Название | Franz spricht |
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Автор произведения | Elisabeth Hauer |
Жанр | Современная зарубежная литература |
Серия | |
Издательство | Современная зарубежная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783990400289 |
An diesem Tag Besuch beim Vater, dachte sie. Nein, nicht heute. Sie würde es noch einmal verschieben.
Sie hatte ein Kind, ein kleines Mädchen, Klara, fünf Jahre alt. Es besuchte den Kindergarten, ganztägig. Abends holte sie es ab. Eine große Freude jedes Mal für beide.
Franz
spricht
Bin ihm immer aus dem Weg gegangen. Auch als Paul schon tot war. Immer aus dem Weg gegangen. Komisch. Als wir jung waren, lebte er in meiner Nähe. Jetzt, da wir alte Männer sind, wohnt er wieder in meiner Nähe. Habe ich nicht gewollt. Aber vorher nicht gewusst. Sonst wäre ich nicht hierher gezogen. Vom Land in die Stadt. Wo ich mich nicht wohl fühle. Ich möchte wieder aufs Land. Tag und Nacht will ich aufs Land. Das müssen Sie mir glauben. Schön, dass Sie heraufgekommen sind zu mir. Ihren Besuch habe ich gern. Wie geht es Ihnen? Hat das geklappt mit der Unterstützung? Noch immer nicht. Wird schon werden. Jetzt frag ich Sie.
Was hätte ich tun sollen, vorgestern, als er mir über den Weg gelaufen ist. Hätte ich hingehen und sagen sollen Servus Peter? Das hab ich nicht über mich gebracht. Und vielleicht hätte ich noch fragen sollen, wie es ihm geht. Unmöglich. Er hat mich nicht erkannt, glaub ich. Nein, er hat mich sicher nicht erkannt. Sie kennen ihn ja nicht, aber wenn Sie ihn kennen würden, würden Sie mich verstehen. Der verfolgt mich ein Leben lang. Ein Leben lang. Wissen Sie, was das heißt? Ich bereue jetzt die Scheidung von meiner Frau. Nicht so lustig hier, in dieser Wohnung. Und sie hat jetzt das Haus. Lang hat sie es schon, dieses Haus. Viele Jahre. Ein Haus auf dem Land. Wissen Sie, was das heißt, ein Haus auf dem Land? In der Gegend, wo ich hergekommen bin? Ein Traum ist das, ein Traum. Aber reden wir wieder von Ihnen. Wo gehen Sie spazieren? Soll ich jetzt woanders spazieren gehen? Dort, wo ich ihn bestimmt nicht mehr treffe? Ich überlege das ganz kühl. Ich war nämlich einmal ein Arbeiter, und der weiß immer, was er tut. Er muß es wissen. Sonst kommt er unter die Räder. So lang her ist das alles. Unglaublich lang her.
»
Wenn Miriam ihre Tochter gebadet hatte, versteckte sich Klara stets unter dem Badetuch und wollte es nicht hergeben. Das war ihr tägliches Spiel. Komm schon, sagte Miriam und trug sie ins Bett. Bleib noch bei mir sitzen, Mama, sagte Klara. Erzähl mir was. Miriam dachte nach. Welche Geschichte, fragte sie, such dir eine aus. Du suchst aus, sagte die Kleine. Nun musste sie sich konzentrieren. Das fiel ihr schwer nach dem langen Arbeitstag. Aber was sie dann erzählte, war Klara recht. Später setzte sie sich noch mit einem Buch ins Wohnzimmer. Aus dem Radio kam klassische Musik. Sie konnte sich nicht auf die Musik, nicht auf das Buch konzentrieren. Sie ging zum Schreibtisch, um ihre Ausgaben aufzuschreiben. Sie wusste, dass es nutzlos war, aber sie musste es tun. Das Telefon läutete. Eine Frau, die sie flüchtig kannte, die in ihrem Leben aber eine entscheidende Rolle gespielt hatte, überschüttete sie mit einem Schwall drohend klingender Worte.
Zwei, drei Minuten hörte sie zu, dann legte sie auf. Sie drehte das Radio ab und versuchte wieder zu lesen. Es gelang ihr nicht. Dann saß sie ganz still, die Finger ineinander verschränkt, sie wollte an nichts denken und wusste, es würde ihr nicht gelingen. Die Worte, die sie eben gehört hatte, hatten sich in ihrem Kopf festgesetzt. Sie sagte sich vor, sie könne sie nicht verstehen, obwohl sie sie längst verstanden hatte. Sie nahm diese Worte mit in die Nacht.
Jene Frau, der die Villa gehörte, war noch immer eine schöne Frau. Über vierzig Jahre alt, man sah es ihr nicht an. Sie hatte sehr jung geheiratet. Ihr Mann Paul war um einiges älter als sie, sie hatte ihn aber nicht aus Berechnung zum Mann genommen. Er hatte ihr gefallen, sein noch immer dunkles Haar, seine sportliche Figur hatten sie beeindruckt, seine Belesenheit, seine Bildung, die sich stets in seinen Gesprächen zeigten, hatten ihr imponiert. Fast war es eine Liebesheirat, auch von ihrer Seite. Sie wusste, als seine Frau würde sie ein anderes Leben führen können als bisher, sie würde sich viele Wünsche erfüllen können. In den ersten Monaten ihrer Ehe hatte sie sich ernstlich bemüht, ihm in jeder Hinsicht zu gefallen. Sie las die Bücher, die er für sie aussuchte, sie kleidete sich dezenter als früher, sie machte einen Kochkurs und bemühte sich, mit einer Hilfe das Haus in Ordnung zu halten. Das gefiel ihm. Er sagte ihr, dass er glücklich sei.
