Franz spricht. Elisabeth Hauer

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Название Franz spricht
Автор произведения Elisabeth Hauer
Жанр Современная зарубежная литература
Серия
Издательство Современная зарубежная литература
Год выпуска 0
isbn 9783990400289



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hatte sie gesagt. Heinz würde sein Studium aufgeben.

      Und wie stellst du dir euer Leben vor, fragte der Vater dann, wie werdet ihr leben, und wovon.

      Vorläufig wie bisher. Wir haben alles berechnet, sagte Miriam, ich habe einen Job, auch ohne Studium, damit kommen wir aus. Bis Heinz was gefunden hat, irgendwas, bis er sich selbstständig machen kann.

      Der Vater blieb stehen, drehte sich zu Miriam um. Selbstständig, sagte er, das soll wohl ein Witz sein. Ich werde es nicht erlauben, dass ihr heiratet. Unter diesen Umständen.

      Ob du es erlaubst oder nicht, ist mir gleichgültig, sagte Miriam. Das ist nicht dein Ernst, sagte der Vater. Wenn du deine Situation nicht erkennst, dann überleg ich mir, ob ich dir den Geldbetrag geben soll, den ich anlässlich deiner Heirat vorgesehen hatte. Behalt ihn dir, sagte Miriam, ich habe nie damit gerechnet. Dieser Leichtsinn, sage der Vater, unglaublich. Heinz hatte schon eine Reihe von Prüfungen absolviert.

      Was er weiß, nimmt ihm niemand weg, antwortete Miriam und drehte sich zu ihrer Mutter um. Was hast du, Mama? Du sagst ja nichts.

      Was soll ich sagen? Was ich auch sage, es ändert nichts.

      Miriam fuhr nach Hause. Sie hatte kein Auto, die Fahrt mit der Straßenbahn dauerte lang. Sie hatte auch keine Wohnung, nur ein Zimmer, das allerdings war groß. Es war Küche, Schlaf- und Wohnraum, dort wohnte auch Heinz. Seit langem schon. Die Heirat würde an ihrem Leben nichts ändern. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Heinz kaum Geld verdient, manchmal hatte er einen Ferienjob, manchmal half er irgendwo aus. Miriam hatte es nicht leicht mit ihm. Seine Stimmungen wechselten rasch. Oft war er fröhlich, fast übermütig, dann kam wieder eine Periode der Niedergeschlagenheit, der Traurigkeit.

      Nicht immer wurde Miriam damit fertig. Dann trat eine Zeit des Schweigens zwischen ihnen ein, die oft so unvermutet endete, wie sie begonnen hatte. Aber nie hatte sie daran gedacht, sich von ihm zu trennen. Wenn er wegging, hatte sie oft Angst, er könnte nicht wieder kommen. Dass sie heiraten sollten, war seine Idee gewesen, plötzlich hatte er sie gehabt, war wie besessen davon. Wenn er es unbedingt will, dann soll es so sein, hatte Miriam gedacht. Dass er dann ruhiger, ausgeglichener werden könnte war ihre Hoffnung.

      Die Hochzeit fand nur im Standesamt statt. Heinz hatte keine Eltern mehr. Von Miriams Familie kamen nur die nächsten Verwandten. Es war ein kleiner Kreis, der sich nach der Trauung in einem Restaurant zusammenfand. Miriam hoffte, die Stimmung würde gut sein, sie war es, denn Heinz war bester Laune. Ihr Vater bemühte sich, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Ihre Mutter sah sehr hübsch aus, fast schön, sie war still wie immer.

      Wo ist Onkel Paul, hatte Miriam noch vor dem Standesamt gefragt. Er ist verhindert, hatte der Vater gesagt, unerwartet verhindert. Das glaube ich nicht, hatte Miriam geantwortet.

      Eva hatte die Angewohnheit, sich manchmal, wenn es noch warm war, auf die Stufen zu setzen, die vom Garten hinauf zu ihrem Haus führten. In diesem späten Herbst hatte sie es nicht mehr getan. Das Wetter war meistens kühl, manchmal feucht, oft ging der Wind. Eva achtete streng auf ihre Gesundheit, vor allem, weil sie allein lebte. Die Angst vor einer plötzlichen Krankheit, vor einem Sturz, einer Verletzung saß tief in ihr. Niemand würde da sein um ihr zu helfen, um rasch einen Arzt zu rufen. Telefon, Handy, E-Mail, vielleicht könnte sie keines dieser Hilfsmittel erreichen. Manchmal träumte sie nachts von einer solchen Situation, sie lag dann lang wach und versuchte diese Angst zu vertreiben. Sie sagte sich vor, sie sei eine starke Frau, starke Frauen würden mit fast jeder Situation fertig werden. Dass in dieser Überzeugung eine Lüge steckte, war ihr bewusst. Den Gedanken an einen Einbruch schob sie stets zur Seite. Das durfte einfach nicht passieren.

      Der Tag war ungewöhnlich warm. Eva holte eine Decke und breitete sie auf die Stufen. Sie trug eine dicke Wolljacke, sie wandte sich der Sonne zu und schloss die Augen.

