Torus der Tloxi. Matthias Falke

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Название Torus der Tloxi
Автор произведения Matthias Falke
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783957770301



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ging darauf nicht ein. Es war klar, dass eine solche Äußerung in ihren Ohren nicht mehr als ein Totschlagargument sein konnte.

      »Ist dir etwas aufgefallen?«, fragte ich.

      Sie hob nicht einmal die Augenbrauen.

      »Alle Kulturen«, führte ich aus, »die sich zu uns bekennen oder uns in einer Art von wohlwollender Neutralität begegnen, sind technisch rückständig. Die meisten betreiben nicht einmal eigene Raumfahrt …«

      Sie sah mit in sich gekehrten Blicken zur Scheibe aus polarisierendem Elastalglas hinaus. Dabei verzog sie keine Miene, sie schien nicht einmal zu blinzeln. Im harten blauen Eislicht dieser Stunde war sie wie ein Standbild, eine lebende Statue, eine griechische Göttin, deren Sympathie man mehr zu fürchten haben würde als ihren Zorn. Ihr Kuss war verheerender als ihr Fluch.

      »Die Tloxi«, wandte sie ein, »sind die technisch am höchsten entwickelte Zivilisation, die wir kennen. Sie sind selbst uns überlegen. Und sie waren die Ersten, die der Union beigetreten sind.«

      Manchmal wusste ich nicht, ob sie etwas nur aus reinem Widerspruchsgeist sagte oder weil sie es glaubte.

      »Lass mich mit den Tloxi«, fuhr ich sie an. »Kein Mensch weiß, was sie wirklich sind und was sie wollen. Auf ihre Loyalität würde ich mich lieber nicht verlassen.«

      Jennifer schwieg.

      »Ich denke an die Amish, die nicht einmal ein Shuttle steuern können und die stolz darauf sind, mit der Spitzhacke in ihre Minen einzufahren. An die Prana-Bindu – du brauchst sie jetzt nicht zu verteidigen. Sie sind uns spirituell in dem gleichen Maße über wie die Tloxi technologisch. Aber wenn wir keinen Kurierdienst eingerichtet hätten, wären sie nicht hier. Der oder die G.R.O.M., was immer sie sein mögen, die kuLau. Falls es uns gelingt, sie auf unsere Seite zu ziehen. Die Zthronmic scheinen sie schon heftig zu umwerben!«

      Mit einem Ruck wandte sie sich mir zu. Ihr Blick war so hart, dass ich erschrak. Jede Seele, jede Weiblichkeit war daraus verschwunden.

      »Eben, du Schlaumeier«, sagte sie so leise, dass es drohend klang. »Merkst du eigentlich, was du da redest?«

      Ich war verwirrt.

      »Die Zthronmic …«, versuchte ich laut nachzudenken.

      Jennifer wandte sich wieder ab. Ich folgte ihrem Blick. In der Tiefe trieben die Schiffe auf ihrem Parkraum. Auch sie schimmerten jetzt im metallischen und kalten Licht des blauen Sterns. Es sah aus, als hätten sie sich im Frost des Vakuums mit Reif und Eis bedeckt.

      Die MARQUIS DE LAPLACE überragte das Feld, obwohl die anderen Schiffe zu dreien oder vieren voreinander lagen. Nur eines gab es, das ihr Konkurrenz machte. Das war die ZTHRONMA, das Pfalzschiff der Zthronmic, in dem sie verschwenderisch Hof hielten und, so gingen die Gerüchte, die anderen Delegationen zu wilden Orgien einluden. Es war ein brutal wirkender Zerstörer, ein weiterentwickeltes Schlachtschiff der sinesischen Feng-Klasse. Ein Gebirge aus Stahl, mit Zacken, Dornen und Rammschilden besetzt wie die Kampfanzüge der Zthronmic. Es war mehrere Kilometer lang, viel Milliarden Tonnen schwer. Das einzige Schiff, das die Liga der MARQUIS DE LAPLACE für sich beanspruchen konnte und das ihr in einer direkten Auseinandersetzung gefährlich werden würde.

      Ich begriff, was Jennifer sagen wollte.

      »Sie schicken sich an«, sagte ich langsam, »das Machtvakuum zu besetzen, das die Zerstörung Sinas aufgerissen hat.«

      Der Hauch eines Lächeln ritzte ihre kühlen Wangen. Das Lächeln einer Pallas Athene.

      »Aha «, spottete sie sanft. »Du fängst an, wie ein Politiker zu denken.«

      Ich schob zweifelnd die Backen auseinander.

      »Die einzige Kultur, die uns gefährlich werden kann, sind sie«, führte sie aus. »Sie sind die Einzigen, für die diese Ambition eine realistische Option darstellt. Sie sind militärisch stärker als alle anderen zusammen. Und sie sind von Haus aus ein kriegerisches, äußerst aggressives Volk.«

      »Davon konnte ich mich überzeugen«, wagte ich einzuwerfen.