Er sagte ihr, dass er sich ein Kind wünsche. Das entsprach nicht ganz ihren Vorstellungen. Aber sollte es so kommen, dachte sie, würde sie es akzeptieren. So vergingen die ersten zwei Jahre. Der Kinderwunsch ihres Mannes schien nicht in Erfüllung zu gehen. Sie begann sich zu langweilen.
Eines Tages, nach dem Besuch bei Pauls Eltern, wollte sie noch einen Spaziergang machen. Der alte Gymnasialprofessor hatte sie mit seinen Sprüchen genervt, von seiner Frau wurde sie stets mit Misstrauen betrachtet. Nun wollte sie frische Luft, allein sein und nicht von ihrem Mann begleitet werden. Sie wusste, er würde sie verstehen.
Wie immer schlug sie den Weg zur Metallwarenfabrik ein, die immer noch arbeitete. Das weitläufige, unansehnliche Gebäude übte eine eigenartige Faszination auf sie aus. Bröckelnde Steine, weit aufgerissene Tore, der Blick in riesige verschmutzte Höfe, die voll von Gerümpel waren. Hier war sie schon oft gewesen, der Weg von der Villa bis hierher war nicht weit.
Diesmal war es bereits Abend. Der Weg, der zur Fabrik führte, war von Gras und Unkraut bewachsen. Nur selten fuhr noch ein Lastwagen dorthin. Das Gras dämpfte die Schritte, die Dämmerung begann, es war, als ginge sie in einen dichten Schatten hinein. Angst kam in ihr auf. Sie wollte umkehren und blieb stehen. Sie wollte weglaufen und machte keinen Schritt. Es war ihr heiß und kalt zugleich. Dann hörte sie, dass jemand näher kam. Sie erkannte die Umrisse eines Mannes.
Eva, sagte er, was machst du da. Ich bin es, Franz.
Heute Nacht schlief ich ziemlich schlecht. Jener Albtraum war wieder da, der mich schon oft gequält hat. Ich wollte eigentlich über Paul schreiben, versuchen, seinen Charakter nachzuzeichnen. Vielleicht ist es besser, ich schreibe meinen Traum nieder.
Eine Art von Befreiung. Auch in diesem Traum kam Paul vor.
Ich erinnere mich. Es war ein Sonntag. Wie gewohnt besuchten wir mit unseren Eltern die Messe. Damals waren Paul und ich noch in der Volksschule. Richtige Kinder also. Der Pfarrer war auch unser Religionslehrer. Ich hatte die Erstkommunion seit zwei Jahren hinter mir, Paul hatte erst vor kurzem das Sakrament empfangen. Wie üblich bekam ich jedes Mal nach der Beichte und dem anschließenden Bußgebet ein Heiligenbild. Maria, Josef, das Jesuskind oder irgendein Märtyrer, meist umgeben von Lilien und Myrthen, waren darauf abgebildet. Das Sammeln solcher Bilder hatte damals für uns Kinder noch einen gewissen Reiz. Wir zeigten sie einander, tauschten sie und rühmten uns ihrer Zahl. Klar, dass ich Paul meine Sammlung zeigte. Er schien nicht interessiert. Ich fragte ihn, ob er auch schon solche Bilder habe. Nein, antwortete er. Wieso, fragte ich. Der Herr Pfarrer hat mir keine gegeben, sagte er. Warum, fragte ich. Weil ich sie nicht haben wollte, sagte er.
Die Szene, wie Paul vor dem Pfarrer steht und die Bilder ablehnt, träumte ich heute Nacht.
Sie zeigte auch mich, wie ich zu meiner Mutter rannte und ihr von Pauls Verhalten erzählte. Der Traum ging allerdings nicht weiter und die Bilder der Strafe, die mein Vater Paul auferlegte, blieben mir erspart. Entschuldigung beim Pfarrer, drei Tage Hausarrest, zwei Wochen kein Spiel auf der Straße. So war es damals. Paul zeigte sich nicht geknickt. Ich war es umso mehr. Als ich dann schon zehn Mal Sei mir nicht bös gesagt hatte, gab ich auf. Ich weiß nicht, ob Paul mir verziehen hat. Wir redeten nicht mehr über diese Sache. Ich habe auch später kein Heiligenbild mehr bei ihm gesehen.
Handlungen, die ich nicht verstand, hat es noch oft bei Paul gegeben. Sehr oft.
Heute sollte meine Tochter kommen, sie rief aber an, dass sie keine Zeit habe. Es wird schon wahr sein, sie hat viel Arbeit im Büro und nachher das Kind. Den Grund für ihre Scheidung kenne ich bis heute nicht. Ich war nicht dafür, sie hatte wahrscheinlich ihre Gründe. Darüber hat sie nicht gesprochen. Was meinen Schwiegersohn betrifft, kann