Phrase unser. Jan Feddersen

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Название Phrase unser
Автор произведения Jan Feddersen
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783532600542



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       Für Rainer und Rachel – in Liebe

      Copyright © Claudius Verlag, München 2020

       www.claudius.de

      Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

      Umschlaggestaltung: Weiss Werkstatt, München

      Layout: Mario Moths, Marl

      E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2020

      ISBN 978-3-532-60054-2

      „Mein Mund soll Weisheit reden / und was mein Herz sagt, soll verständig sein.“

       (Psalm 49)

       KAPITEL 1

      Einführung

      „Es gibt vielerlei Sprachen in der Welt, und nichts ist ohne Sprache. Wenn ich nun die Bedeutung der Sprache nicht kenne, werde ich ein Fremder sein für den, der redet, und der redet, wird für mich ein Fremder sein.“ Das schreibt der Apostel Paulus von Tarsus in seinem ersten Brief an die christliche Gemeinde von Korinth (14,10f – zitiert, wie immer in diesem Buch, nach der Lutherbibel 2017) etwa um das Jahr 55 nach Christus. Der Brief an die griechische Gemeinde, die er ein paar Jahre zuvor offenbar selbst gegründet hatte, gilt als eines der ältesten christlichen Dokumente – der Schluss liegt nahe, dass das Christentum sich schon immer, selbst in seinen ersten Tagen, mit der Kraft und den Grenzen der Sprache, auch der Sprache ihrer eigenen Verkündigung, beschäftigt hat.

      Wer sich heute mit der Sprache der Kirche auseinander setzt, fußt also auf einer reichen Tradition, denn das zentrale Mittel des Christentums zur Verkündigung war und ist die Sprache. Zwar verkünden unter anderem auch gute Werke, Liturgie, Sakramente, Musik und Bauwerke ihre Botschaft – doch bleiben sie am Ende stumm, wenn nicht das Wort, das Evangelium, eben die Sprache dazu kommt, die erklärt, warum man etwas tut oder sagt oder zeigt. Ein Christentum und eine Kirche ohne Sprache sind schlicht nicht denkbar. Die Kirche ist gegründet auf dem Wort und erneuert sich auch immer wieder durch das Wort.

      Nun gelingt der Kirche die Verkündigung seit rund 2.000 Jahren, und das ist, trotz aller Fehler, Verirrungen und Sünden, schon eine immense, ja fast beispiellose Dauer für eine menschliche Institution. Dennoch scheint die Sprache der Kirche und die Kirche selbst in einer Krise zu stecken, und dieses Buch will einen Beitrag dazu leisten, diese Krise zu ergründen. Drei Anstöße dazu:

      Unter dem Titel „… und das ist auch gut so!“ hielt die Pfarrerin Kerstin Söderblom beim 33. Evangelischen Kirchentag in Dresden Anfang Juni 2011 im Festsaal des noch leicht sozialistisch angehauchten Kulturpalastes vor großem Publikum einen zentralen Vortrag des Kirchentags zu einer „Theologie der Vielfalt“. Dieser Vortrag, der noch heute im Archiv des Deutschen Evangelischen Kirchentags nachzulesen ist, schildert in einer fast perfekten und sehr gedrängten Weise, was in diesem Buch für die derzeitige kirchliche Sprache so typisch wie problematisch ist.

      Die Pastorin lädt in ihrer kurzen Einleitung zu einer „Werkstatt“ ein, die „vom Mitdenken und Mitmachen“ lebe. Ihre Theologie der Vielfalt suche Wege, die Unterschiede in den Lebensformen der Menschen „konstruktiv aufzunehmen, sodass alle Beteiligten in Kirche und Gesellschaft respektvoll miteinander leben und voneinander lernen können“. Diese Theologie könne „nicht ‚von oben‘ verordnet werden, sondern wächst von der Basis her durch gemeinsames verantwortliches Handeln“. Es solle ein Klima von „Achtsamkeit und Respekt“ entstehen und zugleich die vorhandenen „Macht-, Unrecht- und Gewaltstrukturen in Kirche und Gesellschaft“ erkannt, benannt und analysiert werden. Für eine Theologie der Vielfalt brauche es „Gerechtigkeitssensibilität und aktive Verantwortungsübernahme“ sowie „Differenzsensibilität“. Es gehe darum, dass Menschen sich gegenseitig bereicherten. „Die Fähigkeit, Unterschiede wahrzunehmen, diese wertzuschätzen und nicht abzuwerten“, helfe, „mit Vielfalt kreativ und lebendig umzugehen“. Alle seien „aufgerufen“, sich an diesen ethischen Debatten und „Klärungen“ zu beteiligen.

