Auf der anderen Seite der Schwelle. Raimund August

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Название Auf der anderen Seite der Schwelle
Автор произведения Raimund August
Жанр Короткие любовные романы
Серия
Издательство Короткие любовные романы
Год выпуска 0
isbn 9783957448019



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wenn deine Schwiegermutter schwanger geworden wäre. Vom Alter her wär’s ja noch grade so drin gewesen. Aber wieso haben die ausgerechnet dich für den Tod deiner Frau verantwortlich gemacht?“

      „Genau das ist es“, antwortete Eberhard Meier plötzlich lebhaft geworden. Das konnte nur die Mutter gewesen sein, beteuerte er. „Das habe ich auch dem Gericht gesagt, aber die glauben mir nicht.“

      „Eine Mutter, die ihre Tochter erschlägt?“

      „Ja warum nicht? So kann es bloß gewesen sein, aus Eifersucht.“

      „Aber dem Gericht hast du nicht alles so erzählt wie uns hier …“

      „Konnte ich gar nicht. Die wollten’s nicht wissen.“

      „Und dein Anwalt?“

      „Der sagte immer, nur die Fakten zählen.“

      „Na dann erzähl doch mal, aber nur wenn du’s willst, also die Fakten, was waren denn das für Fakten?“

      „Na ja“, begann Eberhard Meier wieder etwas zögerlich mit seiner Geschichte, „an einem Abend …“, und er wischte sich kurz mit der Hand über Stirn und Augen. „Also an diesem Abend“, fuhr er dann fort, „da hat’s wieder mal richtig Krach gegeben.“

      „Im Bett?“

      „Ja, aber auch vorher schon.“

      „Und du? Wie hast du dich verhalten? Hast du …?“

      Eberhard Meier schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Um Gottes willen nein!

      Ich wollte doch nicht dazwischen geraten. Und am nächsten Morgen, die Türen flogen schon wieder, da bin ich schleunigst abgehauen auf Arbeit. Die Mittagspause … also Mittag hab ich doch immer zu Hause gegessen. Und mit dem Fahrrad ungefähr zwanzig Minuten. Als ich auf den Hof fuhr und das Rad abstellte, hatte ich auf einmal so’n komisches Gefühl, vor allem als Rex der Schäferhundrüde mir entgegen kam, der sonst immer an der Kette lag. Der stieg an mir hoch und winselte … Als ich zur Haustür ging, lag da meine Frau und alles voller Blut um ihren Kopf. Das erschreckte mich erst mal und wunderte mich auch. Was war denn da passiert? Meine Frau war tot und schon ganz kalt als ich ihr Gesicht anfasste. Ich bin gleich ins Haus und hab nach der Schwiegermutter gerufen, aber niemand rührte sich. Es war ganz still … Vielleicht, dachte ich, vielleicht ist die Frau gestolpert und im Haus die steile Treppe runtergefallen bis vor die offene Haustür. Aber wieso stand die offen? Das war sie doch sonst nicht und Hildegard, also die Mutter meiner Frau, nicht im Haus, nicht da … Ich kettete noch den Hund an und lief dann gleich in die Kneipe um die Ecke und klingelte dort Sturm. Die hatten ja am Tage geschlossen, aber auch ein Telefon und öffneren auf mein Klingeln. Ich rief dann den Notdienst an und sagte denen, dass meine Frau tot ist, vor der Haustür liegt, vielleicht ein Unfall, sagte ich. Aber bei Tod kommt wohl immer gleich die Polizei. Und so war es auch. Ich konnte denen nicht erklären, wo die Hildegard hin ist. Keine Ahnung, sagte ich auf deren Frage.“

      Die Zellengenossen saßen regungslos auf ihren Schemeln oder standen an die Bettgestelle gelehnt und hörten zu.

      Der Eberhard Meier, der verurteilte Frauen- und Gattenmörder, stand im Gang zwischen den Betten, mit dem Rücken zum Fenster, hinter dem sich das von der Nachmittagssonne beschienene Laub der Kastanienbäume in leichtem Wind bewegte.

      „Also die wiederholte Frage nach der Schwiegermutter, die konnte ich einfach nicht beantworten. Was wusste ich, warum die nicht da war. Ich müsste mitkommen, sagten die mir, auf die Dienststelle nach Calau. Ich dachte doch, dass ich am selben Tage wieder zurück sein würde, aber das war nicht so. Die brachten mich ins Gerichtsgefängnis. Und dort wollten die mir einreden, ich sollte öfter Streit mit meiner Frau vom Zaun gebrochen haben. Ich sagte denen dagegen, dass meine Frau dauernd Zoff mit ihrer Mutter hatte …“ „Von der Ehebettgeschichte“, unterbrach Klaus, der Ingenieur, „hast du denen nichts erzählt?“

      „Nee“, Meier schüttelte den Kopf, „, das war mir zu peinlich.“

      „Mann!“ Der Ingenieur sprang vom Hocker hoch, „Wenn du das nicht erzählt hast, und vom ständigen Krach zwischen Mutter und Tochter, dann hast du dich als Täter ja förmlich angeboten. Es kommt nicht drauf an, dass du’s nicht warst, sondern dass du es beweisen oder wenigstens glaubhaft machen konntest.“

      Eberhard Meier stand mit gesenktem Kopf da und zuckte mit den Schultern.

