Dr Crime und die Meister der bösen Träume. Lucas Bahl

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Название Dr Crime und die Meister der bösen Träume
Автор произведения Lucas Bahl
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783964260161



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sorgen, das so plötzlich halbierte Honorar in Sicherheit zu bringen, an einen Ort, wo es zugleich sicher und zu gegebener Zeit leicht wiederzufinden war, also keine Gefahr bestand, dass jemand anderes zufällig darüber stolpern würde. Viel Bargeld im Handgepäck ist ein Risiko, das niemand in solchen Situationen gerne eingeht.

      Plätze, um derartige Schätze zu verstecken, gibt es auf Lanzarote zur Genüge. Der beste aber war damals jene weitläufige Felslandschaft am Fuß der Montañas del Fuego. Heute gehört diese Gegend zum Timanfaya-Nationalpark, eines der beeindruckendsten Vulkangebiete der Welt.

      Durch die mit zahllosen, zum Teil haushohen schwarzen Lava-brocken übersäte, viele Quadratkilometer große Ebene führen nur eine Handvoll kaum begeh- und noch viel weniger befahrbare Pfade, die sich schnell im Labyrinth der gewaltigen Felsen verlieren. Knirschendes, spitzes und messerscharfes Gestein unter den Sohlen macht jeden Schritt zum Abenteuer.

      Eine Welt schwarz in schwarz.

      Ganz nach meinem Geschmack.

       Neben der Frage, ob das wirklich eine gute Gegend ist, um Geld zu verstecken, bleibt sehr viel Wichtigeres offen: Ist Roberto noch auf der Insel? Wird die nächste Folge wenigstens darauf eine Antwort bereithalten?

      FOLGE 4

      WAS BISHER GESCHAH

       Dr Crıme sucht ein Versteck für sein Geld,

       während Leons Auftauchen auf dieser Welt und in

       dieser Geschichte noch in ferner Zukunft liegt …

      Eine Welt schwarz in schwarz.

      Ganz nach meinem Geschmack.

      Reizvoll und heikel zugleich waren die Kamine und Schlote, die unvermittelt vor einem im Boden auftauchten, so als wären sie gerade eben noch nicht da gewesen. Sie klafften natürlich schon seit langem dort, waren aber wegen der ringsum vorherrschenden Schwärze manchmal erst zu sehen, wenn man direkt vor ihnen stand. Ich spreche hier nicht von dunklen Neumondnächten, in denen ein Ausflug in dieses Gebiet nur für Selbstmörder reizvoll gewesen wäre, sondern von jenem hellen, sonnendurchfluteten Tag, als ich vor der Erledigung meines Auftrags dieses Gelände zum ersten Mal erkundet hatte. Schließlich war ich auf Lanzarote vor allem Tourist. Ein ehrgeiziger Tourist, der die Stätte seiner Erholung besser kennenlernen wollte als mancher Einheimische.

      Jedenfalls waren diese heimtückischen Löcher senkrecht in unergründliche Tiefen reichende Schächte von ein bis zwei Metern Durchmesser, durch die einst kochendes Magma an die Oberfläche gepumpt worden war. Und die den Eindruck erweckten, genau dies in jedem Moment wieder tun zu können.

      Heute kommt man als Urlauber nicht mehr so leicht in dieses lebensfeindliche und nicht ganz ungefährliche Areal. Damals aber kümmerte es niemanden, wenn sich turistas necios, idiotische Urlauber, in der vulkanischen Trümmerwüste verirrten. Es trauten sich ohnehin nur die wenigsten dort hinein. Zu abweisend und unzugänglich ist dieses Gebiet, das schon von außen vor allem eines verspricht: Das monotone Grauen einer schwarzen Wüste, die dem Lebensmüden nach wenigen Schritten lediglich dann verrät, aus welcher Richtung er gekommen ist und wohin er zurück muss, wenn er sich den Stand der Sonne gemerkt hat.

      Doch nicht einmal die schien an diesem Tag, als ich hierhin zurückkam, um ein Depot zu eröffnen.

      Ein-, zweimal im Jahr erfährt Lanzarote ein Wetterphänomen, durch das das übliche, regenarme, mild-sonnige, von beständigen Brisen durchwehte Atlantikklima von einem Vorgeschmack auf die Hölle abgelöst wird. Normalerweise wird es selbst im Hochsommer kaum wärmer als 27 Grad, während im Winter die Temperaturen um 17 Grad Celsius betragen. Heute jedoch hatte der Calima für eine Hitzewelle von 40 Grad und mehr gesorgt und zudem einen rot-braunen Vorhang über die Welt gezogen. Ich konnte kaum hundert Meter weit sehen. Die Sahara-Staub-Aerosole schluckten nicht nur die Sicht, sondern auch die Geräusche. Kurz – es herrschten die idealen Bedingungen, um im vulkanischen Labyrinth jenes Geld zu verstecken, das als Teilzahlung für meinen Mord an Mr. X geflossen war.