      In ihrem ebenso knappen Ausblick fordert die Theologin, dass die Mitglieder der queer community „als Subjekte ihrer Erfahrungen, ihrer Fähigkeiten und Qualifikationen beteiligt“ sein sollten. „Aus Betroffenen Beteiligte machen“ sei das Motto und das Ziel einer Theologie der Vielfalt. Man wolle den Kirchen „ein menschlicheres und gastfreundlicheres Gesicht“ geben. Niemand habe per se die richtigen Antworten, aber dies sei nun einmal „ein Suchprozess, der alle herausfordert“. Dieser Suchprozess ermutige einzelne Personen, Gemeinden bis hin zu Organisationen, „sich offen, respektvoll und gastfreundlich“ gegenüber denen zu präsentieren, die anders seien als man selber. Dafür brauche es auch „Begegnungsorte“. Eine Theologie der Vielfalt könne weiter entwickelt werden, und zwar „praktisch konkret, inhaltlich kritisch und prophetisch visionär“. Nötig seien dazu „Zivilcourage, Mit-Leidenschaft und Solidarität, um Benachteiligte und Schwächere zur Teilhabe und Teilnahme zu ermutigen und zu ermächtigen“.

      Man ahnt im besten Fall, was sie sagen will, die Pastorin, die seit 2014 als Studienleiterin und Pfarrerin beim Evangelischen Studienwerk in Villigst in Westfalen arbeitet, einer Kaderschmiede der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Aber versteht das irgendjemand außerhalb der Kirche? Warum diese Sprache? Woher kommt sie?

      Der zweite Anstoß: Sandra Bils ist Pastorin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers und Honorarprofessorin für Missionarische Kirchenentwicklung an der CVJM Hochschule Kassel. Am 23. Juni 2019 hat sie im Signal Iduna Park, dem früheren Westfalenstadion, wo der Fußball-Bundesligist BVB Dortmund spielt, die Ehre, die Predigt beim Abschlussgottesdienst des Kirchentags zu halten, zu dem nach Angaben der Veranstalter wieder über 120.000 Teilnehmer kamen, TV-Live-Übertragung eingeschlossen – eine fast einmalige Chance der Verkündigung. Die Theologin Bils will über den Hebräerbrief des Neuen Testaments (Hebr. 10.35–36) predigen – und sie will originell, wahrscheinlich auch ein wenig ruhrpottisch sein. Deshalb sagt sie, dass dieser Brief ein „Arschtritt“ sei. Es finden sich in ihrer Predigt unvermittelt Formulierungen wie „Chakka – du schaffst es!“ oder „… die ihr nicht klarkommt, bei denen es gerade nicht so läuft im Leben“. Bils sagt: „Jesus ist der Türsteher, der weiß, wie es ist, als Letzter bei den Bundesjugendspielen durchs Ziel zu gehen und wieder keine Siegerurkunde zu bekommen.“ oder „Das sind wir: Gottes geliebte Gurkentruppe.“ Jesus schaue nicht auf „die Siegerurkunde der Bundesjugendspiele“ oder den „Body-Mass-Index“. „Nur mal angenommen“, sagt die Pastorin, „wir würden das echt durchziehen, dieses Vertrauen …“ Und sie regt neue Formen von Kirche an: „Kirche als rollende Frittenbude: Glaube, Liebe, Currywurst.“

      Auch hier die Frage: Warum sagt sie das so? Was und wen will sie damit erreichen?

      Der dritte Anstoß: Im Jahr 1971 schrieb der angesehene evangelische Theologe Gerhard Ebeling (1912–2001), ein Schüler Rudolf Bultmanns und Dietrich Bonhoeffers, ein Mitglied der Bekennenden Kirche in der NS-Zeit und späterer Theologie-Professor u.a. in Tübingen, in seiner „Einführung in theologische Sprachlehre“ (sic!): „Überdruß an der Sprache. Überdruß am Wort – so läßt sich formelhaft andeuten, was die heutige Krise des Christentums ausmacht, worin sie ihre tiefste Wurzel hat. Das Vertrauen auf das, was für das Leben des christlichen Glaubens, zumal in dessen reformatorischer Gestalt, konstitutiv ist: nämlich auf das Wort, ist weitgehend geschwunden.“ Und: „Auch bei denen, die Christen sein wollen und sich als solche bekennen, entsteht eine tiefe Unsicherheit über die Sprache des Glaubens. Die überlieferte christliche Sprache weiß man nicht so zu gebrauchen, daß sie redlich und wirksam im heutigen Kontext zur Geltung kommt. So rückt sie in den Rang einer Fremdsprache, deren man sich allenfalls nur noch in Ausnahmesituationen bedient. Für das alltägliche Leben gerät der Glaube weithin in Sprachlosigkeit und muß entsprechend verkümmern … So erzeugt die Sprachunsicherheit schließlich einen Überdruß am christlichen Wort. Man wird dessen müde, sich einer Sprache zu bedienen, zu der man in einem gestörten Verhältnis steht.“ Schließlich: „Die überlieferte Sprache des christlichen Glaubens bedarf einer Interpretation, weil sie – aufs Ganze gesehen – nicht mehr unmittelbar die unsere sein kann.“

      Das bedeutet,