Название | Phrase unser |
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Автор произведения | Jan Feddersen |
Жанр | Религия: прочее |
Серия | |
Издательство | Религия: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783532600542 |
Die Grundthese dieses Buches ist es, dass die kirchliche Sprache von heute zwar einen weiten Vorlauf bis in die Reformationssprache hat – die daraus in den folgenden Jahrhunderten entstandene „Sprache Kanaans“ aber heute nicht mehr von großer Prägekraft ist. Wichtiger für die heutige kirchliche Sprache ist das für Deutschland so prägende protestantische Pfarrhaus, die Kirchentage der vergangenen Jahrzehnte und die soziologische und vor allem sozialpädagogische Sprache der Siebziger- und Achtzigerjahre, womöglich in Reaktion auf die Sprache der Nationalsozialisten, von der man sich absetzen wollte. Es sind konfessionelle Unterschiede aufzuzeigen, die es auch bei der kirchlichen Sprache gibt. Die kirchliche Sprache verschweigt viel, sie kennt Sprachlosigkeiten – und sie vertuscht Macht, Hierarchien und auch Gewalt. Sie ist in weiten Teilen eine Sprache der Vorsicht, ja der Angst, sie meidet Klarheit und verdeckt Verantwortung. Sie simuliert eine Nähe, ja manchmal gar eine Sinnlichkeit, die sie in Wahrheit gar nicht besitzt. Die kirchliche Sprache ist gefärbt von einem ganz bestimmten Milieu, dem Bürgertum, was ihre Schwäche, aber auch zum Teil ihre Stärke ist. Sie wird von der bürgerlichen Gesellschaft geprägt, wirkt aber auch auf sie zurück. Die Sprache, die wir untersuchen, hat Vorteile, weshalb sie sich etablieren konnte und sich so hartnäckig hält. Sie hat aber auch Nachteile, die größer sind, ja womöglich einen Teil der Krise der Volkskirchen ausmachen. Zum Schluss fragen wir: Nutzen die Kirchen vielleicht diese weiche, unklare Sprache, weil es ihr selbst an Klarheit, Kraft oder gar festem Glauben fehlt? Sollte man diese Sprache überwinden? Und wie könnte das geschehen?
Die folgenden Kapitel sollen diese Thesen erläutern und belegen. Voran gestellt sei ein hartes Wort des Schweizer evangelischen Theologen Rudolf Bohren (1920–2010), der unter anderem beim evangelischen Jahrhunderttheologen Karl Barth studiert hatte und ab 1974 viele Jahre an der Universität Heidelberg eine Predigtforschungsstelle aufbaute. In einem Referat vor evangelischen Kirchenmusikern hat Bohren schon 1978 überspitzt gesagt: „In einer Zeit, da die Kirche unglaubwürdig erscheint, kann nicht genau genug auf die Worte geachtet werden; denn die Kirche erscheint nicht deshalb als unglaubwürdig, weil sie es zu genau nimmt mit dem Wort, sondern weil sie zu viel lügt.“
KAPITEL 2
Kennzeichen der kirchlichen Sprache
Wenn der Berliner Historiker Paul Nolte, Sohn eines Pfarrers, ehrenamtlicher Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin und Mitglied der EKD-Synode, die kirchliche Sprache beschreiben soll, dann fällt ihm schon nach wenigen Minuten Otto Waalkes ein. Der ostfriesische Komiker erzählt in seinem Sketch „Das Wort zum Montag“, dass er neulich in seiner Musikbox geblättert und die Zeile gefunden habe:
„‚Theo, wir fahr’n nach Lodz!‘
Nun, was wollen uns diese Worte sagen?
Da ist von einem Menschen die Rede. Von einem ganz bestimmten Menschen. Nicht Herbert, nicht Franz, nicht Willy, nein, Theo ist gemeint. Aber um welchen Theo handelt es sich? Ist es nicht auch jener Theo in uns allen? Jener Theo, der in so wunderbaren Worten vorkommt, wie Theologie, Theodorant, Tee oder Kaffee? Und an diesen geheimnisvollen Theo ist eine Botschaft gerichtet:
‚Theo, wir fahr’n nach Lodz!‘
Vier fahr’n. Da sind also vier Menschen unterwegs. Und wer sind diese vier? Sind es die vier Jahreszeiten? Die vier Musketiere? Oder sind es vier alle?“
Der Sketch von Otto ist über 40 Jahre alt – und schon damals wies die kirchliche Sprache bestimmte Eigenheiten auf, die so deutlich waren, dass sie leicht persifliert werden konnte. Zum Beispiel das „Wir“. Es ist noch heute ein häufiges Kennzeichen der kirchlichen Sprache, der Gebrauch der ersten Person Plural: „Lass uns“ oder „Wir“. Es ist ein umarmendes Wir – wie auch bei „Uns alle“. Der Münchner Theologe Friedrich Wilhelm Graf argumentierte schon vor Jahren, die evangelische Kirche predige zu häufig einen „Kuschelgott“, was einher gehe mit einem „Umstellen auf einen Psychojargon, in dem es permanent um das ‚Fühl dich wohl‘ geht und in dem elementare Spannungen und Widersprüche des Lebens kaum noch eine Rolle spielen … Aber es käme doch gerade darauf an, die existenziellen Spannungen des Lebens religiös zu deuten und nicht einfach durch ein bisschen Wohlfühlrhetorik zum Verschwinden zu bringen“.
