Der Kaiser schickt Soldaten aus. Janko Ferk

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Название Der Kaiser schickt Soldaten aus
Автор произведения Janko Ferk
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783990402528



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von Chotkowa und Wognin ehelich zu verbinden.“ Hier machte der Minister eine kurze Pause.

      „Bevor Wir aber zur Schließung des ehelichen Bundes schreiten, fühlen Wir Uns veranlasst, unter Berufung auf die Hausgesetze des durchlauchtigsten Erzhauses, deren Bestimmung Wir“, und hier stockte der Minister wieder, „vollinhaltlich anerkennen und als bindend erklären, festzustellen, dass Unsere Ehe mit Gräfin Sophie Chotek nicht eine ebenbürtige, sondern eine morganatische Ehe und als solche für jetzt und alle Zeiten anzusehen ist, demzufolge weder Unserer Frau Gemahlin noch den mit Gottes Segen aus dieser Unserer Ehe zu erhoffenden Kindern und deren Nachkommen jene Rechte, Ehren, Titel, Wappen, Vorzüge et cetera zustehen und von denselben beansprucht werden können und sollen, die den ebenbürtigen Gemahlinnen“, und hier blickte der Minister so streng er nur konnte zur Linken des Kaisers, „der Herren Erzherzoge zukommen. Insbesondere“, und das war dann tatsächlich das Besondere, „erklären Wir aber noch ausdrücklich, dass Unseren aus oben erwähnter Ehe stammenden Kindern und deren Nachkommen ein Recht auf die Thronfolge in den im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Ländern und somit auch in den Ländern der ungarischen Krone nicht zusteht und Selbe von der Thronfolge ausgeschlossen sind.“

      Schließlich kam der Minister zum Ende der erzwungenen Renunziation. „Wir verpflichten Uns mit Unserem Wort, dass Wir die gegenwärtige Erklärung, deren Bedeutung und Tragweite Wir Uns wohl bewusst sind, als für alle Zeiten, sowohl für Uns, wie für Unsere Frau Gemahlin und Unsere aus dieser Ehe stammenden Kinder und deren Nachkommen bindend anerkennen.“

      Danach sprach der Wiener Kardinal die Eidesformel. Franz Ferdinand wiederholte sie. Nach dem Schwur unterzeichnete er die deutsch- und ungarischsprachige Urkunde. Das Haus Habsburg verschwendete auch in diesem Fall nicht einen Gedanken an andere Sprachen oder Völker der Monarchie.

      Alles dauerte ungefähr eine halbe Stunde und hatte ausschließlich einen Zweck, nämlich die Verdeutlichung und Verdeutschung der Meinung der Habsburger, die in Sophie nichts anderes als eine zweitklassige Braut sahen. Oder nicht einmal das.

      Der Kaiser verließ den Geheimen Ratssaal wortlos.

      Franz Ferdinand und Sophie wurden am ersten Juli neunzehnhundert in der Kapelle des Schlosses Reichstadt in Böhmen getraut.

      An der Trauung im Schloss, das der Kaiser vor Zeiten Franz Ferdinands Stiefmutter Maria Theresa geschenkt hatte, nahmen nur sie, die auch die Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande getroffen hatte, und ihre beiden Töchter teil. Nicht einmal die Brüder des Bräutigams waren bereit, mit ihm zu feiern, was ihn besonders schmerzte.

      Franz Ferdinand trug bei der Zeremonie die volle Paradeuniform eines Kavalleriegenerals. Die Brust schmückten der Orden des Goldenen Vlieses und das Großkreuz des Sankt Stephans-Ordens, wodurch Österreich und Ungarn – zumindest sinnbildlich – vertreten waren. Beziehungsweise von ihm repräsentiert wurden.

      Sophie erschien im weißen Kleid einer Jungfrau mit Schleppe. Ein Brillanthalsband und Ohrringe waren der einzige Schmuck der bescheidenen Gräfin. Der Brautstrauß war aus Myrten und Maiglöckchen gebunden.

      Die Trauung selbst, bei der auf Wunsch des Bräutigams keine Ansprache gehalten wurde, nahm der Dorfpfarrer vor, dem zwei Kapuziner assistierten. Nach der Heiligen Messe lud Maria Theresa zum Frühstück. Mehr war nicht vorgesehen.

      Gleichsam als Hochzeitsgeschenk, und zwar als bereits angekündigtes, erreichte die Familie ein Telegramm des Kaisers. „Seine Kaiserliche und Königliche Apostolische Majestät hat sich bewogen gefunden, die morganatische Gemahlin Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Durchlauchtigsten Herrn Erzherzog von Österreich-Este, Sophie, geborene Gräfin von Chotek, taxfrei in den erblichen Fürstenstand mit dem Namen ‚Hohenberg‘ und dem Prädikat ‚Fürstliche Gnaden‘ zu erheben.“

      Die Kälte der Botschaft konnte das Brautpaar nicht verstimmen. Das Glück wurde nicht getrübt und so sprach Franz Ferdinand vom „schönsten Tag unseres Lebens“.

