Ordo Templi Magica. Karin Bachmann

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Название Ordo Templi Magica
Автор произведения Karin Bachmann
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783957446107



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beendet wurde. Sie verbanden seine Augen und führten ihn wieder hinaus. Diesmal ging es die Treppe wieder hinauf, Paul konnte sich gut vorstellen, wo er sich befand. Er war sehr froh über seinen guten Orientierungssinn. Ihm war etwas kalt, denn er lief noch immer in seinem Handtuch durch die Gegend. Was würde da noch auf ihn zukommen, fragte er sich bang.

      Die Augenbinde wurde ihm wieder entfernt und er sah sich mindestens den Blicken von dreißig Augenpaaren ausgesetzt, die alle aus dunklen Löchern ihrer Maske auf ihn starrten. Jeder von ihnen trug eine schwarze Robe und nun stimmten sie einen Gesang an, der Paul frösteln ließ. In der großen Säulenhalle schallten die Töne wider und es klang ergreifend und gleichzeitig gruselig-gespenstisch. Seine Nackenhaare stellten sich unweigerlich auf, doch er atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Der steinerne Opfertisch war nicht weit entfernt. Er stand jedoch genau in der Mitte der maskierten Männer. Der Kreis, der um ihn gebildet worden war, war wie mit einem Zirkel gezogen. Keiner stand auch nur einen Millimeter verkehrt. Diese Perfektion hatte irgendwie etwas Beängstigendes. Der monotone Gesang wurde immer lauter, bis er in einem Paukenschlag endete. Genau diesen Augenblick nutzte der Großmeister für sein Erscheinen und effektvoll quoll weißer Rauch hinter ihm auf. Es machte den Eindruck, als sei er eben aus dem Nichts aufgetaucht. Paul dachte noch, was man so alles mit Lichttechnik und Effekten wie Rauch, machen konnte, war schon gewaltig beeindruckend. Schlagartig verstummten alle, es war so still im Raum, dass noch nicht einmal ein Atmen zu hören war, geschweige denn ein Räuspern oder Hüsteln. Plötzlich wurde ihm sein Handtuch weggezogen und Paul stand nur noch in seiner Maske vor diesen schwarzen, lauernden Ordensbrüdern.

      „Du wirst jetzt deine Sünden bekennen und Reue zeigen, denn ohne Reue und Vergebung wird deine Seele niemals rein sein!“, hallte die Stimme des Großmeisters durch die Säulenhalle.

      Paul nahm es noch sportlich, er dachte nur: Das auch noch!

      „Fang an, Sünder, was hast du zu bereuen!“ Effektvoll hallte die Stimme wie ein Echo nach.

      Paul wusste beim besten Willen nicht, was er nun erzählen sollte, da fuhr die Stimme des Großmeisters unerbittlich fort:

      „Uns ist zu Ohren gekommen, dass du kleinen, netten Studentinnen nachstellst!“

      Paul erschrak, was sollte das, das war niemals die Wahrheit! Und was erlaubte sich dieser Orden, ihn zu verleumden und für etwas zu beschuldigen, was er niemals getan hatte! Das war Rufmord! Doch Paul bezwang seinen Unmut und seinen aufwallenden Zorn, das war alles nur deren Taktik, erkannte er, und er durfte nicht auffallen. So widersprach er nicht, vielleicht konnte er so sogar deren Vertrauen gewinnen.

      „Bekenne dich schuldig und du wirst reingewaschen sein!“

      „Ich bekenne mich schuldig!“, quetschte Paul unter seiner Maske hervor.

      „Uns ist zu Ohren gekommen, dass du kleine, nette Studentinnen mit nach Hause nimmst und sie besteigst!“

      Paul wurde schlecht bei diesen heimtückischen Worten.

      „Bekenne dich schuldig und du wirst reingewaschen sein!“

      Paul hatte den Sinn dieses Rituals verstanden, er war so vor den anderen Ordensmitgliedern entblößt und gedemütigt und er wurde erpressbar. Er schluckte schwer, als er antwortete:

      „Ich bekenne mich schuldig!“

      „Hast du sonst noch etwas zu bekennen, dann äußere dich hier!“

      Paul verneinte.

      „Hast du niemals unreine Gedanken gehabt, als du an eine bestimmte Studentin gedacht hast? Stehe zu deinen Sünden und bekenne dich!“

      Paul dachte sofort an Susann, doch davon konnten die Ordensbrüder nun wirklich nichts wissen, wahrscheinlich behaupteten sie so etwas einfach aufs Geratewohl, denn welcher Mann hatte nicht ab und zu „unreine Gedanken“?

      So bekannte sich Paul auch dazu.

      „Sag mir den Namen und dann wirst du sie für immer vergessen!“

      Paul schaltete schnell, er nannte einen weiblichen Namen, der nicht unter seinen Studentinnen vorkam.

