Ordo Templi Magica. Karin Bachmann

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Название Ordo Templi Magica
Автор произведения Karin Bachmann
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783957446107



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es sich um einen Orden oder eher um eine Sekte handelte, doch auch hier gab es zahlreiche keltische Symbole und viele magische Zeichen.

      Jedenfalls gab es in dieser Sekte eine Rangordnung wie in einem Orden. Zuerst kam der Großmeister, ihm folgte der Großkontur, dann der Großmarschall.

      Die heidnisch-religiöse Magie arbeitet vorrangig mit der These: Es ist mein Wille, wenn es dein (oder Gottes) Wille ist. Der Großmeister, oder der Magier, ist ein Vertreter, der versucht, die Interessen seiner Mitmenschen als Bittender zu vertreten und häufig auch als Heiler zu praktizieren. Meistens wurde mit magischen Techniken gearbeitet, das hieß, das normale Bewusstsein und das rationale Denken wurde durch mentale Techniken vorrübergehend vernichtet. In der dadurch entstandenen Bewusstseinsleere wird so der Zugang zu einer anderen Existenzebene geschaffen.

      Durch Trancezustände oder meditative Zustände, welche in die persönliche Identifikation eingreifen, erreichten die Magier psychologisch die Beherrschung ihrer Ordensbrüder oder auch ihrer Anvertrauten.

      Das diente oft nur dazu, die eigene, innere Existenz neu zu gestalten, aber natürlich auch, um unkontrollierte gesellschaftliche Macht anzustreben, wie es oft bei Sekten der Fall war. Die Freiheit von Individuen wurde durch Einschränkung der Meinungsfreiheit, Bewegungsfreiheit, wirtschaftlicher Ausbeutung der Mitglieder und auch durch sexuellen Missbrauch beschnitten. Durch Kulte und Rituale bewegte sich alles um die eine Person, die des Führers oder des Großmeisters, oftmals auch durch grenzenlose Verehrung.

      Die Durchsetzung der Ziele allerdings wurde durch harte Milieukontrolle in der Umgebung der Mitglieder erreicht, unter anderem durch mystische Manipulationen, Fasten, Schlafentzug oder auch Forderung nach Reinheit. Das Mittel zur Leugnung der Existenzberechtigung anderer war natürlich ideal, um, wie in einem Horoskop, alles so zu drehen, wie der Führer es gerade brauchte. Wer die Wahrheit der Sekte nicht erkannt hatte, zählte nicht, und hatte somit keine Existenzberechtigung.

      Durch Bekennung von Sünden vor der Gemeinschaft, hatte der Großmeister seine Gruppe vollkommen in der Hand.

      Paul wusste all dies theoretisch, er wusste auch, wie gefährlich es werden würde in diese Sekte hineinzugelangen. Aber wenn es keine andere Möglichkeit gab, würde er es versuchen.

       Kapitel 5

      Grauenvolle Minuten lang wehrte sich das Mädchen, bis es kraftlos zusammensackte. Eiskaltes Wasser berührte ihren am Boden liegenden, nackten Körper und sie schrie auf. Der Wasserstrahl war hart und sie kauerte sich in Embryohaltung zusammen, versuchte sich zu schützen, indem sie die Arme um ihren Körper schlang. Doch der Strahl hatte kein Erbarmen.

      Paul hatte inzwischen eine große Kanne mit Kaffee geleert und schleppte sich mehr schlecht als recht in die Universität. Er war schon sehr spät dran und deswegen war er nicht erst in das Lehrerzimmer gegangen, sondern gleich in den Hörsaal. Hier standen fast alle Studenten in einem Pulk zusammen und hatten sehr ernste Gesichter. Was war denn nun schon wieder passiert? Paul trat hinter sein Pult und setzte seine helle Ledertasche ab, als die Studenten ihn gleich umringten.

      „Haben Sie es schon gehört? Es fehlt schon wieder ein Mädchen!“, sagte Tim, ein schwarzhaariger, aufgeweckter Junge.

      „Nein!“, Paul zögerte, „wisst ihr mehr darüber?“

      „Gabi aus der Parallelklasse ist verschwunden!“

      „Sie wollte zu Ursels Geburtstagsparty kommen und ist nicht aufgetaucht!“

      „Vorgestern war ich noch mit ihr zusammen!“

      Alle sprachen durcheinander. Paul musste erst mal wieder Ruhe in die Klasse bringen und bat: „Nehmt doch bitte eure Plätze ein!“

      Nach einigen Minuten räusperte sich Paul und sagte: „Es ist wirklich sehr schlimm, was hier im Moment passiert!“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort.

