Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich

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Название Zwei Freunde
Автор произведения Liselotte Welskopf-Henrich
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783957840127



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zu arbeiten anfängt, werde ich Sie von den Ergebnissen unterrichten.«

      »Sehr verbunden. – Der neue Etat ist übrigens heraus. Sie werden doch diesmal Regierungsrat?«

      »Nicht ehe Sie sich zum ›Ober‹ durchgerungen haben. Ich halte gern Abstand.«

      »Sie lieben die zweideutigen Komplimente. Aber warten Sie lieber nicht auf mich. Unter Grevenhagen sind meine Chancen nicht groß.«

      Das Gespräch verlor sich in Belanglosigkeiten. Als Nathan gegangen war, überlegte Wichmann, was zu tun sei. Er witterte Gefahr und war unruhig wie ein aufgestörtes Tier. Dennoch empfand er es jetzt als eine Wohltat, daß die Arbeit drängte. Er zwang sich zum Schweigen, Überlegen und Abwarten, bis er am späten Abend bei seinem Freunde Casparius saß. Frau Anna Maria und Dieta brachten die Drillinge zu Bett.

      Das Frauenlachen und Dietas helle Stimme waren bis in die ›Zelle‹ zu hören, die der Hausherr für sich gerettet hatte: das ›Halbe Zimmer‹ der kleinen Neubauwohnung, in dem der Schreibtisch von einer Wand zur anderen reichte und die beiden Sessel den restlichen Platz einnahmen. Casparius und Wichmann rauchten, sie streckten die Beine und legten den Arm auf die Sessellehne auf. Wenn sie einen Zug getan hatten und sprachen, schauten sie einander nicht an, sondern Wichmann blickte hinauf zu den drei Rissen an der Decke, um Wege von einem zum anderen zu finden, und Casparius betrachtete seine Stiefelspitzen, an denen die Sohlen dünn wurden.

      »Jetzt versteh’ i bloß des eine net, Wichmann, warum hat der Nathan des grad dir erzählt? Er schwätzt gern und viel, aber nicht ohne Überlegung, und wenn der mit seiner Neuigkeit zu dir läuft, so hat er eine ausgesprochene Absicht dabei. Ihr seid doch sonscht net grad Milchbrüder.«

      »Nein. Aber vielleicht hat er vermutet, daß ich etwas weiß, was er gern wissen möchte, und wollte mich ausholen. Man wirft ja auch mit der Wurst nach dem Schinken.«

      »So ungefähr muß er spekuliert haben. Und was soll ich jetzt in der Sache tun?«

      »Eine Zwiebelnase mit einem Namen auf ›burg‹–›bruck‹– oder ›krug‹ kannst du dich auch nicht erinnern in der Kreuderstraße kennengelernt zu haben?«

      »Doch – freilich.«

      »Kasper!«

      »Warum bischt denn du so aufgeregt? War übrigens des vielleicht derselbe Herr, den der Nischan beim Grevenhagen bespitzelt hat?«

      »Kann sein, ich weiß es nicht. Aber sag doch … du kannst dich an den Zwiebelnasigen erinnern?«

      »Ein Herr Schomburg ischt beim ›jour fix‹ gewesen, auf den möcht’ eure Beschreibung passen. Er hat kleine Auge hinter seinem Zwicker, und des Näsle formiert sich dicklich unter der platten Wurzel. Aber ’s mag auch mehrere Exemplare von der Sorte gebe …«

      »Wie heißt er denn?«

      »Schomburg – hab’ ich dir doch grad’ g’sagt. Ein Bankier ischt das. Komm, ich hol’ dir einen Schnaps, du bischt ja in einem Zustand! Lieber Freund und Tischgenosse!«

      Wichmann schüttete den angebotenen Trunk in einem Zug hinunter.

      »Wenn du mein Freund bist, Kasper, mußt du herausbringen, was der Kerl bei Boschhofer gewollt hat.«

      »Ich werd’ mein möglichstes tun. Wenn man die roten Flecken auf deinen Wangen sieht, mein lieber Spießgeselle, könnt’ mer glauben, daß du dem Grevenhagen gepumpt hascht.«

      »Daß Grevenhagen den ihm unterstellten, nicht beförderten Assessor um Kredit bittet, ja, das ist wahrscheinlich.« Wichmann lachte mit Absicht. »Vielleicht hätte ich ihm Kredit geben sollen, damit sich der Herr künftig etwas mehr für meine Beförderung interessiert.«

      »Auch ein Gedanke, ein guter sogar. Ich werde jedenfalls meine untersuchungsrichterliche Tätigkeit aufnehme. In drei Tagen ungefähr erschtatt’ ich dir Bericht. Des auch noch in der Hitz!«

      Die Tür öffnete sich um einen Spalt, ein freundliches Gesicht im blonden Lockenrahmen schaute herein. »Herr Casparius? Sie müssen Ihren Töchtern gute Nacht sagen!«

      »Das wolle mir freilich net versäume.«

      Der zärtliche Vater erhob sich, Wichmann blieb bequem im Sessel sitzen, und Dieta ließ, nach einigem Zögern, Casparius allein gehen und kam in das männliche Allerheiligste herein. Sie schlakste sich auf den zweiten Sessel, übermütig und doch mit einer gewissen Scheu, wie ein junger Hund.

