Phrase unser. Jan Feddersen

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Название Phrase unser
Автор произведения Jan Feddersen
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783532600542



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wenn man den „Kirchensprech“ bedient, als wenn man ihn zu vermeiden trachtet.

      Die kirchliche Sprache ist eine Sprache, die viele Floskeln enthält. Es wird erzählt, was vermeintlich theologisch richtig ist. Dies ist eine Methode, um sich mit seinen eigenen Ansichten ganz gut verstecken zu können, denn dann muss man nicht sagen, was man selbst von einer Sache denkt. Oft werden dabei Formulierungen genutzt, wie man sie in klassischen dogmatischen Lehrbüchern findet, auch wenn man sie selbst überhaupt nicht mehr versteht, vielleicht nur kurz im Studium einmal verstanden hat.

      Die ehemalige Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags und Co-Leiterin der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, Ellen Ueberschär, spricht hier von „dogmatischen Richtigkeiten“, die gefahrlos genutzt werden können, denn sie entsprechen dem, was von einer Pfarrerin, einem Pfarrer erwartet wird. Aber es gibt dabei ein Problem: „In Andachten zum Beispiel erschließen sich die Texte so nicht, sondern man bleibt an der Oberfläche, die nur noch gut klingt“, sagt Ellen Ueberschär. Dazu gehören feste Redewendungen wie etwa: „Gott erhöre uns und schenke uns Frieden!“ Es ist fraglich, wem solche Redewendungen noch etwas sagen – auch wenn sie gemäß der christlichen Theologie nicht falsch sind.

      Hinzu kommt, dass man die kirchliche Sprache als eine besondere Form eines Soziolekts begreifen kann, der sich aus gleichen Normen und Werten ergibt. Das ist auch nichts Erstaunliches. Viele Gruppen oder Milieus haben ihre eigene Sprache. Es gibt Soziolekte in der Wissenschaft, der Wirtschaft, im Sport, in der Kultur, ja selbst Junkies haben ihre eigene Sprache. Daran ist auch wenig verkehrt. Solche Soziolekte sind oft sinnvoll. Dadurch erkennen die Mitglieder einer Gruppe, wen sie vor sich haben – also Gleichgesinnte oder Fremde.

      Eine gemeinsame Sprache, ein Soziolekt, verbindet, das ist ihr Vorteil. Ihr Nachteil ist, dass sie aber auch abgrenzt. Soziolekte schaffen Zugehörigkeit, sie stabilisieren die Identität der Sprechenden und den Zusammenhalt der Gruppe. Auch bei der Kirche ist das der Fall, mit vielleicht einer Besonderheit. Der Essener Kommunikationsforscher Jo Reichertz sagt: „Die Ziele Nähe, Aufrichtigkeit, Mitfühlen – das wären die zentralen symbolischen Verdichtungen der kirchlichen Sprache, um die sich alles dreht, um die es geht.“

      Insofern ist es wahrscheinlich passender, den kirchlichen Duktus schlicht als eine Teilsprache des Deutschen zu bezeichnen. Es ist ein Soziolekt einer immer noch ziemlich großen Gruppe, die zumindest gelegentlich mit dieser Teilsprache zu tun hat – immerhin gibt es derzeit in Deutschland noch über 40 Millionen Christinnen und Christen, das ist etwa die Hälfte der Bevölkerung. Die kirchliche Sprache könnte man genauer wohl auch als ein Soziolekt sozialer Subsysteme in Sinne von Niklas Luhmann bezeichnen – aber das hilft ebenfalls nicht sehr viel weiter. Wichtiger ist, dass viele Worte der kirchlichen Sprache erst kirchenspezifisch werden durch die Verwendungskontexte, die Sprechhaltungen oder gar die Intonation, in denen sie genutzt werden. Otto Waalkes mit seinem „Vier fahren nach Lodz“ lässt da grüßen.

      Der kirchlichen Sprache ist eigen, dass sie Aggressionen zu bremsen oder zu vertuschen trachtet und in einer passiv-aggressiven Form gleichwohl beim Gegenüber ein schlechtes Gewissen zu schaffen vermag. Es ist eine Sprache, die oft überhäuft ist mit Adjektiven, was in der Regel Zeichen eines schlechten Stils ist, – und die zugleich zu vielen Wertungen neigt. Insofern hat sie auch etwas Lehrer- oder Gouvernantenhaftes. Böse gesagt, neigt die kirchliche Sprache schon in ihrem Duktus zur Besserwisserei, was sie noch schwerer verdaulich macht.

      Auch das Glossar in diesem Buch deutet an, dass häufig erst der Zusammenhang der Wörter und der Tonfall der Sprache die kirchliche Sprache ausmachen. Paul Nolte nennt ein Beispiel: „Ein Wort wie ‚eckig‘ passt manchmal rein, gerade weil die kirchliche Sprache nicht besonders eckig ist.“ Die Redewendung „aus Betroffenen Beteiligte machen“ klingt dagegen sowohl nach kirchlicher Sprache als auch nach dem Wörterbuch des Managements 2.0. Es kommt eben meistens auf die ganzen Wendungen an. Dabei ist auffällig, dass die kirchliche Sprache zu Aufblähungen neigt. So reicht es nicht, das Wort „berühren“ zu nutzen, es wird auch gern zu „Lass uns die Berührung suchen“ aufgebläht – gerade die alte „Sprache Kanaans“ neigt zu solchen Blähungen, die nicht mehr Inhalt, dafür umso mehr ungewollte Komik transportieren.

