Название | Torus der Tloxi |
---|---|
Автор произведения | Matthias Falke |
Жанр | Научная фантастика |
Серия | |
Издательство | Научная фантастика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957770301 |
Ursprünglich war vorgesehen gewesen, dass General a. D. Rogers die Ansprache halten, die Völker begrüßen und den Kongress für eröffnet erklären sollte. Es hatte im Vorfeld jedoch scharfe Proteste vonseiten jener Delegationen gegeben, die man inzwischen die Sinesische Fraktion nannte. Sie hatten Dr. Rogers für befangen erklärt, da er vor Persephone den rechtswidrigen Einsatz von Antimaterie-Waffen befohlen und sich so eines Kriegsverbrechens schuldig gemacht habe. Außerdem sei er für die Auslöschung Sinas in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verantwortlich. Beide Anschuldigungen sollten vor einem unabhängigen Tribunal untersucht werden. Auch hier hatte man sich bereit erklären müssen, die Einsetzung und Zusammensetzung eines solchen Tribunals zum Gegenstand der ordentlichen Verhandlungen zu machen.
Als Ruhe eingekehrt war und die Delegierten ihre Plätze wieder eingenommen hatten, erhob Salana die Stimme. Er war um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Und es war ihm anzumerken, wie er beim Abfassen seiner Rede größtmögliche Sorgfalt darauf verwandt hatte, jedes einzelne Wort so neutral und unverfänglich zu halten, wie dies überhaupt nur möglich war.
»Ehrwürdige Vertreter, Repräsentanten, Räte und Delegierte«, begann er, »es ist mir eine große Ehre, Sie alle in der Großen Agora des Torus willkommen zu heißen und zu diesem Galaktischen Kongress begrüßen zu dürfen. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass für uns alle die Empfindung des Neuen und Fremden überwiegt. Wir müssen zuerst eine gemeinsame Sprache finden, eine Tagesordnung erarbeiten, unsere Aufgabe definieren. In diesem Sinne bitte ich um Ihrer aller Kredit, sollte ich bei dieser Begrüßung unwillentlich Gefühle verletzen oder Traditionen beflecken, Tabus brechen oder mir sonstige Entgleisungen zuschulden kommen lassen, von denen ich hier nur versichern kann, dass sie unbeabsichtigt wären und von mir zutiefst bedauert werden würden.«
Er ließ eine kurze Pause entstehen. Während der wenigen Worte war es schon wieder laut im Saal geworden. Zwischenrufe in allen Sprachen und Idiomen der Galaxis waren aufgebrandet. Die Protokoll-KIs verzeichneten mehrere Dutzend Einwände. Die Kraft seines Schweigens reichte aber hin, dass der Geräuschpegel allmählich wieder sank.
»Wir haben unruhige Zeiten hinter uns. Ein großer Krieg wurde ausgefochten. Schwere Schlachten wurden geschlagen. Die Galaxis stand am Abgrund, am Rande der Zerstörung. Noch lange wird sie die Narben dieses Ringens tragen.«
Sofort setzte Gebrüll vonseiten der Zthronmic und der Laya sowie einiger anderer Kulturen ein, die eng mit den Sinesern zusammengearbeitet hatten.
»Lassen Sie mich fortfahren!«, rief Salana. »Über alles, was Ihnen an diesen Worten zu beanstanden sein mag, wird in den Ausschüssen zu beraten sein. Jeder Einwand wird zu Protokoll genommen. Jeder Einspruch wird in den folgenden Tagen und Wochen zur Diskussion angenommen. Jeder einzelne Punkt wird noch geklärt werden!«
Er trank mit demonstrativer Ruhe einen Schluck Wasser.
»Wir sind heute hier zusammengekommen, um die Galaxie neu aufzubauen. Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Weltensystems begegnen sich Dutzende von Völker und Kulturen, die bis jetzt einander oft kaum dem Hörensagen nach kannten. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung. Uns kennen zu lernen und auszutauschen, zunächst, und dann, unsere ehrwürdige Heimatgalaxis, die wir die Milchstraße nennen, friedlich zu erschließen. Weit entfernt, die Rolle eines Hegemons oder Imperiums einnehmen zu wollen, bietet die Union sich als Plattform an. Wir erstreben weder eine Vorherrschaft noch Privilegien, wir wollen weder Klassensprecher noch Primus inter Pares sein – ich hoffe, die Übersetzer-KIs finden Entsprechungen zu dieser Redensart in Ihren jeweiligen Sprachen. Wir verstehen uns auf diesem Kongress als Gastgeber und Moderatoren, aber wir sind bereit, auch diese Rolle abzugeben, wenn die Mehrheit des Plenums dies wünscht und das Mandat einem anderen Teilnehmer überträgt.«
Wieder war die Unruhe sehr stark geworden. Während der Sinesische Flügel jedes Wort Salanas mit lautem Gebrüll begleitet hatte, waren andere Delegationen – hauptsächlich jene der neutralen Fraktionen – in eisiges Schweigen verfallen. Die Amish saßen mit versteinerten Mienen da, die Arme vor der Brust verschränkt, die Augen voller Verachtung, wobei sie den Tumult auf der anderen Seite des Plenums ebenso wenig zur Kenntnis nahmen wie die Handreichungen des Protokollarischen Dienstes. Salanas bis zur Selbsterniedrigung gehender Vortrag prallte an ihnen ebenso ab wie sein Lächeln und seine einstudierten Gesten, die gewinnend wirken sollten. Als er im Manuskript fortfuhr, wurde seine Stimme angestrengter, sein Ton brüchiger, sein Ausdruck verzweifelter.