      Noch roch der Herbst nicht nach Moder. Noch gab es diese eigenartige Stille, da man glaubt, den Fall jedes einzelnen Blattes zu hören. Die Tür zum Haus war offen. Ein später Vormittag.

      In ihrer schläfrigen Hingabe an die Sonne fiel ihr das leise Quietschen des Gartentores nicht auf. Aber die Schritte hörte sie, leise, vorsichtig. Paul, sagte sie, noch immer ein wenig benommen. So war Paul stets gekommen, mit leisem Anschleichen, um sie zu überraschen, was ihm nie gelang, was er aber nicht aufgeben wollte. Plötzlich wurde ihr klar, Paul konnte es nicht sein. Mit einem Ruck stand sie auf, die Decke hinter ihr fiel zu Boden. Der hereinkam war ein älterer, als er näher kam ein alter Mann. Mit halb erhobenen Armen deutete er ihr, sie möge sich nicht fürchten. Sein Lächeln war schüchtern, wie eingefroren. Eva riss sich zusammen. Wer sind Sie, was wollen Sie, fragte sie. Du kennst mich nicht mehr, sagte er, fast habe ich es befürchtet. Nein, ihn hatte sie nicht erkannt. Aber seine Stimme war ihr vertraut. Noch immer. Was willst du, fragte sie voller Abwehr. Reden, nur mit dir reden, antwortete er. Darf ich dein Haus betreten?

      Sie wusste, sie musste es ihm erlauben. Zu eng war ihre Beziehung gewesen, zuviel war geschehen, damals. Die Erinnerung daran hatte sie weggesteckt in den letzten Winkel ihres Denkens. Nie während ihrer beiden Ehen, nie auch während der Freundschaft mit Heinz K. hatte sie an diesen Mann gedacht. Nun war er da. Nach unendlich vielen Jahren. Komm, sagte sie und deutete auf die Tür. Er folgte ihr, langsam, den Kopf gesenkt.

      Du hast Georges vergessen, sagte er, als sie im Haus waren. Ganz vergessen, nicht wahr?

      Ja, antwortete Eva, ich habe dich vergessen.

      Er sah sich um. Schön hast du es hier, sagte er. Eva gab keine Antwort.

      Georges ging zum Flügel, schlug ein paar Tasten an. Du spielst, fragte er.

      Nicht mehr, antwortete Eva. Setz dich, fuhr sie fort, und sag was du willst.

      Georges suchte den bequemsten Stuhl und ließ sich seufzend hineinfallen. Einfach dich sehen, nach so langer Zeit, sagte er. Du lügst, erwiderte Eva. Woher hast du meine Adresse.

      Zufällig erfahren, sagte Georges. Ja, solche Zufälle gibt es eben im Leben.

      Gut, du willst es nicht sagen. Ist egal. Aber ich möchte jetzt rasch, ganz rasch wissen, was du von mir willst.

      Georges rückte den schlechten Knoten seiner Krawatte zurecht, beugte sich leicht vor.

      Eva, sagte er, du stehst in meiner Schuld.

      Nein, sagte Eva. Keine Schuld mehr. Viel zu viel Zeit ist vergangen.

      Du kannst mich erpressen, kannst Gründe suchen um mich zu bedrohen. Es wird dir nichts nützen.

      Du hast dich nicht verändert, sagte Georges. Er stand auf, ging im Raum umher, sah alles an. Prüfend hing sein Blick an Kunstgegenständen, an Teppichen und Porzellan, verlor sich in den Kristallbehängen des Lusters. Ein tüchtiger Mann, sagte er und meinte Paul, der Letzte, dieser Heinz K. soll ja auch vermögend gewesen sein. Nur Einer, der brachte gar nichts mit und ging mit nichts wieder fort. Ich habe ihn übrigens getroffen. Zufällig. Er hat mir viel erzählt. Geht ihm übrigens nicht besonders gut. Könnte da nicht irgendwas schief gegangen sein?

      Lüg nicht, sagte Eva. Du kennst ihn ja gar nicht.

      Also gut, sagte Georges, ich will dir nichts vormachen. Ich kenne ihn nicht. Nicht persönlich. Aber seine Geschichte kenne ich.

      Verschwinde Georges, verschwinde, sagte Eva, was willst du schon wissen. Da, da hast du, fuhr sie fort und gab ihm ein paar Geldscheine. Kauf dir dafür einen neuen Mantel. Früher warst du ziemlich elegant, jetzt schaust du aus wie ein Strotter. Du gehst jetzt, ich verlange es.

      Georges sah sich noch einmal um, dann ging er langsam zur Tür. Die Geldscheine hielt er in einer Hand, mit der anderen winkte er zu Eva hin, gleichgültig, lässig.

      Franz, dachte Eva, immer wieder Franz. Komm ich denn nie mehr von ihm los?

      Nicht immer war der Sonntag für Dagmar frei. Manchmal kam auch an diesem Tag eine Mutter, das Kind an der Hand und bat, es bei ihr lassen zu dürfen. Ein Geschwister sei erkrankt, ihrer eigenen Mutter gehe es schlecht, sie selbst sei erschöpft. Mit dem Vater des Kindes müsse sie eine wichtige Sache erledigen, ihr Freund käme, den das Kind störe, der Maler sei da gewesen, sie müsse die