Reiten wir!. Tommy Krappweis

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Название Reiten wir!
Автор произведения Tommy Krappweis
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783944180885



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zu versinken. Die Neuankömmlinge beäugte sie mit großem Misstrauen und ohne ein Wort.

      Den anderen musste Budge nicht vorstellen, denn er trat sofort nach vorne. Auf seiner Schulter saß ein Falke, der die wackeligen Bewegungen des Mannes gelassen ausglich und immer wieder den Kopf ruckartig drehte. »Lasse Ikstrom, der Name, und Sie sind – sagen Sie nichts! – Deutsche!« Er schaute von Hobble-Frank zu Tante Droll und wieder zurück. »Diese Gesichtszüge, wie Meißner Porzellan!«

      Nun schauten die beiden sich verwundert an.

      »Und Sie!« Er wandte sich an Ellen. »Indianisch, eindeutig, aber nicht so ganz. Ich vermute …«

      »Genug, Lasse«, unterbrach ihn Budge. »Lass sie erst einmal absteigen und gib ihnen etwas Kaffee.«

      Ellen nahm den redseligen Mann mit dem skandinavischen Akzent genauer in Augenschein. Er war klein, dicklich, aber nicht aufgedunsen, und hatte blondes Haar, das ihm ins Gesicht hing. Ein Wirbelwind von einem Menschen. Dazu der Falke, der nicht einmal mit einer Schnur gesichert zu sein schien, sondern einfach so auf seiner Schulter blieb.

      Nachdem die drei einen Becher Kaffee bekommen hatten, den sie auch dankbar annahmen, erzählte Budge, dass Ikstrom ein Weltenbummler sei, der immer und überall nach Kuriositäten suchte, die am anderen Ende der Welt gebraucht wurden. Budge hatte ihn in Reno getroffen und sofort gemerkt, dass er seine Dienste benötigen könnte, denn er hatte etwas mitgebracht, was ihm sehr hilfreich sein konnte, wie er augenzwinkernd sagte.

      »Hilfreich inwiefern?«, fragte Hobble-Frank.

      Budge grinste. »Welche Lüge hat der Sheriff von Reno euch wohl aufgetischt?«, fragte er zurück.

      Hobble-Frank setzte an, ihm eine Lügengeschichte aufzutischen, doch Tante Droll kam ihm zuvor. »Nun, Bill, man kann dir nichts vormachen, so viel merke ich schon. Legen wir die Karten auf den Tisch. Der Sheriff von Reno hat uns geschickt, um dich ausfindig zu machen, denn es heißt, dass du planst, die ›Bank of Reno‹ zu überfallen.«

      Budge lachte schallend. »Ein Banküberfall? Ich? Hält man mich inzwischen für einen Strauchdieb? Einen dahergelaufenen Halunken?«

      »Nun, stimmt es?«, fragte Hobble-Frank.

      Budge schaute die beiden und Ellen ernst an. »Ich weiß Ehrlichkeit zu schätzen. Ihr hättet auch wild um euch schießend heranstürmen können und dem Sheriff von Reno meinen Kopf bringen, was ihn sicher zufriedengestellt und euch ein gutes Kopfgeld eingebracht hätte. Außerdem wärt ihr zu Legenden geworden, wenn ihr endlich den legendären Bill Budge zur Strecke gebracht hättet!«

      Tante Droll zuckte mit den Schultern, als könnte man das durchaus so zusammenfassen.

      Nun nahm er Ellen in Augenschein. »Du bist mitgekommen, weil du geglaubt hast, du könntest die beiden einschmuggeln. Weil wir uns schon kennen. Richtig?«

      »Nun«, erwiderte Ellen, »da du Ehrlichkeit zu schätzen weißt, kann ich das nur bestätigen.«

      Budge stand auf und umkreiste in einem weiten Bogen das Lagerfeuer. »Dann lasst mich euch erzählen, was es mit der ›Bank of Reno‹ auf sich hat. Ja, ich möchte sie erleichtern. Aber nicht, indem ich die Bank überfalle, aber dazu später. Es geht mir darum, der Bank das zu nehmen, was sie unrechtmäßig von ehrlichen Leuten gestohlen hat, und diesen möchte ich es zurückgeben. Wisst ihr, wem die Bank gehört?«

      »Dem Sheriff von Nottingham?«, fragte Tante Droll.

      Auch das ließ Budge schallend auflachen. »Ein Vergleich, der mir gefällt, mein Freund. Aber nein, nicht diesem, sondern Ernest Blackriver.«

      »Der Viehbaron?«, fragte Ellen.