»Die Union repräsentierte bislang die Menschheit, die führende Spezies des Planeten Erde. Bis jetzt hat sich das Volk der Tloxi ihr angeschlossen. Ein solcher Beitritt ist eine der Möglichkeiten, die wir uns vorstellen könnten, um unserem gemeinsamen Willen, die Galaxis in Frieden zu gestalten, Ausdruck zu verleihen und ihr einen institutionellen Rahmen zu geben. Selbstverständlich sind auch andere Formen der Zusammenarbeit möglich.«
Ganze Delegationen sprangen von ihren Sitzen auf.
»Wir wollen keine Zusammenarbeit!«, riefen sie.
Manche schrien in Uniertem Englisch auf Salana ein, andere bedienten sich der Übersetzungsautomatik, aus deren Kanälen eine undurchdringliche Kakophonie auf den Hohen Repräsentanten einprasselte.
»Wir wollen Entschädigung! Wir verlangen Restitution und Rehabilitation! Freiheit und Selbstbestimmung! Keine Einmischung in unsere Angelegenheiten! Das ist kultureller Imperialismus!«
Salana trat einen Schritt zurück. Im holografischen Livestream, der an die Stirnwand projiziert wurde, sah man, dass seine Hände zitterten. Jorn Rankveil, der sich dicht hinter ihm gehalten hatte, fasste ihn an der Schulter und flüsterte ihm ins Ohr:
»Gehen Sie nicht darauf ein. Lassen Sie sich nicht provozieren. Die warten nur darauf, dass ein falsches Wort ihnen den Vorwand gibt, die Sache hinzuschmeißen …«
Salana nickte und ging wieder ans Pult.
»Das alles wird zur Sprache kommen«, sagte er. »Heute geht es darum, uns gegenseitig unseres Vertrauens zu versichern. Wir alle sind Bürger dieser Galaxis. Dutzende hoch entwickelter und dabei höchst unterschiedlicher Völker, Rassen, Spezies und Kulturen. Wir werden hier den Grundstein für ein friedliches Miteinander legen. Dieser Kongress wird die Basis für das Erblühen unserer gemeinsamen Heimat schaffen und die Gründungsfeier einer neuen, Tausende von Welten überwölbenden Zivilisation sein.«
Es wurde ruhiger. Man schien abwarten zu wollen, welche Angriffsflächen Salana bot. In den Wohnmodulen und auf den Schiffen draußen im Parkraum arbeiteten schon jetzt Hunderte von Anwälten und Referenten, Persönlichen Beauftragten und Völkerrechtlern, die die Rede im Livestream verfolgten, an ihren Eingaben, die sie in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten den Kommissionen und Ausschüssen vorlegen würden, an Protestnoten und Petitionen, an Forderungen und Anträgen.
»Ich biete«, schloss Salana, »ich biete allen, die anderer Ansicht sind, den offenen und unvoreingenommenen Dialog an. Und ich begrüße alle, die bereit sind, an der gemeinsamen Aufgabe mitzuarbeiten. Ich erkläre den Ersten Galaktischen Kongress für eröffnet! Lassen Sie uns in Frieden beginnen!«
Noch während seine letzten Worte durch den Saal hallten, brach der Tumult wie eine Flutwelle über ihm zusammen. Die Unionsvertreter spendeten demonstrativ Applaus. Ebenso die Tloxi und einige andere der wohlwollenden Delegationen. Sie waren in der Minderheit. An der Rampe zogen Soldaten des Wachdienstes auf, um zu verhindern, dass die Zthronmic die Tribüne stürmten. Salana und sein Stab wurden unter Sicherheitsvorkehrungen hinausgebracht.
Sowie die Bühne leer war, beruhigte sich auch das Parkett. Die Delegierten verließen das Plenum. Auf den Zwischengängen kamen sie mit ihren Beratern zusammen, die der Rede in ihren Besprechungszimmern gefolgt waren. Sie begannen, den Auftakt des Kongresses zu analysieren und das weitere Vorgehen zu besprechen.
Vereinzelt kam es zu delegationsübergreifenden Kontakten. Die Gruppen, die lose zu Flügeln oder Fraktionen zusammengehört hatten, knüpften erste konkrete Gespräche an, um ihre Strategien für die Verhandlungen zu koordinieren. So sah man auf einem der Gänge einen Vertreter der Amish, der bemüht war, die Abordnung des Prana-Bindu-Ordens, die auf der Beobachtertribüne Platz