Ordo Templi Magica. Karin Bachmann

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Название Ordo Templi Magica
Автор произведения Karin Bachmann
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783957446107



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Koloss kam er nicht vorbei, er musste sich etwas anderes überlegen.

      Für so ein unterirdisches Labyrinth war es nötig eine richtige Belüftung zu haben, also versuchte er sich die Gänge nochmals ins Gedächtnis zu rufen. Er ging eine Biegung zurück und da hörte er das Brummen eines Lüftungsschachtes. Er suchte den Lüftungsdeckel und nahm ihn aus seiner Verankerung. Der entstandene Durchlass war gerade groß genug um hineinzukriechen, was er dann auch tat. Er robbte einige Meter und kam an einen weiteren Lüftungsschlitz. Die Geräusche und der Gesang waren hier deutlich zu hören, er machte seine Taschenlampe aus, sah durch die Schlitze hindurch und erstarrte.

      Unter ihm war eine riesige Säulenhalle, ringsum waren die Säulen bestückt mit brennenden Fackeln. Einige in Stein gehauene Figuren standen in dafür vorgesehene Nischen und waren durch den Fackelschein gespenstisch beleuchtet. Genau in der Mitte des Raumes stand ein Steinaltar, und dieser war in eine Wolke aus Rauch gehüllt.

      Paul schluckte mehrmals und musste sich sehr zusammenreißen, denn er meinte, er wäre mitten im finsteren Mittelalter, die Geschichte selbst holte ihn ein. Er sah rings um den Altar maskierte Gestalten in schwarzen Roben. Ihre Augen konnte man hinter den Masken nur erahnen, nur dunkle Löcher starrten einen an. Er zählte die Personen, die kreisförmig um den Altar standen und kam auf die Zahl dreizehn.

      Die Dreizehn galt als eine magische Zahl und auch Masken wurden zu magischen und kultischen Zwecken benutzt.

      Die dreizehn Maskierten sangen monoton und durch die hohe Deckenwölbung hallten die Stimmen laut und ergreifend wider. Paul zog eine Gänsehaut über die Arme, als der Rauch sich langsam verzog und er auf dem Altar einen Menschen liegen sah. In verschiedenen Religionen wird der Rauch auch heute noch als Reinigungsritual angewandt.

      Doch dann gefror ihm das Blut in den Adern, als er erkannte, wer auf dem Altar lag. Es war Andrea, sie war nur noch ein Häufchen Haut und Knochen. Über ihrem Körper lag ein großes Tuch. Er konnte durch die Lüftungsschlitze nicht sehr viel mehr erkennen, doch er sah, dass Andreas Augen geschlossen waren. Nun trat ein Maskierter, vermutlich, wenn man von einem Orden ausging, der Großmeister zum Altar. Das Tuch wurde von Andreas Körper weggezogen und ihr Körper war völlig nackt. Dann nahm der Großmeister ein Schwert in die Hand, in der anderen hatte er einen lebenden Hahn. Andrea riss nun die Augen auf und auf ihrem Gesicht zeichnete sich Angst und Entsetzen ab. Ihre Augen waren riesig in ihrem hageren Gesicht und sie wollte sich aufsetzen, doch dazu fehlte ihr die Kraft. Nun traten vier Maskierte hinzu, jeder hielt eine Gliedmaße von Andrea, um sie festzuhalten. Der Großmeister ging nun dreimal um den Altar herum und murmelte Formeln und Beschwörungen. Plötzlich war es ganz still in der Säulenhalle und er schlug mit dem Schwert dem Hahn den Kopf ab. Das Blut spritzte er über Andreas Körper und Andreas Mund formte sich zu einem schrillen, entsetzlichen Schrei. Doch damit noch nicht genug, mit dem Schwert trennte der Großmeister eine Hahnenkralle ab und fuhr damit über Andreas Körper, er verteilte das Blut mit der Kralle.

      Paul wurde es schlecht, vor allem, weil er Andrea nicht helfen konnte. Gegen all die Personen hätte er nicht die geringste Chance. Andrea hörte nicht auf zu schreien, Paul sah nicht genau, was vor sich ging, denn der Rücken des Großmeisters verdeckte einen Teil von Andreas Körper. Ihre Schreie wurden immer leiser und endeten schließlich in einem Wimmern. Der Großmeister trat in den Kreis der Maskierten zurück und Paul konnte nun Andrea sehen und erstarrte. Der Großmeister war mit der Kralle in Andreas Haut gefahren und hatte darin herumgerissen. Paul hielt sich die Hand vor den Mund und unterdrückte mit großer Mühe einen Würgereiz. Er schloss die Augen um die Quälerei nicht mehr sehen zu müssen. Andrea lag leblos da, ihre Augen waren starr an die Decke gerichtet und ihre Gliedmaßen hingen seitlich herab. Er kniff die Augen zusammen um mehr zu erkennen, doch er hatte den Eindruck, dass Andreas Brustkorb sich nicht mehr hob und senkte. Hatte sie aufgehört zu atmen?

