Der Kaiser schickt Soldaten aus. Janko Ferk

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Название Der Kaiser schickt Soldaten aus
Автор произведения Janko Ferk
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783990402528



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Wollte.

      Der Wiener Hof, der morganatisch verheiratete Erzherzog und sein Statthalter in Bosnien hatten nicht begriffen, wie sensibel, geradezu empfindlich, und stolz, Südslawen sein können. Wahrscheinlich wollten sie es nicht einmal verstehen. Es war nicht der Mühe wert. Was scherten die paar aufmüpfigen Serben die erhabenen Österreicher …

      Franz Ferdinand begann sich im Lauf des Sommers krank zu fühlen, was sich dadurch äußerte, dass er leicht ermüdete, ohne richtigen Appetit und antriebslos war, abnahm und immer wieder Fieber hatte.

      Die Untersuchungen ergaben eine unumstößliche Diagnose, Franz Ferdinand hatte Tuberkulose. Die Ärzte rieten ihm zu verschiedenen Kuren. Er brauche völlige Ruhe, vorzugsweise in einem milden Klima.

      Seine Reisen auf der Suche nach Gesundheit führten ihn in verschiedene Länder, von Ägypten über die schöne Insel Mali Lošinj bis nach Südtirol. Er sah auf einer Reise um die Erde auch die weite Welt. Australien, Indien, Indonesien, Japan, Kanada und Nordamerika. Nicht selten äußerte er sich über die autochthone Bevölkerung der Länder, die er besuchte, in einer herabwürdigenden und eines Aristokraten unwürdigen Weise.

      Erst nach Jahren, im März achtzehnhundertachtundneunzig, wurde Franz Ferdinand endlich als von der Tuberkulose genesen erklärt. Einen Kampf, er hatte mehrere auszufechten, hatte er gewonnen, nämlich den um seine Gesundheit, doch hatte die langwierige und eher schwere Erkrankung bleibende körperliche Behinderungen hinterlassen. Franz Ferdinand musste raues Klima meiden, sollte sich nicht über längere Zeit in Städten aufhalten und vor allem seinen Körper nicht über Gebühr anstrengen. Außerdem litt er zeitweise an Asthma.

      Die Krankheit hatte noch andere Folgen hinterlassen. Franz Ferdinand wurde durch sie gleichsam geschärft, gehärtet und fast verbittert. Nach seiner Genesung war er fest entschlossen, seinen Widersachern, und von denen hatte er am Wiener Hof, das heißt, rund um Franz Joseph, genug, nicht klein beizugeben. Er wollte sich behaupten. Er wollte seiner Rolle, immerhin war er der Thronfolger, gerecht werden.

      Für diesen besonderen Gerechtigkeitssinn hatte jedoch einer nichts übrig und der war gerade Kaiser. Er wollte Franz Ferdinand nicht in seiner Nähe haben, suchte nicht seine Unterstützung und überlegte, wohin er ihn abschieben könnte. Schließlich entschied er, für Franz Ferdinand eine halbwegs entsprechende militärische Position zu finden. Und so wurde der Thronfolger am neunundzwanzigsten März achtzehnhundertachtundneunzig Generalinspekteur der Armee, der Soldaten des Kaisers.

      In einem Begleitschreiben des Chefs der Militärkanzlei Arthur Heinrich Freiherr von Bolfras waren die Befugnisse und Tätigkeiten aufgelistet. Franz Ferdinand durfte Memoranden zu vorgegebenen Themen verfassen, Vorschläge zur Verbesserung der Schlagfähigkeit der bewaffneten Macht machen und bei wichtigen Manövern ein Armeekorps befehligen. Zur Unterstützung wurde ihm ein militärischer Stab zugeteilt, der aus einem Generalstabsoffizier als seinem Adjutanten und einem Hauptmann als seinem Ordonnanzoffizier bestand.

      In oder zur Anerkennung dieser neuen Stellung des Thronfolgers überließ der Kaiser ihm Schloss Belvedere als dessen offiziellen Wohnsitz in der Haupt- und Residenzstadt.

      Letztlich besiegelte diese Stellung sein Schicksal. Und das seiner Ehefrau Sophie.

      Franz Ferdinand befand sich Ende Juni achtzehnhundertdreiundneunzig seit mehr als einem halben Jahr mit großer adeliger und nichtadeliger Gefolgschaft auf seiner „Reise um die Erde“, während die Serben und ihre Kirche zum zweiten Mal hochoffiziell ihren größten Feiertag begingen.

      Der Erzherzog verschwendete naturgemäß keinen Gedanken daran, sondern notierte in seinem Tagebuch, dass im Regierungsgebäude von Amboina auf Papua ein Diner stattfinden werde, vor dem er sich auf einen Spaziergang begebe, während die Damen hierzu ihre Toilette, wie es hieß, machten.