      »Ex-Viehbaron. Vor einigen Jahren hat er begonnen, Land in Nevada zu kaufen. Von Indianern, vom Staat, von Privatpersonen. Er hat seinen Einfluss in der Verwaltung geltend gemacht und ist inzwischen der Strippenzieher im Hintergrund. Und er hat begonnen, Geld zu verleihen. Der halbe Staat steht inzwischen bei ihm in der Kreide. Auch der Sheriff von Reno persönlich.«

      Hobble-Frank und Tante Droll wussten darüber offenbar nichts, und sie schauten zu Ellen, die nickte. »Ich habe viel über ihn gehört … und es sind nicht gerade gute Sachen.«

      »Muss ich erwähnen, dass der Sheriff von Reno nichts weiter als ein williger Erfüllungsgehilfe ist? Und dass er ungern die Drecksarbeit machen möchte, mich selbst zur Strecke zu bringen? Ich vermute, euch ist eine beträchtliche Summe für meine Ergreifung geboten worden … Glaubt ihr etwa, das Sheriff Department von Reno könnte so etwas aufbringen?« Er beantwortete seine Frage selbst. »Nein. Nicht annähernd. Blackriver schaltet seine Feinde aus, und seine Waffe ist sein Geld.«

      »Hältst du dich deswegen in dieser Einöde versteckt?«, fragte Hobble-Frank.

      »Oh, dies ist kein Versteck. Mir hat ein Vögelchen gezwitschert, dass in dem Zug, den Blackriver morgen in Richtung Ostküste aufbrechen lässt, nicht etwa nur Vieh und Weizen transportiert werden, sondern ein beträchtlicher Stapel Dollarnoten … das Geld, das er von den Bewohnern in und um Reno gestohlen hat.« Budge blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. »Also, meine Herren: Ich werde diesen Zug morgen überfallen, und ich werde das Geld denjenigen zurückgeben, denen es gehört. Wenn ihr das verhindern wollt, könnt ihr mich nun dingfest machen und dem Sheriff von Reno übergeben, ich werde mich nicht zur Wehr setzen.« Er schaute seine drei Gäste herausfordernd an.

      Ellen, Hobble-Frank und Tante Droll entfernten sich ein Stück vom Lagerfeuer, um miteinander zu reden. Da die Sonne inzwischen untergegangen war, machte sich die Kälte der Nacht bemerkbar.

      Keiner der beiden Männer schien ein dringendes Bedürfnis zu haben, seine Meinung kundzutun – vielleicht wegen der Sorge, mit dieser alleine zu stehen, also erhob Ellen das Wort. »Es wäre ein Fehler, Budge festzunehmen.«

      »Das finde ich auch!«, sagte Hobble-Frank, und gleichzeitig rief Tante Droll aus: »Genau!«

      »Wir könnten einfach wegreiten …«, sagte Ellen zögerlich.

      »Wenn ich mich nicht irre, sind wir noch nie einfach so weggeritten«, sagte Hobble-Frank.

      »Sicher nicht«, bestätigte Tante Doll.

      Budge wirkte nicht überrascht, als die drei ans Lagerfeuer zurückkehrten und verkündeten, dass sie ihm helfen wollten.

      »Eines allerdings macht mir noch ein wenig Sorgen«, sagte Tante Doll. »Wenn in diesem Zug viel Geld transportiert wird, dann werden viele Wachen mit großen Waffen auf dem Zug sein.«

      »Lasst das unsere Sorge sein«, sagte Parsons, die gerade ihre Flinte reinigte.

      »Mit einem einzelnen Schützen wird sich kaum ein ganzer Zug aufhalten lassen.«

      »Da komme ich ins Spiel«, sagte Ikstrom.

      »Inwiefern?«

      Budge lachte auf. »Nicht er selbst … seine … Kuriosität.« Er deutete mit dem Daumen zu den Pferden, die ein wenig abseits standen.

      Erst jetzt bemerkte Ellen, dass dort noch etwas stand. Es war etwas länger als ein Pferd, nur halb so hoch und mit einem großen, grauen Tuch bedeckt. Sie wollte gerade fragen, worum es sich dabei handelte, als Budge verkündete, dass es Schlafenszeit war.

      Es war eine kalte Nacht, trotz des Lagerfeuers, das sie mit dünnen Ästen aus den Büschen am Leben hielten, und die Morgensonne war ein Segen. Als Ellen sich aufsetzte, sah sie Ikstrom, der beim Feuer hockte und an der Kaffeekanne hantierte. Er bemerkte sie und ließ schnell etwas in seiner Tasche verschwinden, bevor Ellen es in Augenschein nehmen konnte. »Ah, schon wach?«, fragte er, goss etwas Kaffee in eine Tasse und reichte sie Ellen.

      Sie nickte ihm dankbar zu und nahm