet, bis ich in Tiefschlaf gefallen bin. Und Hanibu …“

      Großmutter Dana wandte sich an die grinsende Hanibu. „ … denk morgen früh an den Korb unten am Fuß des Hügels! Ich packe euch einen ordentlichen Vorrat ein. Milch, Eier und was man noch so alles gebrauchen kann. Nicht, dass ihr hier oben verhungert. Morgen kommen die Händler. Da haben wir erst abends Zeit. Händler! Ha! Das hätte ich doch beinahe vergessen!“

      Dana sprang auf und griff nach ihrer Räucherpfanne.

      „Ich muss euch ja noch ordentlich ausräuchern! Mich natürlich auch! Aber keine Sorge, ich habe lauter wohlriechende Kräuter dabei! Es muss ja nur ordentlich qualmen und nicht stinken. Kommt sowieso keiner in die Nähe, um nachzuprüfen.“

      „Woher weißt du das so genau, Großmutter Dana?“, wollte Viviane wissen, bevor sie sich endgültig auf den Weg machte.

      „Ach, ich habe natürlich auch die Probe aufs Exempel gemacht. Sogar ganz ohne Nebenwirkungen.“

      „Sil-va-nus“, hauchte Furia mit schmachtendem Blick. „Jetzt habe ich dich aber lange genug aufgehalten. Das Fußvolk wartet sicher schon auf dich. Du solltest dich sputen! Auch ich habe leider keine Zeit mehr, mit dir zu plaudern … Du kannst gehen.“

      „Es war mir eine Ehre“, rief Silvanus und wusste sofort, dass Viviane im Anmarsch war. Er verbeugte sich besonders tief und schwungvoll, sodass er einen kurzen Blick auf sie erhaschen konnte, wie sie den Hügel herunterkam. Endlich. Eilig trottete er davon und drehte sich nicht noch einmal um.

      Schade. So verpasste er das Schauspiel, wie eine Schlange ein Wildschwein frisst.

      Das Wildschwein durfte nicht flüchten, sondern hatte zu grüßen. Also neigte Furia ihren Kopf, natürlich nicht zu tief, schließlich waren viele Leute in der Nähe und reger Verkehr auf der Straße. Es schien sogar, als würde das Gedränge gerade jetzt noch viel dichter werden.

      „Ich grüße dich, Druidin Viviane. Willst du auch zum See, wo sich das gemeine Volk trifft und sich mit nebensächlichem Geschwätz den Tag verschönert?“

      „Ja, Furia, das hatte ich vor. Ich unterhalte mich gerne mit dem gemeinen Volk, aus dem ich stamme. Apropos verschönert: Du hast dich heute selbst übertroffen. So viele Farben auf so wenig Untergrund …“

      Furia strich über die Silberfäden auf ihrem Leinkleid.

      „Ja, da muss ich dir recht geben, allerliebste Freundin Viviane. Ist es nicht ein herrliches Gewebe?! So kräftige Farben in Rosa, Violett und Lindgrün. Und es betont meine … schlanke Figur derart vorteilhaft …“

      Auffällig schielte sie zu Vivianes Körpermitte und presste sich selbst die Hände aufs Kleid, damit ihre eigene, recht üppige, Figur zum Vorschein kam. Viviane tat ihr den Gefallen und verdrehte die Augen. Furia tat ihr den Gefallen und verstand den Wink falsch.

      Sie tätschelte ihren flachen Bauch, packte ihren prallen Busen, rüttelte daran und überprüfte mit einem äußerst kritischen Blick die Spannkraft ihrer Brüste. Höchst zufrieden drehte sie sich hin und her, ließ ihre Finger langsam an den Seiten herabgleiten …

      Ein junger Mann, der gerade vorbei ging, verneigte sich artig und rannte gegen einen Apfelbaum.

      Furia begutachtete seine groteske Umarmung mit dem Stamm, leckte sich die Lippen und überprüfte den Sitz ihres Torques. Schon wollte sie loslaufen, da viel ihr Viviane wieder ein und die Beute entwischte. Sofort zog sie einen Schmollmund.

      „Viviane, du bist so unscheinbar gekleidet, beinahe hätte ich dich vergessen! Ich gebe dir den guten Rat: Richte dich mehr nach der Mode und lauf nicht herum wie eine arme Maid an einem warmen Sommertag.“

      Mit gerümpfter Nase zeigte sie demonstrativ auf Vivianes hellgrünes Kleid und ihre bloßen Füße.

      „Hast du das Kleid aus eurer Zeltleinwand geschnitten? Es ist natürlich schade, dass du deine … ach so wichtigen Dienste nicht gegen Lohn verrichten kannst. Wie willst du dir jemals ein hübsches Kleid leisten, das deinem Stand und deiner … Figur … Genüge tut.“

      Voller Mitgefühl schaute sie auf Vivianes Körpermitte.

      „Nun ja, die Übergröße ist recht praktisch, noch kann man nichts erkennen … aber vielleicht könntest du dir doch irgendwie hochwertiges Leingewebe zulegen. Bei deinem Stand müssen die Farben kräftig sein, damit dich jeder sieht und …“

      „Schwester, liebste Schwester!“, rief eine piepsende Kinderstimme von Weitem und Furia drehte sich sofort um. Obwohl sie ihren weißen Sonnenschutz trug, beschirmte sie hastig die Augen und sprang auf die Zehenspitzen, auch wenn sie dadurch die vordersten Edelsteine ihrer Sandalen in den Dreck rammte. Das schien sogar von großem Vorteil, sie wackelte kein bisschen beim Balancieren und konnte den winzigen Rufer zwischen den vielen großen Leuten schnell finden.

      Es war Adalrich. Er stand zwischen den Backöfen, hopste auf der Stelle und winkte mit beiden Armen, damit sie ihn besser sehen konnte. Seine blauen Augen strahlten wie der Himmel über ihm.

      Und plötzlich sah Furia gar nicht mehr aus wie eine überhebliche Königstochter. Sie lachte ganz offen und winkte ihrem kleinen Bruder genauso ausholend zurück. Adalrich jauchzte, bedeutete ihr, dass er später vorbei kommen wolle und rannte schnell hinter seinen Mitschülern her, um nicht den Anschluss an Aodhrix zu verpassen.

      Je weiter sich Adalrich entfernte, desto mehr kehrte Furias abweisende Miene zurück und versteinerte in dem Augenblick, als er außer Sicht war. Wie zum Stoß zuckte ihr Kinn gegen Viviane.

      „Und wieso trägst du deine Waffen nicht!? Dein Stand gebietet dir, die Zugehörigkeit zur Bruderschaft des Drachenschwertes zu präsentieren. Schließlich gibt es von deinesgleichen so wenige. Ach!“ Furia winkte verächtlich ab. „Wenige ist wohl stark übertrieben. Elitekrieger. Ihr seid ja nur zu zweit und müsstet schon den ganzen Tag von früh bis spät durchs Lager laufen, damit man eurer überhaupt gewahr würde. Vielleicht bekomme ich dann die Gelegenheit, um endlich mal dein Schwert …“ Sie rümpfte wieder die Nase. „ … in Ruhe zu begutachten.“

      Viviane lächelte.

      „Deine Zunge ist so scharf wie mein Schwert im Urzustand. Sei