Die gesammelten Schriften von Viola M. Frymann, DO. Viola M Frymann

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Название Die gesammelten Schriften von Viola M. Frymann, DO
Автор произведения Viola M Frymann
Жанр Медицина
Серия
Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783941523494



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daher zuerst den Fingern, wie sie fühlen, wie sie denken, wie sie sehen können, und berühren Sie erst danach.”10 Folglich muss es ein Finger-Gefühl, ein Finger-Denken, ein Finger-Sehen geben, mit denen man die Funktionen und Dysfunktionen des Körpers erkennen kann. Die Kräfte, welche die Elektronen innerhalb des Atoms oder die Zellen innerhalb der Organe bewegen, liegen jenseits des Beschreibbaren: Mangels einer spezifischeren Erklärung bezeichnen wir sie als inhärente Qualität der Materie. Es ist die Lebenskraft, die Vitalkraft dieses Moleküls, dieser Zelle, dieses Organs oder Universums.

      Lassen Sie uns gemeinsam einen Weg zur Umsetzung finden. Streben wir danach, uns die beteiligten, automatischen Belastungen und Justierungen der Extremitäten bewusst zu machen. „Verwechseln Sie Beanspruchung und Bewegung einer Extremität nicht miteinander, es ist nicht das Gleiche. Es handelt sich um zwei vollkommen verschiedene Dinge. Es ist möglich, eine Bewegung ohne Anstrengung auszuführen, etwa wenn Sie Ihre Hand oder Ihren Arm durch sein eigenes Gewicht nach unten fallen lassen. Genau so ist es möglich, dass Sie eine Körperregion beanspruchen, ohne dass eine Bewegung im Außen sichtbar ist, etwa wenn Sie etwas fest in Ihrer Hand halten – das kann mitunter eine beträchtliche Beanspruchung bedeuten – und dennoch ist diese nicht ersichtlich erkennbar.“ T. Matthay stellt eine weitere Behauptung auf, die so treffend auf die osteopathische Technik angewandt werden kann, dass ich ihn hier vollständig zitieren möchte. Er bezieht sich hier auf den alten Trugschluss der „reinen Finger-Berührung”, die, so sagt er, „vom törichten Versuch stammt, den Vorgang des Klavierspiels durch Beobachtung der Fingerbewegungen zu diagnostizieren” und „kaum einen Hinweis darauf gibt, was wirklich geschieht – keinen Hinweis auf die ständigen Veränderungen bei der Beanspruchung und Entspannung der Extremitätenmuskulatur (ohne eine beGleitbewegung und nicht entschlüsselbar) und welche Bedingungen und Zustände einer Extremität die wahre Ursache einer jeden Technik darstellen, sowohl damals als auch jetzt und in Zukunft. Es ist essenziell, diesen Punkt von Anfang an zu meistern.” Er betont weiterhin, dass „es daher außerordentlich wichtig ist, dass Sie die radikale Unterscheidung zwischen Zustand und Bewegung verstehen – der Zustand Ihres Fingers, Ihrer Hand und Ihres Armes während des Berührens, und die Bewegungen, die derartige muskuläre Zustandsveränderungen optional begleiten – und meistens sind diese zuletzt Genannten relativ unsichtbar … Bis diese Unterscheidung klar erfasst werden kann, können Sie sich nicht erhoffen, sich den Berührungsvorgang oder die Technik rational vorzustellen (oder vernunftmäßig zu erklären).” Ich bezweifle, dass die ersten osteopathischen Lehrer in der Lage waren, dies besser zu erklären.

      In vorangegangenen Abschnitten wurde bereits auf die Notwendigkeit hingewiesen, auf den besagten beständig aktiven menschlichen Mechanismus ”aufzuspringen” und sich auf das uns im jeweiligen Moment interessierende Studienobjekt „einzustimmen”. Ich möchte Ihnen ein paar weitere Gedanken dieses großen und glänzenden Lehrers mit auf den Weg geben, bevor ich einen spezifischen Zusammenhang seiner Prinzipien mit unserer Arbeit herstelle. „Es ist jetzt wichtig, zu realisieren, dass Aktion und Reaktion immer gleichwertig sind. Sobald Sie also Ihre Fingerspitzen gegen die Taste nach unten belasten, entsteht eine gleichwertige Reaktion (oder ein Recoil) am anderen Ende dieses Fingerhebels, dementsprechend am Knöchelgelenk nach oben. Dieser unsichtbaren nach oben gerichteten Reaktion (oder Recoil) am Knöchel muss wiederum am Knöchel etwas entgegengesetzt werden, etwa indem eine ausreichend stabile Basis (oder ein Untergrund) für die gewünschte Handlung der Finger zur Verfügung gestellt wird.”

