Dr Crime und die Meister der bösen Träume. Lucas Bahl

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Название Dr Crime und die Meister der bösen Träume
Автор произведения Lucas Bahl
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783964260161



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ihn erschießen können, bevor er seine Waffe überhaupt zu fassen bekam. Doch meine Hush Puppy, die bereits bei Mr. X und seinen Freunden zum Einsatz gekommen war, gab nur ein trockenes Klicken von sich. Ladehemmung. Wahrscheinlich wegen des Sandstaubs, den Calima gerade so großzügig über Lanzarote verteilte und der Luft und Lungen gleichermaßen verstopfte. Seit diesem verfluchten Tag zweifle ich an der Zuverlässigkeit dieser Pistole und habe sie auch nie wieder benutzt. Fatal war, dass sie davor noch kein einziges Mal versagt hatte. Von anderen Nutzern wird sie bis heute über den grünen Klee gelobt. Aber selbst ein Mercedes bleibt mal liegen.

      So hatte ich zwar irgendwie in den unbewussten Tiefen meines Gehirns befürchtet, dass wir uns hier begegnen würden, nachdem wir bereits zuvor nahezu zeitgleich unsere mörderischen Aufträge erledigt hatten, aber dass meine Waffe in diesem Moment versagen würde, damit rechnete ich nicht.

      Inzwischen hielt Roberto eine Colt Python in der Hand. Er hatte sie aus seiner Tragetasche, in der auch sein Geld verstaut war, hervor genestelt, bevor ich imstande gewesen wäre, noch einmal durchzuladen. Kein Wunder, dass er eine so schwere Waffe nicht am Körper trug, die, um bei den Autovergleichen zu bleiben, der Rolls Royce unter den Revolvern ist. Robertos Eitelkeit zeigte sich auch in solchen Details.

      „Weg mit dem Ding!“, sagte er und deutete mit einer kleinen Bewegung auf die Smith & Wesson, die ich daraufhin langsam auf den Boden legte.

      „Sehr praktisch, dass wir uns hier und jetzt begegnen“, nuschelte er. Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen. „Es hieß doch, dass eine scharfe Braut meinen Auftraggeber umgelegt hat?“

      Ich sah ihm an, dass er kurz überlegte, ob ich alleine war. Doch bevor ich mir etwas ausdenken konnte, um diesen Moment der Unsicherheit zu meinen Gunsten auszunutzen, zuckte er mit den Schultern.

      „Du warst es. Schade. Bliebe uns mehr Zeit füreinander, hätte ich dich gerne in diesem Fummel gesehen. Aber wahrscheinlich hast du das Zeug ohnehin längst beseitigt.“ Womit er Recht hatte.

      „Ein Wunder, dass es dir überhaupt gelungen ist, mit diesem Spielzeug deinen Auftrag zu erledigen.“ Damit meinte er die Mk22, die nun außerhalb meiner Reichweite auf dem vulkanischen Geröll lag.

      „Ich wette, es war die kleine Schlampe, die dich engagiert hat.“

      Ich nickte.

      Was würde es jetzt noch bringen, das Offensichtliche zu leugnen? Und tatsächlich kam Roberto ohne Umschweife zur Sache.

      „Du wirst mir sagen, wo du dein Geld hast. Und danach“, er machte eine kunstvolle Pause, „lasse ich dich vielleicht laufen.“ Wir wussten beide, dass das eine Lüge war. Eine lausige Lüge.

      „Wenn du dann überhaupt noch laufen kannst“, fügte er hinzu. Seine Augen blitzten vor Vergnügen. Er freute sich über seine geistreiche Bemerkung. Überhaupt schien ihm so einiges Spaß zu machen: die Situation an sich und die Freude an der Arbeit, die auf ihn wartete.

      Ich wusste, er würde mich nach allen Regeln der Kunst foltern, um zu erfahren, wo ich mein Geld versteckt hatte.

      Selbst ausgewiesene Masochisten halten Schmerzen, die einem ein Profi zufügt, nur schwer aus. Doch ich bin kein Masochist, bin es nie gewesen. Wenn der Profi darüber hinaus das Opfer mit Enthusiasmus und Begeisterung quält, wird die Tortur um ein Vielfaches unerträglicher, weil dann nämlich auch noch Fantasie und Einfallsreichtum ins Spiel kommen.

      „Leg dich hin! Auf den Bauch!“

      Ich tat, was er befahl und drehte mein Gesicht auf dem scharfkantigen Gestein nach rechts. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er mit seinem Knie meinen rechten Arm auf den Boden presste. Das andere Knie bohrte sich in meine Lendenwirbelknochen. Ich stöhnte.

      „Hab‘ gesehen, du bist Linkshänder …“

      Ich spürte, wie er meinen linken Arm packte und ebenfalls mit aller Kraft auf den Boden drückte. Als plötzlich ein wahrhaft unerträglicher Schmerz in meinem Handgelenk explodierte, hatte ich zwar damit gerechnet, dass er irgendetwas mit dieser Hand vorhatte, aber was er tat, konnte ich nicht sehen. Trotz seiner Worte geschah das ohne jede Vorwarnung. Denn ich hatte mir bis zu diesem Moment nicht vorstellen können, dass es möglich war, an einer einzelnen Stelle des menschlichen Körpers, die zudem als nicht gerade übermäßig empfindlich gilt, einen derart qualvollen Schmerz auszulösen.

