Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich

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Название Zwei Freunde
Автор произведения Liselotte Welskopf-Henrich
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783957840127



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Herrn Borowski zu vernehme. Der hat erzählt, daß der Grevenhagen Schulden hätt’ – aber eß no deine Brötle weiter. Der Tee ischt übrigens ausgezeichnet. Schau, bloß wege dem Tee hat sich’s verlohnt, daß du meinem Rat g’folgt und wohne bliebe bischt.«

      »Der Borowski hatte das von dem Nathan?«

      »Nein ebe net. Des war der erschte Fade, den meine Häkelnadel gefangen hat. Der Borowski hat des net vom Nathan g’habt. Also …?«

      »Also?«

      »Wo hat’s der Borowski her, wenn er’s net vom Nathan hat?«

      »Dann hat er’s vom Pöschko.«

      »Richtig, mein Busenfreund. Ich sehe, daß du intelligent und in einem halben Jährle scho in die Katakombengänge unserer Gerüchtekanäle eingedrungen bischt. Kann sich der Pöschko mit der Lundheimer leide?«

      »Das weiß ich nicht.«

      »Nicht kann er sich leide. Also hat’s der Pöschko seinerseits vom Nathan g’habt oder von einem anderen Amtmann. Das war die Frage.«

      »Wie hat sie sich gelöst?«

      »Das war net so einfach. Ich wollte jetzt erscht einmal herauskriegen, was die Lundheimer denn eigentlich weiß. Aber das Weib ischt mir nicht gnädig gesonne, und deshalb hab’ ich mich versteckt und einen der mir dienstbaren Geischter vorgeschickt.«

      »Du hast doch nicht etwa das Krähennest alarmiert?«

      »Ich hab’ mir den dort bereits bestehenden Alarmzustand zunutze gemacht und des Sauberzweigle aufgeputscht, daß sie bei der Lundheimer vorspricht. Die Weiber sind allemal noch schlauer als wir. Sie hat alles ’rausgebracht …«

      Wichmann goß seinem Freunde Rum in den Tee.

      »Damit sich das Räderwerk deines Gehirns und deiner Zunge etwas beschleunigt!«

      »Danke vielmals. Hascht du mir da jetzt net zu viel nei? Komm, gib mir noch so ein Käsbrot … danke … Also des Sauberzweigle hat ihre Sache ganz gut gemacht. Die Lundheimer, hat sie erfahre; weiß überhaupt nicht, was der Herr Bankier Schomburg …«

      »Der ist es also tatsächlich gewesen?«

      »Ach so, des hab’ ich noch net gesagt. Also er war’s. Herr Bankdirektor Schomburg. Kannscht du dich net erinnern, was der für Auge an die Frau Grevenhagen damals hingemacht hat?«

      »Der Himmel – nein, das ist mir ganz entgangen.«

      »Du warscht net ganz bei Trost an dem Abend. Also jedenfalls er ischt es gewesen, und was er beim Boschhofer wolle hat und was er drin g’schwätzt hat, des hat die Lundheimer nicht in Erfahrung gebracht. Aber – mein Lieber – jetzt wird die Sache ernscht …«

      Eugen Casparius lehnte sich im Sessel zurück. »Es ischt dir doch klar, daß mir eine Telefonzentrale habe mit einem menschlichen Herz und weiblicher Neugier?«

      »Nee …«

      »Nee? Dann nimm’s dir ad notam. Selle Telefonzentrale geht öfters mit der Lundheimer ins Kino und verzählt sich ein bißle was mit ihr. Sie hat ihr auch unter den sieben Siegeln der tiefschten Verschwiegenheit mitgeteilt, was der Boschhofer zu der Zeit, als der Schomburg bei ihm war, mit dem Rechnungsbüro telefoniert hat.«

      »Ja?«

      »Er hat angefragt, ob der Grevenhagen Gehaltsvorschüsse in Anspruch nimmt.«

      »Ich bin überzeugt, daß er das nicht tut.«

      »Du hascht mit deiner Menschenkenntnis ins Schwarze getroffen. Er hat noch nie um einen Vorschuß nachgesucht.«

      »Dieser Schomburg ist doch ein ganz übler Geselle. Wie kommt er dazu, hinter Grevenhagens Rücken mit einer solchen Frage zu dessen Dienstvorgesetzten zu laufen. Eine ausgesprochene Gemeinheit.«

      »Das menschliche Herz brütet die seltsamsten Pflanzen aus, je nachdem ihm der Herrgott Eier unterg’legt hat.«

      »Kasper, ich mache dich darauf aufmerksam, daß deine eindrucksvolle Bildersprache allmählich in das sowohl theologisch als zoologisch-botanisch Anfechtbare gerät.«