      Wenn es stimmt, dass die Ziele der kirchlichen Sprache vor allem Nähe, Aufrichtigkeit und Mitfühlen sind, dann ist das schön – es hat aber auch einen Preis für diese Sprache. Einer ist, dass der kirchlichen Sprache und dem kirchlichen Duktus eine klare Widerrede, gar widersprechende Wörter kaum zur Verfügung stehen, sie sich damit zumindest schwer tut: Die kirchliche Sprache erlaubt kaum adversative Aussagen, die etwa sagen, man sei ein Idiot, die von ihm geäußerte Ansicht sei Schwachsinn – und überhaupt habe man von dem/der Sprechenden wenig Sinnvolles bisher gehört. Interessant ist, dass die kirchliche Sprache dabei oft zu Ich-Aussagen neigt, die eigentlich ein Ausweis von Emotionalität sein sollen, denn in dieser Form werden in der Regel Befindlichkeiten ausgedrückt. Aber das muss im kirchlichen Miteinander und deshalb auch in der Sprache in aller Regel hinter Adjektiven möglichst weit zurück gedrängt werden, so dass man diese Emotionen kaum mehr richtig wahrnimmt.

      Es kommt bei der kirchlichen Sprache eben sehr darauf an, wie man etwas meint und wie man es versteht. „Wenn man dauernd darin kommuniziert, dann weiß man schon, wann eine rote Linie überschritten ist, wann da ein hochroter Kopf ist, der sich dahinter verbirgt“, sagt Reiner Anselm. Und mit etwas Selbstironie ergänzt der evangelische Professor: „Das erfordert ein hohes Maß an Selbstkontrolle – und das ist wieder etwas sehr Protestantisches.“ Diese Selbstkontrolle, das Hinter-das-Gesagte-Schauen, die vergifteten Ich-Botschaften – all das haben viele Theologinnen und Theologen, Pfarrerinnen und Pfarrer schon seit ihren Kinder- und Jugendtagen gelernt und verstanden. Es ist ein Lesen zwischen den Zeilen, und natürlich ist es auch eine Adaptionsleistung. Oder wie es Anselm in einem schönen Bonmot sagt: „Wenn jemand eine Ich-Botschaft los wird, weiß man schon, jetzt wird es kritisch.“

       KAPITEL 3

      Die Sprache Kanaans?

      Die Reflexion des Christentums über seine eigene Sprache ist uralt. Schon die frühen Christen haben sich gefragt, ob dieses und jenes griechische Wort nun passend ist, wenn sie ihren Glauben zu beschreiben suchten. Selbst große Philosophen wie Immanuel Kant haben sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie eine religiöse Sprache angesichts der neuen Entwicklungen in der Philosophie aussehen könnte. Sprachkritik in der Kirche ist also nichts Neues – und sicherlich wäre es falsch zu behaupten, früher habe die kirchliche Sprache immer gepasst, heute funktioniere sie dagegen überhaupt nicht mehr.

      Jemand, der das beurteilen kann, ist der Liturgiewissenschaftler und Homiletiker („Homiletik“ = Predigtlehre) Alexander Deeg von der Universität Leipzig. Er erklärt, er sei zunehmend skeptisch bei jeder dichotomen Gegenüberstellung, wonach die kirchliche Rede gegenwärtig problematisch sei – und deshalb grundlegend verändert werden müsse. „Es gab immer wieder ganz wunderbare, berührende, ernste und direkte kirchliche Rede – und schon immer das, was man kennt: eine kirchliche Floskelhaftigkeit, eine Langeweile oder das Verstecken des Redenden hinter der Übermacht der Konvention.“

      Die Kritik an der kirchlichen Sprache kommt über die Jahrzehnte immer wieder hoch, sie ist permanent in der Kirche, manche nennen sie sogar zyklisch. Die kirchliche Sprache steht dabei in jedem Zeitalter in der Gefahr, in erprobten Redeweisen zu verharren, in Gewohnheiten zu ersticken, weil man sich hinter Konventionalitäten und Begrifflichkeiten gut verstecken kann. Schon der Theologe Friedrich Niebergall schrieb 1909 in seinem Buch „Wie predigen wir dem modernen Menschen?“ ein Kapitel mit dem bezeichnenden Titel „Der Kirchenschlaf“. Darin warnt er davor, die Predigt dürfe keine reine Geräuschkulisse sein, kein inhaltsleeres semantisches Rauschen – und Niebergall findet für dieses Scheitern des Predigers einen schönen Ausdruck: „Es predigt.“

      Für dieses fromme Gerede ohne Inhalt beziehungsweise eine in sich abgeschlossene kirchliche Sprache gerade in der Predigt wird heute häufig abschätzig der Ausdruck „Die Sprache Kanaans“ genutzt. Das ist etwas boshaft, denn ursprünglich war der Ausdruck „Sprache Kanaans“ gar nicht so negativ gemeint. Er ist wahrscheinlich dem Buch Jesaja im Alten Testament entlehnt, wo es im 19. Kapitel (Vers 18) heißt: „Zu der Zeit werden