      Direkt neben der Straße, wo ich meinen Wagen am Rand zwischen zwei wuchtigen tonnenschweren Felsbrocken geparkt hatte, die mir als Wegmarken dienten, begann ein kurzer Stichweg, der etwa hundert Meter mitten in das Gelände hineinführte und dann abrupt inmitten der Ödnis vor einer gewaltigen, drei bis vier Meter hohen vulkanischen Trümmerwand endete. Schon vorher waren schmale, kaum als Wege zu bezeichnende Pfade rechts und links abgegangen. Ich wählte einen von ihnen und merkte mir genau, wo ich den Hauptweg verlassen hatte. Auch an klaren hellen Tagen wäre ich nun vor fremden Blicken geschützt. Ich schob die Tasche mit dem Geld in einen Felsspalt und wuchtete einen scharfkantigen, knapp einen halben Meter hohen Felsbrocken davor, an dem ich mir die Handflächen aufschnitt. Die Arbeitshandschuhe, die ich mir extra für solche Aufgaben besorgt hatte, lagen im Wagen. Ich entschuldigte meine Vergesslichkeit mit Hitze und Staub. Damit zufällige Blicke eines hier Vorbeikommenden, so unwahrscheinlich das auch war, nichts anderes als tiefschwarzes Geröll wahrnehmen würden, deckte ich das Versteck auch von oben sorgfältig ab. Ich starrte darauf und prägte mir die unmittelbare Umgebung gründlich ein.

      Es hat etwas zutiefst Meditatives, das Besondere im Einerlei aufzuspüren. Jene Merkmale zu fassen zu bekommen, die mir später verraten würden, wo ich mein Geld verborgen hatte. Dazu braucht man kein fotografisches Gedächtnis, sondern nur die Liebe zum Detail.

      Statt direkt zum Auto zurückzukehren, was bei dieser Hitze und dem feinen Staub in der Luft ohne Frage das Vernünftigste gewesen wäre, bog ich vom Hauptweg in andere Pfade ein. Der Grund dafür lag in einer Art touristischer Neugierde. Ich war von dieser überwältigenden Umgebung in einer Weise fasziniert, die nur mit der Faszination eines Raumfahrers vergleichbar ist, der auf dem Mond oder künftig einmal auf der unwirtlichen Oberfläche eines fremden Planeten der solch abweisenden Orten innewohnenden Monotonie verfällt, ohne klar benennen zu können, worin genau das Momentum besteht, das ihn an diese Landschaft fesselt. Mit kalter Objektivität betrachtet, mag es kaum etwas Langweiligeres geben. Doch es scheint mir gerade diese Langeweile zu sein, die das Zwingende ausstrahlt, das all die Liebhaber dieser schroffen, abweisenden Schönheiten veranlasst, sich an sie zu verlieren. Vielleicht war es die Gleichförmigkeit, die letztlich die meisten Wüsten auszeichnet. Hier herrschte eine extreme, lebensabstoßende Einfachheit, hier war die Existenz auf nichts anderes als eben da zu sein reduziert. Hier verfolgte außer mir, dem Eindringling, nichts und niemand einen Sinn und Zweck außer der Abwehr der völligen Leere, die aber – das meinte ich deutlich zu spüren – nur einen Hauch weit entfernt war.

      Wahrscheinlich kommen all jene von uns, die die eigentümliche Dissonanz bei sich zulassen, die aus einerseits Eintönigkeit und andererseits Anspannung angesichts unterschwellig lauernder Gefahr besteht, niemals sonst mitten im Leben dem Tod so nah wie in einer solchen Umgebung.

      Es ist ein Vorgeschmack auf das Endgültige, das im Widerspruch zu den flatterhaften Launen des Lebens steht, wobei wir die verletzliche Energie des Lebens in diesen Augenblicken besonders intensiv spüren.

      Nirgendwo sonst verschmilzt die kleine Welt, in der sich unser Dasein abspult, so sehr mit der endlosen Wüstenei des Universums wie dort, wo die Grenzen zwischen Himmel und Hier ununterscheidbar werden. Sei es, dass der Horizont in der Weite verschwindet, sei es, dass der gewohnte atmosphärische Kokon sich auflöst und uns in eine Wolke aus Sand, Staub und Hitze stößt, während die wenigen Meter, die wir sehen können, nichts als die pure Abstraktion jener Farbe liefert, die sich alle anderen Farben einverleibt hat, nicht willens, sie je wieder frei zu geben.

      Von C. G. Jung stammt die Theorie der Synchronizität. 1974 hatte ich diesen Begriff zwar schon irgendwo einmal aufgeschnappt, aber ich hatte keine Ahnung, was damit gemeint sein könnte. Doch selbst, wenn ich es gewusst hätte, wäre ich wahrscheinlich kaum auf die Idee gekommen, meine eigene Situation unter dem Licht dieser Idee zu betrachten.

      So kam es, dass Roberto zwar ähnlich dachte wie ich und er die Umsetzung seiner Überlegungen zur selben Zeit verfolgte wie ich, aber dennoch leicht im Nachteil war, weil mich – C. G. Jung hin oder her – mein Instinkt warnte und deshalb zwang, unbewusst mit