      »Da sitzt ihr, Okka? Oh, das ist aber ganz fein hier, so gemütlich, nicht? Kommt ihr nachher noch wieder ein bißchen zu uns? Du hast mir noch gar nicht von deiner Segelpartie erzählt. Ist es sehr schön gewesen?«

      »Ganz nett.«

      »Ganz nett?! Wie du das sagst! O du, denk dir, wir haben euch vorbeifahren sehen am Eicheck, ja denke dir, und haben so gewinkt, und du hast uns gar nicht gesehen – bloß der schlanke Herr im weißen Anzug hat zurückgewinkt. War das Grevenhagen?«

      »Das wird er wohl gewesen sein, denn er hat mich nachher darauf aufmerksam gemacht, was ich versäumt habe.«

      »Du, der sieht aber fesch aus – und wer war denn die Dame in dem weißen Plisseerock? Frau Grevenhagen?«

      »Muß wohl – die andern Gäste weiblicher Gattung auf dem Boot trugen keine Plisseeröcke!«

      »Du, das ist ein wunderbares Boot, ganz wunderbar – wie das in Fahrt war, und prächtig habt ihr gesegelt, so kühn – Wie die Segel sich gebauscht haben, und ihr habt vor dem Wind gelegen, daß man dachte, ihr müßt kentern – aber immer wieder habt ihr’s gemeistert – du, ich war direkt stolz auf dich, wie du da mitgetan hast – du mußt doch ganz selig gewesen sein?«

      »Hat mir gefallen …«

      »Und denk dir nur, Schildhauf hat erzählt, daß das Boot vorigen Sommer ein Rennen gewonnen hat! Dieses Jahr hat Grevenhagen sich auch wieder zur Regatta gemeldet. Er soll sehr sportlich sein, war längere Zeit in England. Weißt du das schon? Die Regatta wollen wir uns dann ansehen, oh, bitte ja, Okka? Oder magst du jetzt gar nicht mehr mit mir in unserem kleinen Paddel sitzen?«

      »Doch … natürlich …«

      »O fein … du, ich freu’ mich ja so!«

      »Frau Annemarie ruft …«

      »Ja, jetzt hab’ ich meine Lieblinge versäumt – kommst mit hinüber, Okka? Annemarie hat uns noch einen Punsch gebraut, Zitronenpunsch. Das ist doch sehr freundlich von ihr?« Oskar und Dieta sagten in der gegebenen Gesprächsatmosphäre beide ›Annemarie‹ und nicht das im kleinen Heim für ihre Ohren geschraubt klingende Anna Maria. Warum legten Kasper und das Heckenröschen darauf überhaupt Wert? Wichmann wischte die Frage weg; sie schien jetzt nicht wichtig. Man vereinigte sich im Wohn- und Eßzimmer um die dickbauchige Bowle, aus der Casparius mit dem Glaslöffel Flüssigkeit schöpfte und schlüpfrige Zitronenscheiben fischte. Die Frauen lachten in einem fort, und die Männer, die erst den Kopf geschüttelt hatten über eine so ursachlose Bewegung, lachten endlich mit, wobei sie als Grund die grundlose Betätigung der weiblichen Gesichtsmuskeln vorschützen konnten.

      Drei Tage später saß Eugen Casparius bei seinem Freunde Wichmann im Klubfauteuil. Die grüne Stehlampe beleuchtete belegte Brote und den Tee, den Martha gebracht hatte. Als man bei den Zigaretten angelangt war, begann Kasper zu berichten.

      »Ich habe ungeahnte Fähigkeiten entwickelt, lieber Wichmann, hoffentlich bischt du zufrieden. Aber des muß ich sage, die Lundheimer, die Klatschbas, gehört ja eigentlich entlassen. Ich möcht’ wissen, ob der Boschhofer etwas ahnt von diesem Kanal, der vornehmlich die geischtigen Abwässer aus seinem Zimmer in die weitverzweigte Abteilung leitet.«

      »Du kannst ihn ja mal drauf aufmerksam machen.«

      »Ich bin ein kleiner Mann, mein Freund, und schaue zu den Belangen der Großen dieser Welt nur mit ehrfürchtigem Staunen und gelegentlichem inwendigem Räuspern hinauf. Aber daß mir zur Sach’ komme …«

      »Ja? Was wollte denn der Kerl? Hast du