      „Sonja!“

      „Bekenne dich dazu niemals mehr an Sonja zu denken!“

      Das war Pauls leichteste Übung, denn er kannte keine Sonja.

      „Ich bekenne mich dazu, niemals mehr an Sonja zu denken!“

      Nun schritt der Großmeister auf ihn zu und fuchtelte mit einem Stab, welcher gekrönt war mit dem keltischen Kreuz über seinem Kopf herum. Dabei murmelte er unablässig irgendwelche Formeln und unverständliche Sätze. Paul konnte ein wenig Latein, so erkannte er schnell, Latein war es nicht. Eine andere Sprache auch nicht und so vermutete er, es war reine Erfindung, um die Ordensbrüder zu beherrschen. Denn durch Unbekanntes waren Menschen oft beeindruckt und mit Staunen erfüllt und folgten so dem Führer, egal, was dieser von sich gab.

      Von mehreren Seiten kamen nun die Ordensbrüder und brachten ihm seine Kleidung zurück. Er zog sich bedächtig langsam an, um zu zeigen, dass er nicht eingeschüchtert war. Als er schließlich seinen Umhang geschlossen hatte, wurde es plötzlich still im Saal.

      Dann hörte er wieder die Stimme des Großmeisters, alle Masken hielten starr den Blick auf den Großmeister gerichtet.

      „Wir haben eine schöne Aufgabe für dich! Du wirst heute ein Opfer bringen! Du wirst uns heute beweisen, dass du zu uns gehörst!“

      Wie auf ein geheimes Zeichen richteten sich nun alle Augen auf die Säule. Daneben stand eine komplett in Weiß verhüllte Gestalt, ein großes Tuch bedeckte sie vom Kopf bis zum Boden, so, wie man sich als Kind ein Gespenst vorstellte. Paul konnte nicht erkennen, wer es war, von der Statur und Größe her sah die Gestalt eher weiblich aus.

      Die Ordensbrüder bildeten nun eine Art Spalier und er wurde gemeinsam mit dem Großmeister hindurchgeführt. Vor der Säule blieben sie stehen und der Großkontur, der zu seiner Linken zu stehen kam, erklärte ihm in leisen Worten die Bedeutung der Säule.

      „Die Säule wird verehrt und durch regelmäßige Blutopfer wird die Gemeinschaft gestärkt“, sagte er.

      Paul sah die inzwischen dunkelbraun verkrusteten Spuren voriger Blutopfer, er sah ein Schneidebrett aus Marmor und ein langes Messer. Das Schneidebrett hatte rundum eine Nut, die mit einer Ausgussnase in einem Auffangbehälter endete. Hier wurde das Blut aufgefangen. Paul fand es schrecklich, doch er dachte an Tieropfer. Umso schlimmer, als ein Ordensbruder den Arm der weiß vermummten Gestalt hob und mit der Umhüllung ihre Hand auf das Schneidebrett legte. Der Großmeister legte nun das Messer in Pauls rechte Hand und Paul strauchelte ein wenig. Was wurde da von ihm verlangt? War es das wert? Was sollte er tun? Ihm schossen so viele Gedanken auf einmal durch den Kopf, er war nicht fähig auch nur einen dieser Gedanken zu greifen.

      „Du weißt was du zu tun hast!“, sagte der Großmeister mit laut hallender Stimme. „Fang an mit dem kleinen Finger!“

      Paul wurde übel, sein Magen rebellierte, doch da er seit Stunden nichts gegessen hatte, konnte er nur sauren Magensaft schmecken.

      Er sollte einer Person den kleinen Finger abschneiden. Er fragte sich, was er sonst tun könnte. Sollte er alles auffliegen lassen? Würde er dann jemals lebend wieder hier herauskommen? Doch war es nicht seine Aufgabe herauszufinden, wo all die Mädchen abgeblieben waren? Deswegen war er hier, damit nicht noch mehr geschah, als jetzt schon passiert war. Das gab den Ausschlag. Er straffte die Schultern und legte seine Hand auf die weißumhüllte Hand. Er bemerkte nicht die leiseste Regung. Was war los mit dieser Person? Merkte sie nicht, was hier mit ihr vorging? War sie betäubt worden? Hatte sie diese neue Droge bekommen, die einen Menschen vollkommen willenlos machte? Oder war sie vielleicht hypnotisiert und in Trance versetzt worden? Das wären mögliche Erklärungen. Paul merkte, dass der Großmeister ungeduldig wurde und zögerte nicht länger. Er tastete die Finger ab und fühlte die Glieder. Er wollte so wenig wie möglich abschneiden, wenn möglich nur die Fingerkuppe. Er atmete noch einmal tief durch und machte einen schnellen, sauberen Schnitt. Er konnte nur hoffen, dass das Messer einigermaßen sauber war. Ein kleines