      Der Kaiser lud das Paar erst zwei Monate nach der Trauung, im September, in die Hofburg. Bei erster Gelegenheit berichtete er seiner Freundin Katharina Schratt über die Privataudienz. „Sie war natürlich und bescheiden, sieht aber nicht mehr ganz jung aus.“ Trotzdem verlieh er ihr neun Jahre später den Titel einer Herzogin, mit dem die Anrede „Hoheit“ verbunden war.

      Der sehr glücklichen Ehe entsprossen bis zum Herbst neunzehnhundertvier drei Kinder, die Tochter Sophie sowie die Söhne Max und Ernst. Die Beziehung innerhalb der Familie, die in Konopischt zuhause war, wo es weder Hofzeremoniell noch Pomp gab, war eine innige.

      Nach seiner Heirat war Franz Ferdinand nie mehr ernsthaft oder schwer krank. Er war in der Ehe mit Sophie ein glücklicher Mann geworden.

      Die österreichisch-ungarische Monarchie hatte sich zunächst mit dem Zaren in Sankt Petersburg darauf verständigt, ihr Einflussgebiet auf dem Balkan nicht zu erweitern.

      Als Österreich-Ungarn Bosnien und die Herzegowina entgegen der diplomatischen Absprachen am fünften Oktober neunzehnhundertacht annektierte, kam es nicht nur zu einer Trübung der österreichisch-russischen Beziehungen. An diesem Tag hielt sich der russische Außenminister in Paris auf und war ahnungslos.

      Franz Joseph verkündete die Annexion Bosniens durch die österreichisch-ungarische Monarchie, ohne irgendeine andere Macht im Voraus zu informieren oder zu konsultieren. Auch Deutschland, das loyal zum österreichischen Bündnispartner stehen musste, wurde in die Spannungen miteinbezogen.

      Die Besetzung wurde in London sowie Paris und sogar Berlin mit Zorn zur Kenntnis genommen. In seiner ersten Wut wollte der deutsche Kaiser seinen österreichischen Verbündeten mit diesem Problem sogar sich selbst überlassen. „Wir missbilligen diese österreichische Dummheit auf dem Balkan zutiefst und werden sie noch unterstützen müssen.“

      Zu dieser Zeit wurde auch an der Rüstungsspirale schon ganz kräftig gedreht.

      Bemerkbar war eine Verhärtung der Verhältnisse zwischen den Bündnisblöcken, bei denen sich zu dieser Zeit auf der einen Seite Großbritannien, Frankreich sowie Russland und auf der anderen Seite Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich gegenüberstanden. Ein nicht ganz berechenbarer beziehungsweise zuverlässiger Partner beim zweiten Block war Italien.

      Die Gefahr eines Weltkriegs wurde klar gesehen und unmissverständlich angesprochen.

      In Serbien, dem ernannten oder selbsternannten „Mutterland“ Bosniens, wie immer man es sehen wollte, führte die österreichisch-ungarische Annexionsproklamation zu einem ordentlichen Aufruhr.

      Eines gab das andere, trotzdem ging alles Hand in Hand. Die Empörung war glänzend inszeniert. Und nicht einmal er- oder gekauft.

      In den Belgrader Straßen wurde demonstriert.

      Habsburgische Fahnen wurden unter johlender Zustimmung öffentlich verbrannt.

      Die Gesandtschaft der österreichisch-ungarischen Monarchie musste unter den Schutz des serbischen Militärs gestellt werden.

      Das Kriegsministerium berief die Reservisten ein.

      Das serbische Parlament trat in größter Eile und Wichtigkeit zusammen, um für die Armee sofort weitere und höhere Kredite zu bewilligen.

      Die Zeitungen des Landes stellten in Schlagzeilen mit dicken Lettern Forderungen auf. Das Land müsse unverzüglich Vorbereitungen für einen Kampf auf Leben und Tod treffen.

      Auch die Politik wusste, wie die Frage noch zusätzlich anzuheizen war. Sie forderte, Bosnien und die Herzegowina müssten zu autonomen Gebieten erklärt werden.

      Der Außenminister begab sich auf eine Reise durch westeuropäische Regierungssitze und warb um politische Unterstützung gegen die Österreicher.

      Der Führer der Radikalen Partei, Nikola Pašić, ersuchte bei Zar Nikolaus dem Zweiten in Sankt Petersburg um Hilfe. Pašić war an der richtigen Adresse. In Russland überschlug sich der panslawistische