Kālī Kaula. Jan Fries

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Название Kālī Kaula
Автор произведения Jan Fries
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783944180649



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er sich und hatte Verkehr. Bald darauf gebar Dakṣas Frau eine Tochter. Alle Götter ließen Blüten vom Himmel herab regnen, die Sonne schien hell, und die Flüsse begannen wieder zu fließen. Das Mädchen wurde Satī (die Tugendhafte) genannt, und ihre Wesensart war die des höchsten Brahman (Allbewusstsein) und der Wahrheit selbst.

      Satī wuchs heran, und bald war sie alt genug, um Śiva zu heiraten. Der bloße Gedanke daran machte Dakṣa wahnsinnig. Er wollte seine Tochter nicht hergeben, er wollte nicht, dass die inkarnierte Göttin sein Haus verließ, und das Letzte, was er wollte, war, sie mit einem Gott zu verheiraten, der nackt herumlief, Dope rauchte und Askese auf Bergen und in Dschungeln übte, wo keine vernünftige Person jemals sein wollte. Śiva, der Unreine, der Schädelträger, der irre Tänzer am Rande der Wirklichkeit. Dakṣa hasste Śiva, er hasste den Gedanken daran, dass seine Tochter ihn verlassen würde, aber im Grunde konnte er nichts dagegen tun. So wurde Śiva trotz manch wütender Debatte an Dakṣas Hof eingeladen. Dort heiratete der mit Asche beschmierte Gott der Asketen die schöne Satī, dann gingen die beiden und bezogen ihr Heim auf den höchsten Bergen. Manche sagen, sie machten 100.000 Jahre lang Liebe.

      Eines Tages erfuhr Satī, dass ihr Vater ein großes Fest ausrichtete. Alle Götter waren eingeladen, die Gandharvas würden singen, die Apsarase würden tanzen, und es würde Trinken, Spaß und Belustigung geben. Jede wichtige Gottheit war eingeladen, außer Śiva und ihr selbst. Nun war Satī aber ganz und gar nicht froh darüber, so übergangen zu werden. Sie war immer noch verärgert, weil ihr Vater so ein Problem aus ihrer Hochzeit gemacht hatte, und nun noch ärgerlicher, weil er ihren Mann und sie so kränkte. ‘Ich werde zu diesem Fest gehen’, erklärte Satī, ‘ob wir nun eingeladen sind oder nicht.’

      ‘Ist es das wert?’ erwiderte Śiva, der sich im Dschungel wohler fühlte als in der gehobenen Gesellschaft. ‘Warum bleiben wir nicht einfach zu Hause und machen es uns schön?’

      ‘Wir werden hingehen!’ schrie Satī. ‘Und wenn Du nicht mitkommst, dann gehe ich allein! Ich werde meinem Vater schon zeigen, was ich von ihm halte!’

      ‘Du bringst Dich in Schwierigkeiten’, sagte Śiva voraus. ‘In Deiner Stimmung wird es Schwierigkeiten für alle geben.’

      ‘Ich werde hingehen’, erklärte Satī, ‘ob es Dir gefällt oder nicht.’

      Und so geschah es. Es war tatsächlich ein schlechter Tag, als Satī zum Haus ihres Vaters kam, ihr Gesicht rot vor Wut. Dakṣa hatte schon so etwas erwartet. Als er erfuhr, dass seine Tochter gekommen war, weigerte er sich, sie zu begrüßen und ihr Ehre zu bezeigen. Das war ein Fehler.

      In ihrer Wut verwandelte sich Satī in Kālī. Ihr Antlitz wurde schwarz, sie verfluchte ihren Vater, das Fest und die Opfergaben, und zuletzt verbrannte sie sich selbst in yogīschem Feuer. Sie verschloss die neun Tore ihres Körpers, ihr Geist wurde zu Feuer, ihr Körper brach zusammen, und ihr befreiter Geist entschwebte. Dann betrat Śiva die Szene. Als er seine Frau tot sah, durchfuhr ihn rasender Zorn und manifestierte Dämonen, Monster und böse Geister. Kreischend vor Freude fielen sie über den heiligen Boden her. Sieh Śiva in seiner Wut! Die Gäste schrien, als ihre Opfer zerstört, verbrannt, zertrampelt, ausgelöscht, geschändet wurden, und Dämonen auf den Tischen tanzten. Mit einem Schlag enthauptete Śiva den Vater seiner Braut. Er nahm den Kopf einer Opferziege und steckte ihn auf Dakṣas Hals, so dass Dakṣa von jenem Tage an so aussieht wie der Bock, der er wirklich war. Dann wurde das Heiligtum zerstört, ganz und gar zerstört, und nichts blieb, wie es war. Und Śiva hob den Körper seiner Frau auf. Ihre Leiche tragend, taumelte er vom Ort der Verwüstung und Vernichtung fort und kehrte in die Einsamkeit der Berge zurück.

      Großes Übel befiel die Welt. Wie jemand, der von Sinnen, sprachlos und wahnsinnig ist, ging Śiva in Einsamkeit dahin, den toten Leib seiner Gefährtin auf den Schultern. Zwischen den frostigen Gipfeln der höchsten Berge, entlang der eisverkrusteten Ränder der größten Flüsse und in der Dunkelheit des Bergwaldes, zwischen Kiefern, Fichten und Rhododendron. Wo immer er ging, fielen seine Tränen nieder, und er fand keinen Ort, um den Körper seiner Frau zur Ruhe zu betten.

