Der Richter in mir. René Münch

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Название Der Richter in mir
Автор произведения René Münch
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783957447036



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klein und brachte wenig Ertrag, so trugen Kummer und Sorge dazu bei, dass auch seine Gesundheit untergraben wurde. Er verstarb am 19. August 1879 im Alter von zweiundvierzig Jahren und hinterließ eine Witwe mit dem fünfjährigen Sohne Hugo. Sein arbeitsreiches und kummervolles Leben hatte ein viel zu frühes Ende gefunden. Sein Vater war der Sohn des Bauern Samuel Karge in Lobis, Kreis Jauer, seine Ehefrau Anna Rosina, geb. Minkin. Geschrieben Altenlohm, im Jahr 1937, von Hugo Karge.“

      Lebenslauf des Oskar Bruno Karge, Sohn des Bauern Friedrich Wilhelm Karge und seiner Ehefrau Auguste, geb. Hoferichter.

      „Am 10. Februar 1874 wurde ich in Altenlohm geboren, in der Kirche zu Altenlohm getauft und im Elternhaus erzogen. Ich besuchte die Volksschule in Altenlohm und erlernte alsdann die Landwirtschaft im väterlichen Betrieb. Mit fünf Jahren verlor ich den Vater und erhielt ein Jahr später einen Stiefvater. Von 1894–1896 genügte ich meiner Militärdienstpflicht bei dem 1. Garde-Feldartillerie-Regiment in Berlin. Da die Mutter meine Väterei dem Stiefvater verkauft hatte, dieser aber sehr um seine außereheliche Tochter besorgt war, hatte ich wenig Aussicht, einmal meine Väterei zurückkaufen zu können. Ich erwarb daher ein Bauerngut in Rosenthal, Kreis Bunzlau, und verehelichte mich dort mit Berta Renner, Tochter des Bauern Karl Renner da selbst. In Rosenthal wurden mir zwei Kinder geboren, Oskar und Arthur.“

      René, Arthur ist ja dein Opa!

      Ja, Richter, genau fünfundzwanzig Jahre nach dem Mauerfall am 9. November weiß ich nun, wie mein Opa hieß.

      „Im Laufe der Jahre ging nun der Betrieb meines Stiefvaters in Altenlohm sehr zurück, sodass er, als er verkaufen wollte, nur schwer einen Käufer finden konnte. Jedem Interessenten war der geforderte Kaufpreis von 18.000 MK (Mark) zu hoch. Da ich jedoch die gute Grundlage in Altenlohm und deren Wert sehr genau kannte, kam mir die Idee, Rosenthal abzustoßen und Altenlohm zu erwerben. Da ich Rosenthal, weil heruntergewirtschaftet, verhältnismäßig billig erworben hatte, konnte ich es nun mit einem Gewinn von 6.000 MK weiterverkaufen. Ich siedelte nach Altenlohm über und hatte hier die schwere Aufgabe, den Betrieb wieder hochzubringen. Was mir mit Gottes Hilfe gelungen ist. In Altenlohm wurde mir noch die Tochter Elsa geboren. Im Jahr 1933 habe ich mich mit meiner Ehefrau auf mein Hausgrundstück zurückgezogen und zur Ruhe gesetzt. Den Hof habe ich meinem Sohn Oskar zur selbständigen Nutzung übergeben, ohne jedoch auf die Eigentumsrechte zu verzichten. Mein Sohn Arthur hat die Verbindung von Blut und Boden gelöst und einen anderen Beruf ergriffen, ebenso meine Tochter Elsa durch ihre Verheiratung mit einem Lehrer. Obwohl mir der Hof genug Arbeit brachte, wurde es mir doch durch die spätere Mitarbeit der Kinder möglich, auch noch für die Öffentlichkeit zu wirken und übertragene Ehrenämter zu bekleiden. Schon in verhältnismäßig jungen Jahren wurde ich in die Gemeindevertretung berufen und begleitete viele Jahre das Amt eines Gemeindeschöffen. Das Amt des Gemeindevorstehers habe ich zwölf Jahre verwaltet und das Amt des Amtsvorstehers zehn Jahre. Vorsteher des Gesamtschulverbandes war ich bis zu dessen Auflösung, ebenso des Spritzenverbandes Altenlohm, Bischdorf und Pohlswinkel. Während meiner Verwaltung wurde der Gemeindeacker mit Kiesgrube gekauft, der Steigerturm errichtet und das Amtsgefängnis gebaut. Als Gründer der Wehr wurde mir von dieser ein Ehrendiplom überreicht, ebenso ein Ehrendiplom von der Gemeinde für über fünfundzwanzigjährige treue Dienstleistung. Gegenwärtig bin ich noch Vorsitzender der Elektrizitäts-Genossenschaft, Mitglied des Gemeindekirchenrates und stellvertretender Vorsitzender desselben sowie Kreissynodalvertreter und Vorstandsmitglied der Kreissynode Haynau.“

      Sag mal, René, wann hat der Mann mal Freizeit gehabt?

      Das frage ich mich auch gerade. Damals war das Leben anders, es gab kein Fernsehen und all den anderen Kram, den es heute gibt. Die Leute waren einfach kreativer. Ich merke es an mir selbst, dass Kreativität guttut. Und man lernt etwas dazu.

