Auf der anderen Seite der Schwelle. Raimund August

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Название Auf der anderen Seite der Schwelle
Автор произведения Raimund August
Жанр Короткие любовные романы
Серия
Издательство Короткие любовные романы
Год выпуска 0
isbn 9783957448019



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ein, „so lange, bis die Schwiegermutter mit ins Ehebett kroch.“

      „Stimmt“, bestätigte Eberhard Meier, „ab da ging dann der Krach los.“

      Der Ingenieur lachte. „Also ich muss schon sagen, ich staune bloß wie du das ausgehalten hast. Das ging doch nicht gleich in der Hochzeitsnacht los oder?“

      „Nein, nein, natürlich nicht. Das war viel später und fing auch ganz allmählich an …“

      „Erst einmal, dann öfter und dann immer?

      „Ja schon, so ähnlich …“

      „Was ich auch nicht verstehe, wie hat denn eigentlich deine Frau reagiert?“

      „Ja, was soll ich sagen? Das erste Mal hatte ihre Mutter vor einem heftigen Gewitter Angst gehabt. Jedenfalls sagte sie das.“

      „Hatte sie da schon gleich Ansprüche gestellt?“

      „Nein, keinesfalls! Meine Frau hatte auch nichts dagegen, dass ihre Mutter aus Angst vor dem Gewitter mit ins Bett kam. Das war alles harmlos.“

      „Entschuldige meine Neugier und du musst auch nicht antworten“, bohrte der Ingenieur weiter, „aber ich habe eine so vertrackte Geschichte noch nie gehört und wie kam’s dann zu den weiteren Übergriffen, also wenn man das mal so nennen will?“

      „Ja, wie kam’s dazu?“ Eberhard Meier starrte kurz auf den Dielenboden und hob dann wieder den Kopf. „Wir drei hatten an einem Abend zusammen Wein getrunken, aber nicht übermäßig. Wir lagen gerade im Bett, da kam auf einmal Hildegard schon im Nachthemd aus ihrem Zimmer. Ihr ist so kalt in ihrem einsamen Bett und sie muss sich deshalb bei uns aufwärmen, sagte sie. Ich weiß dann auch nicht mehr was mit uns los war, vor allem mit mir … der Alkohol oder so …“, und er hob dazu unschlüssig die Schultern. „ Jedenfalls forderten mich beide heraus. Im Nachhinein könnte man denken, das war abgesprochen, aber ich weiß es einfach nicht. Und meine Frau war nach all dem auch nicht böse. Dann öfter und dann für immer, bis es in Zank und Krach überging.“

      „Warst du denn immer in der Lage? Also ich meine …“ Meier wiegte den Kopf. „Meistens schon“, sagte er, „aber zuletzt immer weniger.

      Doch warum sollte ich meine Frau erschlagen? Wir hatten uns wenig gezankt.

      Die beiden Weibstücke dafür um so mehr. Die Hildegard hat gelogen. Sie war’s.

      Und ich bin nun der Mörder.“

      „Na, nicht Mord. Du bist ja wegen Totschlags verurteilt.“

      „Ist doch alles gleich“, winkte Meier ab.

      „Das stimmt nicht. Aber 15 Jahre dafür, wenn man weiß, dass man unschuldig ist? Ist schon ’n Hammer. Das kann man sich kaum vorstellen.“

      „Du hast vorhin gesagt“, wandte Sebastian sich an Eberhard Meier, „du hattest eine Richterin.“

      „Ja.“

      „Die ich hatte hieß von Ehrenwall“, fuhr Sebastian fort, „ Direktorin des I.

      Strafsenats, so in mittleren Jahren.“

      „Nee, bei mir nicht, die war auch jünger.“

      „Wohl wieder so ’ne berüchtigte Volksrichterin“, mischte der Ingenieur sich ein, „mit so ’nem drei mal sechs Wochen Schnellsiedekurs in sozialistischer Rechtskunde. Übrigens, von Ehrenwall, deine Direktorin des I. Strafsenats hier in Cottbus“, sprach er Sebastian an, „ist auch keine Juristin.“

      „Also wenn die eine Neue Justiz haben wie sie behaupten“, sagte Totila, „dann brauchen sie doch auch neue Juristen …“ Der Ingenieur lachte. „Die sie noch nicht haben“, erklärte er.

      „Und die ganzen Anwälte heute?“, fragte Totila.