      „Ich geb’ dir ja Recht“, sagte er. „Im Gefängnis“, erzählte er dann weiter, „haben die mir meine Sachen weggenommen. Ich musste ’ne alte Uniform anzieh’n.

      An meinen Sachen ist Blut von meiner Frau haben die mir gesagt.

      Auch ein Beweis meiner Schuld meinten die. Sie wollten dann wissen, mit welchem Gegenstand ich zugeschlagen habe. Meine Frau, sagten die mir, ist von einem harten Gegenstand getroffen worden, bevor sie dann noch zusätzlich die Treppe runtergestoßen wurde. Meine Schwiegermutter hat auch ausgesagt, dass sie mich nicht direkt beim Totschlag gesehen hat, dass ich aber am Abend vorher mächtig Streit mit meiner Frau gehabt hätte, mit der Drohung sie tot zu schlagen. Der größte Quatsch natürlich. So was hatte ich nie gesagt. Streit hatte ich ja, wenn überhaupt, nur wegen der Schwiegermutter.“

      „Und das hast du alles so über dich ergehen lassen, hast nicht erzählt was sich wirklich abgespielt hat?“

      „Ich hätte doch keine Zeugen gehabt.“

      „Deine Schwiegermutter auch nicht“, erklärte der Ingenieur. „ Also wirklich, du musst doch ’n Knall haben. Und das Blut an deinen Sachen? Da ist doch der Hund an dir hochgesprungen, der frei auf dem Hof herumgelaufen war. So liegt’s doch auf der Hand wie das Blut an die Sachen kam. Hast du dem Gericht das mit dem Hund nicht erzählt? Eigentlich hätte dein Pflichtverteidiger oder auch das Gericht selber darauf kommen müssen.“

      Eberhard Meier zuckte wieder mit den Schultern. „Darauf war auch ich damals nicht gekommen.“

      „Du meine Güte! Das wichtigste Indiz und du hast es vergessen.“ Der Ingenieur stand in der Zelle Meier gegenüber und schüttelte den Kopf. Wir glauben dir natürlich“, dazu sah er sich in der Zelle um und auch Sebastian und Totila stimmten dieser Einschätzung zu.

      Natürlich begriffen alle: Da gab’s die Aussage der Schwiegermutter: Sie sei beim Streit des Schwiegersohns mit ihrer Tochter in Panik davongerannt. Sie habe schreckliche Angst gehabt und das hatte sie wohl glaubhaft bei der Vernehmung und auch vor Gericht rüberbringen können. Ein Kantholz mit Blutspuren des Opfers war schließlich noch im Holzschuppen gefunden worden. Hierzu schien die Meinung vorgeherrscht zu haben: Mit einem Kantholz schlägt ein Mann zu.

      Eine Frau würde eher ein Nudelholz oder einen Fleischklopfer verwenden.

      Von Ehe-und Beziehungsstreitereien hatte wenigstens Sebastian noch nie wirklich was gehört und dann das dort! Und auch noch in dieser krassen Form.

      „Warum hast du denn da hineingeheiratet?“, fragte er, sich seiner Ahnungslosigkeit halb bewusst, vorsichtig an.

      „Ja warum … Meine Heimat in Pommern war verloren“, sagte Meier. „Bruder und Vater sind im Krieg geblieben, die Mutter ist auf dem Treck gestorben und ich steckte krank in russischer Gefangenschaft mit Motten in der Lunge. Dann hatte ich Glück im Unglück: Die Russen dachten ich mach’s nicht mehr lange“, erklärte er grinsend, „da haben sie mich rausgeschmissen. Und dann habe ich, wie schon gesagt, in so’ner kleinen Klitsche in Freienhufen als Maurer angefangen. Leute wurden damals ja gesucht, viele waren gefallen und die andern in Gefangenschaft. Aufträge hatten wir erstmal mehr als genug. Dann gab’s auch bald diese VEB, die Volkseigenen Betriebe, die Löhne lagen dort höher und ich hatte beim Aufbau des Kraftwerks Sonne angefangen und dort meine Frau kennen gelernt …“

      „Ja, das hast du uns schon erzählt“, unterbrach der Ingenieur die Wiederholungen des Eberhard Meier, der immer mehr ins Reden geraten war.

      „Also ich dachte“, fuhr Meier weiter fort, „ich hab’ nun ein Zuhause. Mir selber gehörte ja nur was ich gerade an mir trug. Dabei gab’s nischt