      Paul rutschte rückwärts aus dem Lüftungsschacht und montierte mit zitternden Fingern das Lüftungsgitter an seinen Platz. Er hörte vereinzelt Stimmen nahen und versuchte sich schnellstmöglich durch das Labyrinth zum Ausgang zu kämpfen. Die Steinmauer ging durch eine Lichtschranke automatisch auf, was sein Glück war, und er rannte nach draußen. Er bog um die Ecke der Kirchenmauer und erbrach sich jämmerlich. Dann atmete er einige Male tief durch und ging dann langsam zu seinem Auto.

      Noch einige Zeit beobachtete er den „Eingang“ dieser grauenvollen Stätte. Immer wieder sah er vereinzelt, noch immer Maskierte, den engen Durchgang benutzen und im Dunkel der Nacht verschwinden. Das Einzige, was er erkennen konnte war, dass es sich ausschließlich um Männer handelte.

      Doch Andrea wurde nicht wieder herausgebracht. Er musste unbedingt wissen, was mit ihr geschehen war. So wartete er noch eine weitere Stunde ab, und als sich nichts mehr regte, ging er zurück zur rückwärtigen Kirchenmauer und öffnete die Geheimtür. Er schlich sich durch die Gänge, immer wieder blieb er stehen und lauschte. Es brannte keine Fackel mehr und das Licht seiner Taschenlampe wurde immer schwächer. Er war wieder an dem Punkt angekommen, an dem er durch den Lüftungsschacht gerobbt war. Nun ging Paul den Gang weiter und stand wieder vor der Frage, welcher von drei Gängen wohl in Frage kommen könnte. Er entschied sich für die Mitte und hatte auf Anhieb Glück. Treppen führten in mehreren Ebenen nach unten und schließlich war er in der großen Säulenhalle angekommen. Es war ein gigantischer Raum und an Prunk und Pracht war nicht gespart worden, doch Paul hatte im Moment andere Sorgen und beachtete den feudalen Raum nicht.

      Er war am Altar angekommen, doch Andrea war, wie zu erwarten, nicht mehr da. Alles war gesäubert worden, vom Blut war nichts mehr zu sehen. So schaute sich Paul um und sah eine große Nische, in der eine Säule stand. Es erinnerte ihn sehr an die Blutsäule einige Meter über ihm in der Pfarrkirche St. Gereon. Diese sah genauso aus und wurde anscheinend verehrt, wenn man die vielen Kerzen und Schalen betrachtete, die ringsum standen. Er tauchte einen Finger in eine Schale mit einer dunklen Flüssigkeit, dann nahm er den Finger wieder heraus und schüttelte sich. Es war rot wie Blut. Doch was auch immer die maskierten Brüder hier unten abhielten, zuerst musste er Andrea suchen, sie brauchte ärztliche Hilfe, wenn es nicht schon zu spät war.

      In der großen Säulenhalle waren hinter den Säulen geschickt kleine Nischen angeordnet, im inneren Bereich der Nischen fühlte man sich unbeobachtet. Paul war in eine solche Nische hineingegangen und konnte die große Halle nicht mehr sehen, stand man jedoch vor der Säule, konnte man alles im Inneren der Nische genauestens beobachten. Paul durchsuchte jede Ecke, konnte Andrea jedoch nirgends entdecken. Er sah noch eine Treppe, die wohl auf die Galerie führte, die ringsum oberhalb der Säulenhalle auskragte. Er nahm zwei Stufen auf einmal und sah sich oben um. Auch hier gab es mehrere kleine Kammern, die aber alle leer waren. Paul war verzweifelt, er wusste genau, niemand hatte Andrea wieder nach draußen gebracht. Wo war sie? Gab es noch mehr Geheimgänge und Verstecke? Er irrte noch lange durch die Gänge und musste schließlich aufgeben, seine Taschenlampe wurde zusehends blasser und würde ihm bald nicht mehr nützlich sein.

      Als er auf die Uhr sah, da war es schon drei Uhr in der Nacht, er beeilte sich, dass er aus diesem Labyrinth wieder herauskam, bevor an seiner Taschenlampe das Licht ausging.

      Paul fuhr nach Hause und ließ den heißen Strahl der Dusche hart auf seinen Körper prasseln. Er hatte das Gefühl, er müsse den ganzen Schmutz von sich abwaschen. Danach ging er, nur bekleidet mit einem Handtuch um seine schlanken Hüften, an den Kühlschrank und holte sich eine Flasche Bier, die er fast in einem Zug austrank.

      Er ging ruhelos durch den Raum, konnte sich nicht beruhigen. Auf alle Fälle musste er zur Polizei gehen, und er wollte noch genauere Erkundigungen über diesen Orden oder diese Sekte einziehen, wer wusste schon, was da sonst noch so alles bei Nacht passierte. Und er war enttäuscht und wütend, er fragte sich, was wohl aus Andrea geworden war.

      Außerdem hatte er nur noch Ekel und enormen Abscheu für Andreas Eltern übrig. Wie konnte man sein Kind nur so behandeln? Er konnte es nicht verstehen. Er dachte daran, was Andreas Eltern ihrer Tochter angetan hatten. Sie hätten ihre Tochter lieber zu einem Psychiater bringen sollen, wenn das überhaupt nötig gewesen war, denn er hatte von Andrea nicht den Eindruck gewonnen, dass sie von irgendetwas besessen gewesen wäre. Sie hatte immer einen ganz normalen Eindruck auf ihn gemacht.

      Durch die typische Durchführung von Ritualen sollte