      „Für die Mädchen unter euch ist es sicher auch enorm schwierig, ich empfehle euch, geht nirgends alleine hin, sucht euch immer eine Begleitung! Ich will euch keine Angst machen, aber mir scheint, es ist das Beste, vorsichtig zu sein! Möchte noch jemand etwas dazu sagen?“ Paul schaute sich im Hörsaal um, die meisten schauten betroffen, doch es meldete sich niemand mehr. Paul seufzte.

      „Nun, dann wollen wir versuchen, uns auf den Unterricht zu konzentrieren! Wir machen bei den Ausgrabungen in Ägypten weiter …“

      Am späten Nachmittag, Paul hatte gerade einige Klausuren korrigiert, klingelte es an seiner Tür. Es war Kommissar Bruckner, er bat um ein Gespräch. Paul führte ihn ins Wohnzimmer und bot dem Kommissar etwas zu trinken an, was dieser dankend annahm. Der Kommissar schaute sich in Pauls Wohnzimmer um und fühlte sich gleich wohl. Die gemütliche Couch lud mit den bunten Kissen zum Faulenzen ein, und die helle Wohnzimmerwand aus Buchenholz war mehrfach unterbrochen durch Regale, die das Ganze auflockerten. Überall waren Bücher verstreut, nicht wenige standen in den Regalen und lagen in mehreren Stapeln auf dem Tisch. „Setzten Sie sich doch, Herr Bruckner!“, bat Paul. Der Kommissar legte seinen Mantel über die Lehne eines Sessels und setzte sich seufzend.

      „Was führt Sie zu mir?“, fragte Paul neugierig.

      „Leider keine angenehme Aufgabe!“, sagte der Kommissar.

      „Viel lieber würde ich mich privat mit Ihnen unterhalten und dabei ein schönes Bierchen trinken, aber nun ist wieder ein Mädchen verschwunden. Sie haben es sicher schon gehört?!“ Paul nickte.

      „Ja, ich habe es von den Studenten gehört. Die Mädchen haben inzwischen alle Angst aus dem Haus zu gehen, was ich gut verstehen kann. Viele von ihnen leben in Studentenwohnheimen und sind weit weg von ihrem zu Hause, andere haben das Glück, bei ihren Eltern zu wohnen, aber die Angst geht um. Ich habe den Mädchen empfohlen nirgendwo alleine hinzugehen.“ Der Kommissar nickte bedächtig.

      „Ist wohl eine gute, erste Sicherheitsmaßnahme, aber auf Dauer kann es natürlich nicht so weitergehen. Der eigentliche Grund meines Hierseins ist sehr ernster Natur. Sie sagten mir, dass Sie sich in den Orden einschleusen würden, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gäbe?“ Paul nickte bestätigend.

      „Ich vermute, dass die vermissten Mädchen in engem Zusammenhang mit dem Orden stehen, in dem auch Andrea fast umgekommen wäre. Und Sie, als Archäologe und Geschichtslehrer, haben den besten Durchblick, was die Rituale und das Drumherum betrifft. Sie können meinen Vorschlag natürlich ablehnen, das ist Ihr gutes Recht, doch ich möchte Sie bitten uns und den Mädchen zu helfen.“

      Paul nahm einen großen Schluck Mineralwasser aus seinem Glas und seufzte.

      „Ich sehe auch keine andere Möglichkeit, und ich vermute genauso wie Sie, dass die Mädchen durch die Organisation des Ordens verschwinden.“

      „Bedenken Sie alles in Ruhe, Sie wissen, in welche Gefahr Sie sich begeben! Auch würden Sie Ihren Unterricht sicherlich einige Zeit vernachlässigen müssen. Ich möchte jedoch niemanden einweihen, vor allem nicht die Schulleitung. Es ist schon so schwer genug, dass nichts davon an die Presse kommt.“

      „Ja, da haben Sie recht, je weniger davon bekannt wird, desto einfacher werden die Nachforschungen sein!“, antwortete Paul.

      „Wenn Sie sich dafür entscheiden“, fuhr der Kommissar fort, „sollten Sie bedenken, dass Sie ganz alleine auf sich gestellt sind. Sie werden kaum eine Möglichkeit finden, um mit mir in Kontakt zu treten. Wir vermuten, dass einige Mitglieder des Ordens in der Universität ihre Spitzel haben, oder sogar im Hörsaal sitzen, um die einzelnen Mädchen auszukundschaften. Deswegen dürfen wir niemandem vertrauen! Ich gebe Ihnen bis morgen Bedenkzeit!“

      Paul wollte schon spontan Zusagen, doch der Kommissar war schon aufgestanden und ging an die Tür. Er winkte ab und sagte nur:

      „Morgen komme ich wieder vorbei!“

      Dann war er auch schon verschwunden.

      Paul verbrachte eine weitere schlaflose Nacht, er erwog das Für und Wider. Doch im Grunde seines Forscherherzens war er schon mitten in der Planung.