      „Bei Gründung der Kreissparkasse wurde mir die Verwaltung der Annahmestelle Altenlohm übertragen, an öffentlicher Betätigung war also kein Mangel, einige Vormundschafts- und Pflegschaftssachen hinzugerechnet. Im Weltkrieg wurde ich am dritten Mobilmachungstage eingezogen, machte den Krieg im Osten mit beim Divisions-Brückentraining der Division Bredow, Armeeabteilung Woyrsch. Hier machte ich den Vormarsch bis nach Warschau mit, von da den Rückzug bis nach Oberschlesien und dann wieder den Vormarsch über Tschenstochau bis zum Lysa-Gora-Gebirge, von wo ich wegen Krankheit nach dem Lazarett Posen kam und nach halbjähriger Behandlung als dienstuntauglich entlassen wurde. Als nach dem Krieg infolge der Ruhrbesetzung durch die Franzosen und Konsorten Kinder nach hier verschickt wurden, nahm ich ein Mädchen, Irmgard Brössel aus Elberfeld. Diese blieb dann hier und wurde wie meine eigenen Kinder erzogen und gehalten.“

      René, das klingt schrecklich. „Kinder erzogen und gehalten“ – das hat einen bitteren Beigeschmack!

      Warte doch, Richter. Das Kapitel ist noch nicht zu Ende.

      „Als Anerkennung hat sie von mir an ihrem zwanzigsten Geburtstag ein Sparbuch über 1.500 Reichsmark erhalten. Sollte sie bei meinem Tode noch hier sein, so habe ich auch weiterhin noch vorgesorgt. Insbesondere hoffe ich von meiner Tochter Elsa, dass sie auch weiterhin mit ihr Treue und Freundschaft halten wird, um ihr mit Rat und Tat, wenn nötig, beizustehen. Meine Frau und ich haben uns redliche Mühe gegeben, für unsere Kinder so zu sorgen, wie es gewissenhaften Eltern zukommt. Sollte uns das gelungen sein, so ist uns dies die beste Anerkennung. Geschrieben in Altenlohm, im Jahre 1937, Hugo Karge.“

      Klingt ja doch vernünftig, wie man die Kinder erzogen hat, René. Man hört hier etwas Strenge raus.

      Aber das haut mich jetzt nicht um, Richter. Das war völlig normal zur damaligen Zeit. Kommen wir zur Geschichte des jetzigen Erbhofes, Bauerngut Nr. 5, Hausnummer 32, Altenlohm:

      „Die Geschichte des Hofes schreibe ich nieder, so wie sie mir aus alten Quellen bekannt geworden ist. Sie stützt sich also nicht auf amtliches Quellenmaterial, ist aber trotzdem unzweifelhaft richtig und soll den Nachfahren als Geschichte des Hofes dienen und von jedem Bauern des Hofes als Hofakte sorgfältig aufbewahrt, ergänzt und gewissenhaft weitergeführt werden. Diese Aufgabe mache ich jedem Bauern des Hofes zur Pflicht und hoffe, dass es immer ein Karge sein möge.

      Vor 1850 bestand der Hof aus vier strohgedeckten Gebäuden und ca. 130 Morgen Ländereien, in gleicher Breite rechts und links vom Feldweg gelegen, beginnend an der Dorfstraße und endend an der Tammendorfer Grenze, also am Windewasser. In dieser Zeit kam der Hof in die Hände von Agenten, wurde parzelliert, und zwar so gründlich, dass nur noch 28 Morgen bei dem Hof verblieben und keinerlei Wiesen. Die Gebäude des Hofes standen zum Teil auf dem jetzigen Glafenheinschen Grundstück, welches erst nach dem Brande des Hofes abgekauft wurde. Der Nordgiebel des Glafenheinschen Wohnhauses steht auf der Grundmauer eines Stallgebäudes des Hofes. Der Glafenheinsche heutige Grasgarten war zu dieser Zeit noch ein großer Teich und ist erst später zugefüllt und in Gartenland verwandelt worden. In der südlichen Ecke des Gartens an der Schmiede musste für Feuerlöschzwecke ein Wassertümpel erhalten bleiben, aber dieser ist im Laufe der Zeit verschwunden und zugeschüttet worden. Nach der Parzellierung wurde der Hof von dem herrschaftlichen Ziegelmeister Karl Rosenblatt erworben. Da aber die alten großen Gebäude für den kleinen Betrieb nicht mehr gebraucht wurden und deren Unterhaltung zu kostspielig geworden wäre, ging der Hof in Flammen auf und brannte vollständig nieder. Die Fama hat seinerzeit behauptet, dass der Besitzer den Brand gewollt habe, es konnte jedoch nichts bewiesen werden. Im Jahre 1852 wurde der Hof mit vier schönen schmucken Fachwerkgebäuden wieder aufgebaut, wie eine Tafel im Wohnhausgiebel bekundet. Da der Hof nun keine Wiesen mehr hatte, erwarb der damalige Karl Rosenblatt im Zisken eine Häuslerstelle, verkaufte diese wieder, behielt aber vier Morgen Wiese zurück und schlug diese zum Hof, sodass der Hof wieder zu einer Wiese kam. Karl Rosenblatt verkaufte dann um 1855 herum den Hof an meinen Vater, den damaligen Junggesellen Friedrich Wilhelm Karge aus Rosenig, Kreis Liegnitz. Dieser vermählte sich alsbald mit der Jungfrau Auguste Christiane Hoferichter aus Fellendorf, Kreis Liegnitz. Die Ehe wurde kinderreich, doch verstarben alle, bis auf den Schreiber dieser Zeilen, im Kindesalter. Als nach einigen Jahren der vormals abgekaufte Acker hinter dem Schriemweg in Größe von ca. 10 Morgen wieder verkäuflich wurde, kaufte mein Vater diesen Acker zum Hof zurück. Im Jahre 1879 verstarb er und ein Jahr später ging meine Mutter eine neue Ehe ein mit dem Landwirt Christian Jäkel aus Conradsdorf, Kreis Goldberg-Haynau. Die Ehe blieb kinderlos und der Hof ging in den Besitz meines