      Ehrgeizig, misstrauisch und stets zu Geringschätzung sowie Spott aufgelegt, führte er sein Reisebuch. Jeder erlegte Elefant und jedes abgeknallte Stinktier wurden darin genauestens vermerkt. Eine einzige Buchhaltung des Todes war es schließlich, als er am achtzehnten Oktober achtzehnhundertdreiundneunzig nach Wien zurückkehrte.

      Die meisten Völker fanden vor seinen Augen wenig Gnade, an die Serben, wie bereits vermerkt, dachte er wohl nicht. Insgesamt könnte man in seinem Sinn und seinem oft unfreiwilligen Humor sagen, er habe die Welt gesehen, es gehe aber nichts über Österreich.

      Wie auch immer, in seinem Tagebucheintrag vom achtundzwanzigsten Juni achtzehnhundertdreiundneunzig schrieb Franz Ferdinand über ein Abendessen. „Erst in später Stunde endete das Diner, worauf wir und der Resident uns auf dem Regierungsdampfer ‚Arrant‘ einschifften, um die Nacht hindurch nach der Insel Buru zu fahren, wo wir zwei Tage zu bleiben gedachten.“

      Franz Ferdinand, der nach langem Leiden von seiner schweren Krankheit genesen war, während der er, wie ihm eindringlich geraten wurde, einige Kuraufenthalte in milderem Klima absolviert hatte, dachte natürlich über die Gründung einer Familie nach.

      Nicht allein dynastische Überlegungen werden ihn dazu bewogen haben. Ein ganzer Mann muss tun, was ein ordentliches Mannsbild tun muss …

      Seine Sorgen vertraute er einem seiner Ärzte, Doktor Victor Eisenmenger, der ihm sehr geholfen und ihn geheilt hatte, an. „Wenn unsereiner“, sagte er seinem Heiler und Helfer, „jemanden gerne hat, findet sich immer im Stammbaum irgend eine Kleinigkeit, die die Ehe verbietet, und so kommt es, dass bei uns immer Mann und Frau zwanzig Mal miteinander verwandt sind. Das Resultat ist, dass von den Kindern die Hälfte Trottel oder Epileptiker sind.“

      Franz Ferdinand, der sonst nicht gerade wegen seiner Sensibilität oder gar Zärtlichkeitsanwandlungen auffiel, wünschte sich, wie er es seinem Lehrer Max Wladimir Freiherr von Beck – seinem „in allem guten Geist“ – anvertraute, nichts mehr, als „eine geliebte Frau nach seiner eigenen Wahl“. „Eine glückliche Lebensgefährtin zu besitzen“, sagte er, „muss wohl sehr schön sein.“ Wollte ein Familienmitglied heiraten, musste es die Zustimmung des Kaisers beziehungsweise des Oberhaupts der Familie Habsburg-Lothringen, was Franz Joseph in Personalunion war, einholen. Die Autorität des Kaisers, was jedes Familienmitglied, sei es noch so ein Trottel oder Epileptiker, bald verstand, war eine absolute. Und das Statut bestimmte, dass Ehefrauen der Erzherzöge „ebenbürtig“ zu sein hatten.

      Ebenbürtig. Das hieß, ein Habsburger konnte nur ein Mädchen zur Frau nehmen, dessen Vater einem regierenden oder ehemals herrschenden Haus angehörte. Mitglieder des Hochadels durften bei Hof erscheinen, wenn sie sechzehn hochadelige Ahnen vorzuweisen hatten. Waren es nur fünfzehn, geschweige denn vierzehn oder noch weniger, hatten sie in dieser Gesellschaft nichts verloren.

      Als sich Franz Ferdinand mit Heiratsgedanken trug, war er bereits ein hoch aufgeschossener und schlaksiger Mann. Das braune Haar scheitelte er in der Mitte und er trug einen Schnurrbart. Insgesamt war Franz Ferdinand ein schwächlicher junger Mann, den damals bestimmt niemand als hübsch bezeichnet hätte. Ein Merkmal, ein einziges, war dessen ungeachtet ein besonderes, und zwar seine leuchtenden stahlblauen Augen. Wenigstens etwas, könnte man meinen.

      Der unerbittliche Franz Joseph fand ihn überhaupt linkisch, reizlos und nicht sonderlich intelligent. Eine Neigung empfand er für ihn nicht und wünschte auch dann nicht mehr Kontakt zu ihm als notwendig, als er schon sein Thronfolger war.

      Eine langjährige Freundin Franz Ferdinands, die ihm zuredete, er solle doch endlich heiraten, war – die vermählte – Nora Fugger Gräfin von Babenhausen, der gegenüber er in einem Brief am sechzehnten Oktober achtzehnhundertachtundneunzig sein Innerstes nach außen kehrte. Ein Vorgang, der in seinem Leben – anderen als seiner späteren Ehefrau gegenüber – ziemlich selten vorkam.

      „Ich sehne mich ja selbst schon nach Ruhe, nach einem gemütlichen Heim, nach einer Familie“, hielt er in seiner erzherzoglichen Epistel fest. „Aber nun stelle ich an Sie die große Frage: Wen soll ich den heiraten? Es ist ja niemand da. Gräfin sagen,