      Ich schrie.

      Natürlich schrie ich. Was tut der Mensch sonst, wenn er detonationsartig von Schmerzen überflutet wird? Außer er verliert das Bewusstsein. Doch dieses Glück hatte ich nicht. Roberto stopfte mir ebenso lässig wie schnell einen öligen Lederlappen zwischen meine weit aufgerissenen Kiefer.

      Noch hatte ich keine Ahnung, was er meiner Hand tatsächlich angetan hatte, denn seit er mich mit den Knien auf dem schwarzen Vulkanschotter fixierte, war ich nicht einmal mehr in der Lage, meinen Kopf zur anderen Seite zu drehen. Doch der Schmerz zeigte mir in aller Deutlichkeit, dass ich wohl auf absehbare Zeit meine linke Hand kaum noch würde benutzen können.

      Das war auch Roberto klar, denn er ließ meinen Arm los und wandte sich nach rechts. Sein Knie, das sich nach wie vor in meine Wirbelsäule bohrte, fühlte sich an, als wolle er mit ihm ganz langsam mein Rückgrat zermalmen. Doch das war wohl nur ein Nebeneffekt. Er beugte sich so weit zu mir herunter, dass ich seine Haare an meiner Wange spürte.

      „Sicher ist sicher“, flüsterte er in mein Ohr und stopfte den Lappen, den ich in meinem Schmerz wieder herausgeschrien und gespien hatte, zurück in meinen Mund. Ich sollte rasch begreifen, was er damit meinte.

      Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass er mit der anderen Hand meine Hush Puppy vorne am Schalldämpfer gepackt hielt. Ich hatte nicht mitbekommen, dass er sie überhaupt aufgehoben hatte. Wahrscheinlich kniete er da schon auf mir. Jetzt packte er meinen rechten Arm und nahezu gleichzeitig schlug er mit der Waffe auch auf das rechte Handgelenk. Der gleiche explosionsartige Schmerz durchzuckte mich und hätte ich nicht mitbekommen, dass er von den zertrümmerten Knochen meines Handgelenks ausging, ich hätte ihn nicht mehr lokalisieren können. In Schüben schoss dieser unerträgliche Schmerz durch meinen Körper, als hätte mir Roberto Elektroden mit Hochspannung angelegt.

      Man sollte weder Pistolen noch Revolver als Hammer zweckentfremden, auch wenn einem billige Western oft etwas anderes vormachten.. Ich würde nach so einer Aktion keine Garantie mehr für einen Lauf übernehmen, noch dazu wenn ein Schalldämpfer aufgeschraubt war. Klar, Feuerwaffen müssen äußerst robust sein. Trotzdem kann die Präzision eines Instruments nach einem derartigen Schlag leiden. Selbst die Präzision eines Instruments, das konstruiert wurde, um höchste Belastungen auszuhalten. Doch es ist ein Unterschied, ob die Belastung im Abfeuern einer 9 mm Parabellum-Patrone mit einer Austrittsgeschwindigkeit von rund 270 Metern pro Sekunde besteht, mithin sich die Kraft entfaltet, für die die Konstruktion vorgesehen ist, oder ob die Belastung durch einen seitlich geführten Schlag verursacht wurde, der sich nicht nur auf meine ossa carpi, sondern auch auf die Verbindung zwischen Lauf und Schalldämpfer auswirkte.

      Durch einen roten Schleier, der eindeutig nicht auf den Calima zurückging, sah ich jedoch zu meinem schmerzbetäubtem Erstaunen, dass sich die Waffe, wenn überhaupt, dann nur im nicht sichtbaren Bereich verbogen hatte. Es klingt absurd, aber mir flatterte trotz meiner Wut über das Versagen der Hush Puppy so etwas wie ein Funken Bewunderung für die Wertarbeit der amerikanischen Waffenschmiede durch den Kopf, wodurch vor allem eins deutlich wird: Mein Verstand hatte im Taumel aus Schmerz und Angst aufgehört, zuverlässig zu arbeiten.

      Tatsächlich blieb mir kaum Zeit, um Atem zu holen. Roberto sprang hoch und zog mich ebenfalls mit einem gewaltigen Ruck auf die Beine. Längst hatte er sich die Python lässig wie ein Freibeuter vorne zwischen Gürtel und Bauch gesteckt. Er hatte sein erstes Ziel erreicht. Jetzt konnte ich mit meinen Händen nicht mehr viel anstellen. Weder ihm den Colt aus dem Bund ziehen noch in der Nase bohren. Nun sah ich auch, dass die Schnittwunden in meinen Handflächen, die sich gerade erst oberflächlich geschlossen hatten, wieder aufgerissen waren. Und zwar weiter und tiefer als zuvor. Das Blut tropfte mit einer Stetigkeit zu Boden wie Leitungswasser aus einem schlecht zugedrehten Hahn.

      Roberto dirigierte mich