Wodurch ist die kirchliche Sprache gekennzeichnet? Sie ist, gerade beim Predigtton, zum einen häufig stark moralisierend und wertend. Sie arbeitet oft mit rhetorischen Fragen und benutzt nicht selten Wortspiele, die manchmal ins Kalauerhafte abrutschen – in der Hoffnung, darüber erschlössen sich neue Bedeutungen.
Wie stark die kirchliche Sprache ist, zeigt sich darin, dass man in sie verfallen kann, auch wenn man das gar nicht will. Auch Geistliche, die sehr bewusst, ja manchmal brillant mit der Sprache umgehen, wie etwa der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, sind sich der Verlockung der kirchlichen Sprache bewusst, gerade weil sie nach vielen Jahren im geistlichen Amt so leicht über die Zunge geht: „Es gibt Worte, die ich versuche, aus meinem Wortschatz zu eliminieren – aber manchmal rutschen sie auch mir durch. Das Wort ‚gleichsam‘ oder ‚Ein Stück weit‘ – beides kommt häufig vor. Ebenso die Wörter oder Redewendungen ‚vielleicht‘, ‚bedeutsam für die Seele‘ oder ‚Jesus würde es heute vielleicht so sagen‘.“
Die kirchliche Sprache ist ein Gruppenidiom, in das man häufig hinein sozialisiert wird, zuerst wird es passiv verstanden oder gesprochen. „Aber ab einem bestimmten Punkt merkt man, dass man selbst anfängt, so zu ‚kirchlichen‘“, so beschreibt es der Münchner Theologieprofessor Reiner Anselm, Vorsitzender der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD. Die kirchliche Sprache empfinden viele Kirchenleute fast wie einen Zwang, in den man gerät, sobald man einige Jahre für die Kirche arbeitet.
Der katholische Münsteraner Dogmatiker Michael Seewald zählt zur kirchlichen Sprache „Unworte“, die man eigentlich vermeiden wolle. Mit leichter Selbstironie sagt er: „Ich falle zum Beispiel auf die Wortkombination ‚immer wieder‘ selbst immer wieder herein, obwohl mich das bei anderen stört.“ Irgendwann aber habe man sich ein Reservoir an Phrasen kirchlicher Prägung zurechtgelegt. Und vielleicht stimmt es, was viele erfahrene Predigerinnen und Prediger sagen, dass man bei Predigten kaum um Floskeln herum komme.
Ein Problem der kirchlichen Sprache ist, dass sie auf einen oft veralteten Wort- und Bilderschatz von rund 2.000 Jahren zurückgreifen kann, der sich angesichts der intensiven Ausbildung der Theologinnen und Theologen mit dieser Tradition allzu leicht in die heutige Sprache hinein schleicht.
Diese alte Tradition ist prägend. Manche sehen in dem „Kirchensound“ einen Ausdruck der kirchlichen Architektur der „Gestalteten Mitte“, die nur noch Insidern etwas sagt oder nur noch sie bewegt. In den Schaukästen oder den Gemeindebüros von Kirchengemeinden finden sich seltsame Poster, auf denen über Schafherden häufig Worte von gestern stehen. Es ist verführerisch, sich einer alten Sprache und der alten Bilder zu bedienen, ohne überhaupt darüber nachzudenken, ob sie heute noch verstanden werden, ob sie nicht schon längst in Klischees erstarrt sind. Dann wird etwa in großstädtischen Gemeinden permanent über Hirten und Könige gesprochen, „aber nicht über die U-Bahn, die einen nervt“, wie Petra Bahr, Regionalbischöfin in Hannover, konstatiert. Viele Theologinnen und Theologen beschreiben es so, dass sie leicht in diesen Sound hineinrutschen, wenn sie sich nicht vorher genug Gedanken gemacht