      Jennifer nickte zustimmend. Aber darin war auch Ungeduld.

      »Genau!« Sie grinste. Dann wurde sie wieder ernst. »Aber wir dürfen nicht zulassen, dass sie diese Leerstelle besetzen. Sie wären schlimmer als die Sineser selbst.«

      Ich musste mich zusammenreißen, nicht laut loszuprusten.

      »Jetzt tut ihr ihnen aber doch zu viel der Ehre an.«

      »Sina hat immer auch als Stabilitätsfaktor gewirkt«, fuhr sie ungerührt fort, »in seiner Einflusssphäre jedenfalls. Es hatte enorme integrierende und organisierende Fähigkeiten. Gestützt auf das technische Ingenium der Tloxi, ihren Fleiß und ihre durchgebildete Struktur, haben sie ein Herrschaftssystem errichtet, das funktioniert hat.«

      »Bis wir sie zur Hölle geschickt haben«, sagte ich.

      »Sina hat seine Räume effizient verwaltet. Es hat Kulturen unterdrückt und Widerstände im Keim erstickt. Aber es hat ein prosperierendes Imperium geschaffen, das der halben Galaxis Ordnung und Frieden brachte.«

      Ich schüttelte den Kopf. Was sollte diese Lobrede auf eine Militärmaschinerie, die ausgeschaltet zu haben wir uns glücklich schätzen konnten?

      »Friedhofsruhe«, rief ich. »Die Ordnung eines Straflagers, die Stille eines Kerkers. Du tust so, als hätten wir einen Palast eingerissen, als wir sie vernichteten, dabei war das höchstens ein Mausoleum, ein Völkergefängnis …«

      »Eben!«, rief sie jetzt ebenfalls. Meine Renitenz amüsierte sie mehr, als dass diese sie aus dem Konzept gebracht hätte. »Und die Trümmer davon fliegen uns jetzt um die Ohren! Die Zthronmic sind nicht in der Lage, etwas Vergleichbares an die Stelle dessen zu setzen, was die Sineser hinterlassen haben. Sie sind Krieger, Raubritter, Despoten. Kann sein, sie würden anfangen, ihre Nachbarvölker mit Krieg zu überziehen und sie zu unterwerfen. Doch das würde niemals in eine stabilisierende Struktur münden. Die Galaxis würde in einem Zeitalter von lokalen Konflikten, kleinen Kriegen und endlosen Streitereien versinken.«

      Ich zuckte die Schultern.

      »Dann sollten wir es nicht so weit kommen lassen.«

      Noch immer wusste ich nicht, was die ganze Überlegung sollte.

      »Machen wir ihnen eben den Garaus«, sagte ich. »Solange alle Macht bei uns liegt. Stattdessen hofieren wir sie und geben ihnen ein Forum, eine der kleineren und schwächeren Kulturen nach der anderen auf ihre Seite zu ziehen. Wir geben ihnen sogar recht, indem wir uns selbst als schwach und zögerlich präsentieren. Warum statuieren wir nicht ein Exempel?!«

      Jetzt lag offener Schmerz auf Jennifers gestählter Miene.

      »Das haben wir im Falle Sinas bereits getan«, erklärte sie. »Wenn du dich auf den Gängen umhörst, wirst du merken, dass wir in keinem guten Licht dastehen. Wir gelten als die Aggressoren. Unser Handeln gegenüber Sina wird als überzogen empfunden.«

      »Wir haben uns nur zur Wehr gesetzt!«

      »Gewiss. So sehen wir das. Aber es gibt andere Völker, mit anderen Traditionen, die es anders sehen. Wenn wir jetzt auch noch mit den Zthronmic anbandeln würden, hätten wir erst recht den Ruf des Unruhestifters weg. Wir würden ihnen alle kleinen Völker in die Arme treiben.«

      »Löschen wir sie aus!«

      »Das würde nicht gerade als Empfehlung wirken.«

      So kamen wir nicht weiter. Ich sah ein, dass es nicht darum ging, mit ihr zu rechten. Sie gab nur wieder, was in diesen Tagen rund um die Eröffnung des Kongresses auf den Fluren und in den Kabinetten diskutiert wurde.

      Im Stillen wunderte ich mich selbst darüber, dass ich mich als Falke gerierte. War ich so wild auf einen neuen Krieg? Das sicher nicht. Der letzte lag uns schwer genug in den Knochen. Ich hatte nicht vor, einen weiteren zu erleben. Wie eine ferne Ahnung an ein früheres Leben tauchte eine Erinnerung auf. Sie schimmerte in einem idyllischen Licht wie die Erinnerung an einen