      „Sind noch immer die alten.“

      „Wie passt das zusammen? Ist denn das derart austauschbar?“

      „Ich denke, das kann man drehen und wenden wie man will“, erklärte der Ingenieur. „Jedes Rechtssystem muss ja nicht rechtens sein, besteht aber immer aus Paragraphen und Artikeln, ob nun auf diktatorischer oder demokratischer Grundlage. Deshalb“, fügte er noch hinzu, „und das scheint mir eben auch problematisch, deshalb haben Juristen zu allen Zeiten systemübergreifend ihre Finger im politischen Spiel gehabt und wurden dafür nie oder kaum belangt.“

      „Das hört sich aber böse an“, sagte Totila.

      „Böse oder nicht, das ist die Realität, was soll’s.“

      „Auch in demokratischen Ländern?“, fragte Sebastian.

      Der Ingenieur lachte wieder. „Die Frage musste ja kommen“, sagte er. „Ja, auch dort“, betonte er dann. „Aber Demokratie ist nicht nur ein Wort“, fuhr er fort, „also da muss man verdammt aufpassen. Das ist nie ein für allemal und von selbst gegeben. Merkt euch das ruhig“, sagte er, „sollte es euch mal in demokratische Länder verschlagen. Lasst euch auch dort nichts von Sozialistischer Demokratie vorgaukeln, von wem auch immer, die gibt es nicht.“

      Wenige Tage später wurde dem Strafgefangenen Eberhard Meier der Revisionsverhandlungstermin schriftlich mitgeteilt. Dazu wurde ihm sein Urteil mit Begründung in die Zelle gereicht.

      „Übermorgen ist schon Termin“, verkündete Meier leicht verschreckt, nachdem er die Ladung gelesen hatte.

      „Nanu? Die sind ja wirklich mal schnell“, wunderte Sebastian sich.

      „Ist das da dein Urteil?“, fragte der Ingenieur und wies auf ein Bündel DIN A4-Blätter auf dem Tisch.

      Meier blickte verwirrt hin. „Ja, ja, sicher“, sagte er, „klar, mein Urteil“, und nahm es vom Tisch. Der Ingenieur nickte zustimmend. „Wir werden’s uns genau ansehen, wenn du nichts dagegen hast und raus finden, worauf die sich berufen haben. Und dann können wir dir sagen worauf du dich in der Verhandlung festlegen musst. Ich nehme an, dein Pflichtverteidiger könnte auch dabei sein. Wenn nicht, dann ist das auch kein Schaden. Du musst nur das vorbringen, was du uns erzählt und dem Gericht damals vorenthalten hast.“

      Schließlich las Totila den Text des Urteils laut vor, alle saßen dabei um den Tisch auf ihren Schemeln und hörten zu.

      Die einhellige Meinung danach: Das Urteil sei total einseitig.

      Der Ingenieur sah sich im Kreise um. „Das ist schon so wie wir’s uns dachten“, erklärte er dann und wandte sich an Eberhard Meier: „Das hast du ja nun auch gemerkt. Es ist prizipiell ganz einfach. Du musst die Bettgeschichten erzählen mit der Bemerkung, dass du das vor Gericht damals nicht vorgebracht hattest, weil es dir zu peinlich gewesen sei. Vergiß das nicht. Und dann das Wichtigste: Das Blut an den Sachen und der losgemachte Hund auf dem Hof. Aber schlimm ist es schon“, fügte er noch hinzu, „dass du das damals nicht gleich vorgebracht hast. Schließlich gibt es für all das keine Zeugen …“ „Aber für die Aussagen der Schwiegermutter als Zeugin doch auch nicht“, warf Sebastian ein.

      „Das ist richtig, aber der Angeklagte hätte das alles damals gleich vorbringen müssen. Das Ganze ist nun mal ein Indizienprozess.“

      „Ich denke Blutgruppen feststellen kann man doch“, gab Totila zu bedenken.

      Klaus, der Ingenieur, zuckte mit den Schultern. „Das ist zu hoffen, ich weiß es aber nicht.“

      Eberhard Meier wurde am übernächsten Tag gleich früh aus der Zelle geholt und kam schon gegen Mittag wieder zurück. Er habe sich auf der Kammer seine Zivilsachen anziehen müssen, erzählte er. Und dann vor Gericht: Das sei dort alles sehr schnell gegangen. Er habe das mit dem Bett und der Schwiegermutter und dem zunehmenden Zank der Frauen untereinander vorgebracht und dazu auch gesagt, dass er das vor Gericht damals nicht erwähnt hätte, weil es ihm zu peinlich gewesen sei. Das mit dem Hund und dem Blut an den Sachen habe er in der Verhandlung ebenfalls geschildert. Die hätten sich auch alles angehört. „Ich habe aber schon bald gespürt, dass die sich für meine Schilderungen gar nicht interessierten. Die wurden