      Bald begannen sich die Götter zu sorgen. Wenn Śiva weg war, was würde nun aus ihnen allen werden? Götter haben Verpflichtungen; sie müssen die Gebete ihrer Verehrer anhören, sie müssen Opfergaben entgegennehmen und denjenigen, deren Karman reif ist, Glück und Befreiung gewähren. Sie müssen die Ordnung der Welt erhalten und die dämonischen Asuras unter Kontrolle halten. Viṣṇu allein war zu der Arbeit nicht imstande, und Brahmā konnte nur wenig Beistand bieten. So gingen die Götter zu Śiva und baten ihn, den Körper seiner Frau zurückzulassen. Doch Śiva war so vom Kummer überwältigt, dass er sie nicht verstehen konnte. Er wollte nicht wahrhaben, dass seine Frau tot war und verweste, er kümmerte sich nicht um seine Verehrer oder um die kosmische Ordnung, noch wollte er den Devas zuhören.

      So schmiedeten die Götter einen klugen Plan. Wenn Śiva jeden Tag umherwanderte, die Leiche von Satī auf seinem Rücken, saß Viṣṇu im Hinterhalt. Wann immer der Gott des Tanzes von Tränen überwältigt wurde, warf Viṣṇu sein Cakra. Der Diskus jagte schneller als ein abgeschossener Pfeil durch die Luft, schneller als ein Lichtstrahl, und schnitt ein Glied von Satīs Leiche ab. So wanderte Śiva, aber mit jedem Tag wurde seine Last leichter. Tag für Tag zog er seine Runde durch Indien, und jeden Tag fiel ein Teil der Göttin ab und in Vergessenheit. Das Gesicht der Göttin fiel auf Kāśī, die Yoni auf Kāmarūpa, ihre Füße auf Devīkūṭa, ihre Hüften auf Uḍḍīyāna; in 108 Teile wurde ihr Körper zertrennt. Jeder Teil der Göttin wurde zu einem geweihten Ort (Pīṭha), einer Stätte der Verehrung, einem Sitz der Macht, und einem Pilgerziel, an dem sich Bewusstsein und Energie manifestieren. Schließlich wurde Śivas Schritt wieder fest, und sein Blick klärte sich. Er sah das weite Land Indiens unter seinen Füßen, die majestätischen schneebedeckten Berge im Norden, die ockerfarbenen Wüsten im Westen, die Dschungel und Sümpfe im Osten und den funkelnden blauen Ozean im Süden, wo Inseln wie Smaragde lagen und Wale in den Wellen spielten. Śiva hielt inne und staunte. Der Bann war gebrochen, Satī war gegangen, aber überall im Land waren heilige Stätten aufgetaucht. Wo immer ein Teil von Satī herabgefallen war, lud ein Pīṭha die Pilger, Einheimischen und Asketen zur Verehrung der Göttin ein, die ganz Indien geworden war. Man sagt, dass 108 heilige Stätten aus den Teilen von Satī geboren wurden, doch für diejenigen, die Augen haben, um zu sehen, erstreckt sich die Göttin über das ganze Land. Satī, weit davon entfernt, tot zu sein, war zur Gänze der Welt geworden.

      Ewigkeiten vergingen. Dynastien begannen und endeten, große Königreiche entstanden und fielen wieder der Vergessenheit anheim, Asuras und Devas bekämpften sich, und das Leben ging weiter wie immer. Śiva, an Einsamkeit gewöhnt, ging oft in die großen Berge, um die kalte frische Luft zu genießen, die funkelnde diamantene Schönheit der Schneefelder, und das sanfte Wachstum sich wiegender Birken in Höhen, in die nur wenige Menschen gingen. Hier im Land der Moschushirsche, Bergziegen und Schneeleoparden fand der Herr der Asketen seinen inneren Frieden. Wann immer er konnte, stieg Śiva auf seine geliebten Höhen, um die Welt und sich selbst zu vergessen. Nun hat der Himalaya einen König, den Herrn der Berge Himavat (Schneeberg). Er ist der Herrscher der Höhen und der großzügige Spender von Wasser. Von seinem Hof entspringen die großen Flüsse – Flüsse, die den Bewohnern der Ebenen Leben und Nahrung spenden. Und Himavat hatte eine Tochter. Ihr Name war Pārvatī (Berggeborene), und anders als die meisten Götter und Göttinnen liebte sie lange Wanderungen durch einsame Täler und auf Berggipfel. Eines Tages traf Pārvatī Śiva. Der Herr der Asketen saß auf einem Tigerfell, nackt bis auf die Perlenschnüre und Schlangen, die um seinen Hals und Arme geschlungen waren, seine halbgeschlossenen Augen erfüllt von der Weisheit des Unbeschreiblichen. Pārvatī sah Śiva und fühlte, wie ihr Geist in Stücke brach. Vor langer, langer Zeit war sie Gaurī gewesen, dann Satī, und die Erinnerung brach in ihr Bewusstsein wie die Lawinen, die im Sommer die Hänge herabstürzen. Scheu näherte sie sich Śiva und sprach ihn an. Śiva war jedoch weit außerhalb seiner selbst und hörte sie nicht. Pārvatī sprach noch einmal, sie kam näher, sie berührte den Asketen, und noch immer konnte sie seine Trance nicht unterbrechen. Śiva blieb unbeweglich wie eine Säule aus Stein, unaufmerksam, mit dem abwesenden Ausdruck eines Wesens, das nach innen gewandt ist. Pārvatī gab jedoch nicht auf. Die Tochter der Felsen sandte einen Ruf, ein Gebet an Kāma