      „Kurz gesagt, der beanspruchte Finger benötigt eine Basis am Knöchelgelenk, die der Kraft entspricht, welche gegenüber der Taste aufgebracht werden muss. Die Beanspruchung der Hand – am Knöchelgelenk – muss zeitlich präzise mit der Beanspruchung des eigentlichen Fingers übereinstimmen. Vergegenwärtigen Sie sich noch einmal, dass keine Bewegung der Hand sichtbar sein muss – wie deutlich die Beanspruchung des Fingers „dahinter” auch ausfällt. Auch hier benötigt die Hand ihren eigenen angemessenen Bezugspunkt bzw. eine entsprechende Basis – sonst würde das Handgelenk durch die Reaktion oder den Recoil überbeansprucht und die Kraft und Genauigkeit … wäre dahin. Nun, zuletzt, muss die Basis für die Beanspruchung der Hand vom Arm selbst gewährleistet werden.“

      Hierin liegt das Geheimnis der Wahrnehmung und des therapeutischen Einsatzes der „Potency” und der manifesten inhärenten Motilität des menschlichen Körpers. Es geht um das Erkennen der Gleichwertigkeit von Aktion und Reaktion und das Einstellen des Mechanismus innerhalb der Finger, der Hand und des Arms auf die inneren Kräfte des Patienten.

      Betrachten Sie einen Moment lang diesen Kräfteausgleich und seinen Einsatz im Alltag. Wie testen Sie etwa den Reifegrad einer weichen Frucht? Übersteigt die von Ihren Fingern ausgeübte Kraft jene innerhalb des Fruchtgewebes, wird das Fleisch je nach Grad der Überbelastung eingedellt, verletzt oder zerrissen. Andererseits werden Sie, wenn die Kräfte innerhalb einer unreifen Frucht die Kräfte einer sehr schüchternen, untersuchenden Hand übersteigen, keine Informationen über den Zustand dieser Frucht bekommen. Justieren Sie jedoch vorsichtig die Kräfte Ihrer Hand mit den Kräften innerhalb der Frucht, werden Sie sich ihrer Textur und Reife bewusst, ohne sie dabei in irgendeiner Form zu beschädigen. Wie viele Menschen können eine gute reife Cantaloupe-Melone, eine saftige Orange und eine reife Birne mit Gewissheit auswählen?

      Eine ähnliche automatische Justierung geschieht beim Autofahren – über die Hände am Lenkrad realisiert der Fahrer den Reibungsgrad der Straßenoberfläche und steuert sein Auto dementsprechend. Ich schlage nicht vor, dass Sie die Augen schließen, während Sie die Gültigkeit dieser Behauptung testen, möchte aber, dass Sie zumindest den Kräften Aufmerksamkeit schenken, die über das Lenkrad Ihre Hände erreichen, und dass Sie die unsichtbaren Justierungen beachten, die Ihr Mechanismus daraufhin ständig ausführt. Ähnliche sensitive Justierungen bei Spannungsänderungen unterscheiden den geschickten Reiter vom Amateur. Er hält über die zum Maul des Pferdes laufenden Zügel ein sehr feines Spannungsgleichgewicht aufrecht und exakt dieses Spannungsgleichgewicht ist das Kommunikationssystem zwischen Reiter und Pferd. Genau so sollte es beim Osteopathen sein. Seine Hände stehen über das sehr feine Spannungsgleichgewicht der Gewebe mit den so genannten „Hauptquartieren” der Vitalität des Patienten in unmittelbarer Kommunikation. Das Pferd, die Zügel und der Reiter werden zu einer Arbeitseinheit; genau so werden Patient, Gewebe und Osteopath zu einer Funktionseinheit.

       Praktische Übung

      Hauptziel dieser Übung ist, das Instrumentarium auf das Objekt einzustellen und die Fähigkeit zu entwickeln, diese funktionelle Osteopath-Patient-Einheit zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken zu etablieren.

      Der erste Schritt in diese Richtung ist die Untersuchung eines direkt zugänglichen anatomischen Objektes, etwa des Unterarmes.

      Der Student sitzt bequem seinem Partner gegenüber, der seinen Unterarm mit der Beugeseite nach oben vollkommen entspannt und bequem auf den Tisch legt. Der Student legt seine Hand auf den Unterarm und konzentriert sich mit maximaler Aufmerksamkeit auf die Palmarflächen seiner Finger. Seine andere Hand legt er simultan auf die Tischoberfläche und palpiert diese mit den Flächen seiner Finger. Die Ellbogen des Studenten ruhen auf dem Tisch und sein Körper sollte bequem und entspannt sein. Der Student richtet seine Konzentration und Aufmerksamkeit mit geschlossenen Augen durch die Finger hindurch, um sich selbst auf die Oberfläche des Arms des Untersuchten einzustellen. Nach und nach lenkt er das „palpatorische Auge” auf die Gewebeschichten der Oberflächen, dann der Weichteile und schließlich der Knochen. Er wendet sich von Gedanken an Strukturen ab und ist bestrebt, sich selbst auf die innere Funktion einzustellen.