      »Das ischt durch die Erschütterung meines Seelenlebens und die Hitz zu entschuldigen. Eigentlich müßte man dem Grevenhagen stecken, was da geschpielt wird. Aber wenn ich vor ›Seiner Unnahbarkeit‹ stehe, lallt meine Zunge doch bloß wieder. Es ischt keine Gemütlichkeit bei ihm zu erreichen und kein Verständnis für menschliche Schwächen. Es würde mir nicht möglich sein, die Geschichte von der Lundheimer, von unserem Sauberzweigle und der Telefonzentrale vor ihm auszubreiten, ohne daß ich mich an dem Eis seines Blicks verkühle. Wie ischt’s denn mit dir? Du bischt doch ein Kavalier, comme il faut, und sein Segelpartner? Kannscht du nicht einmal eine Andeutung riskieren? Daß er sich vor dem Schomburg in acht nehmen soll?«

      »Ich will mir’s überlegen. Es kann doch nur der pure Neid und die erbärmliche Gehässigkeit sein, die hier ihr Spiel treiben, weil die Familie Grevenhagen noch auf großem Fuß leben kann. An der Solidität der Grevenhagenschen Verhältnisse wird ein Mensch, der den Ministerialdirigenten und seinen Vater gesehen hat, nicht zweifeln. Kürzlich sagte der alte Minister noch anläßlich des Falls Emmerich, daß für ihn geschäftliche Zuverlässigkeit eine Sache der persönlichen Ehre sei.«

      Während Wichmann sprach, hatte er sich vorgebeugt, um die Zigarettenasche in die Schale auf dem niedrigen Rauchtisch zu streifen. Jetzt stützte er die Ellbogen auf die Knie und betrachtete die Muster des chinesischen Teppichs.

      »Unbestritten, Wichmann, was du da sagscht. Wenn nur die Frau nicht wär’.«

      »Die hat doch mit der finanziellen Seite des Grevenhagenschen Daseins gar nichts zu tun.«

      »Wollen wir’s hoffen. Sie hat was Orchideenhaftes, und Orchideen waren mir mein Lebtag so unsympathisch wie Sardelle.«

      »Du bist voreingenommen. Das ist doch nur eine Stil und keine Charakterfrage.«

      »Wollen wir’s hoffen. Aber wege nix und wieder nix läuft kein Bankdirektor zum Boschhofer hin.«

      »Wie stehen eigentlich zur Zeit Boschhofer und Grevenhagen miteinander?«

      »Na, weniger miteinander als gegeneinander, kann man nur sagen. Wo hascht denn du jetzt immer deine Augen und deine Gedanke? Ich hab’ g’meint, du bischt in ein normales Leben zurückgekehrt, weil du mit der Dieta paddelscht, aber ich muß mit Entsetzen bemerken, daß du scheint’s nur eine ausgestopfte Haut zu uns und in den Dienscht spaziere g’schickt hascht, während dein Geischt offenbar immer noch in andern Gefilden wandelt. Also was deine Frage anbetrifft: Der Grevenhagen behandelt den Boschhofer als einen Dummkopf und Nichtskönner, und der Boschhofer macht hinterm Rücken von seinem Minischterialdirigenten die bösartigsten Bemerkungen über Bürokraten und Besserwisser. Mir läuft immer eine Gänsehaut der Verlegenheit über den Rücken, wenn die zwei zusammenkommen. Wenn der Boschhofer seinem Minischterialdirigenten eins auswischen könnt’, das wär’ der schönste Tag seines Lebens.«

      »Aber die Atmosphäre der Feindschaft ist Grevenhagen gleichgültig. Das bewundere ich immer an ihm. Er kann so leben – sagen wir mal – wie ein Tier in freier Wildbahn, immer auf dem ›Quivive‹, daß ihm etwas den Tod bringt, wenn er nicht genügend aufpaßt – aber er paßt auf und fühlt sich dabei, so scheint es, ganz wohl.«

      »Das sind die kriegerischen Naturen, Okka. Wie der Herrgott dich und mich gebildhauert hat, hat er ein bißle mehr Tonerde zwischen die Finger gekriegt. Der andere ischt harter Kristall.«

      »Meinst du? Ich weiß nicht. Glas ist auch hart und bricht doch leicht.«

      »Ha, man wird ja sehen, wie die psychologischen Welträtsel sich entwickeln. Ich bin jedenfalls froh, daß ich meine Anna Maria hab’ und meine Pensionsberechtigung. Das Heroisch-Interessante schau’ ich mir lieber aus gewisser Entfernung an. – Warum erschrickscht denn? Hat dich ein Teufel in die Waden gezwickt?«

      »So ähnlich. Ich kann Grevenhagen ja doch keine Andeutungen mehr machen.