Der Richter in mir. René Münch

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Название Der Richter in mir
Автор произведения René Münch
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783957447036



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      Respekt vor dem BStU Dresden, kann ich dazu nur sagen, René!

      Ich sehe das anders, du Nase. Aber Geduld bitte, der Kampf mit dem BStU Dresden ist noch nicht vorbei. Also hör hin – und Kommentare bitte zum Schluss! „Um einen schnellen Zugang zu ermöglichen, sende ich Ihnen Kopien dieser Unterlagen zu.“

      Sag mal, René, hattest du nicht um Akteneinsicht gebeten?

      Ja, sicher hatte ich das, und einen Rechtsanspruch auf Akteneinsicht habe ich auch. Die müssten sich vielleicht mal schulen lassen, die Mitarbeiter vom BStU Dresden. Ich gebe da sehr gern Tipps zum Thema „Akteneinsicht“:

       Akteneinsicht für nahe Angehörige vermisster oder verstorbener Personen

       Die Akten vermisster oder verstorbener Personen sind in der Regel nicht zugänglich. Für nahe Angehörige von Vermissten oder Verstorbenen gelten jedoch Ausnahmeregelungen. Nahe Angehörige sind Ehegatten, Kinder, Enkelkinder, Eltern und Geschwister; unter bestimmten Voraussetzungen zählen auch adoptierte Kinder und deren leibliche Eltern dazu. Sind keine nahen Angehörigen mehr vorhanden, können auch Verwandte bis zum dritten Grad (also Großeltern, Urenkel, Onkel, Tanten, Nichten oder Neffen) Anträge stellen.

       Die genannten nahen Angehörigen müssen ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen und schlüssig darlegen, dass sie mit Hilfe eventuell vorhandener Stasi-Unterlagen im Zusammenhang mit dem DDR-Regime stehende Ereignisse oder staatliche Maßnahmen aufarbeiten möchten.

       Die Angehörigen bis zum dritten Grad können, sofern keine nahen Angehörigen vorhanden sind, Akteneinsicht beantragen, wenn es ausschließlich um

      - Fragen der Rehabilitierung,

      - den Schutz des Persönlichkeitsrechts, insbesondere zur Klärung einer Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst,

      - die Aufklärung des Schicksals der vermissten oder verstorbenen Person geht.

       Der Nachweis, dass der Angehörige vermisst oder verstorben ist und der Nachweis des Verwandtschaftsverhältnisses sind dem Antrag beizufügen. Angehörige bis zum dritten Grad müssen zudem den Nachweis erbringen, dass keine nahen Angehörigen vorhanden sind.

       Die Unterlagen dürfen nur im Rahmen des glaubhaft gemachten berechtigten Interesses bzw. glaubhaft gemachten Zwecks zur Verfügung gestellt werden und soweit keine überwiegend schutzwürdigen Interessen des Vermissten oder Verstorbenen oder anderer Personen (z. B. anderer Angehöriger) beeinträchtigt werden.

       Die Klärung gegenwärtiger vermögensrechtlicher Fragen, sonstiger Familienstreitigkeiten sowie die Klärung der eigenen Abstammung oder die Suche nach leiblichen Eltern begründen kein Recht auf Zugang zu eventuell vorhandenen Unterlagen, da es hier an dem vom Gesetzgeber geforderten Aufarbeitungszweck des Stasi-Unterlagen-Gesetzes fehlt.

      Richter, ich glaube, der BStU Dresden mag mich nicht. Immer dann, wenn ich persönlich dort Anträge und Unterlagen eingereicht habe, bekam die Sachbearbeiterin ein schlechtes Gewissen und einen roten Kopf. Das gibt mir schon zu denken. Warum das so sein könnte, erfährt der Leser in meinem Buch.

      Ich helfe dir bei der Aufarbeitung, René.

      Ja, doch bitte lass uns nicht alles auf einmal angehen, sondern Schritt für Schritt. Ich will ja meine Mutter und mich rehabilitieren lassen, da zählen Fakten und knallharte Recherchen. Hier geht es schließlich um psychischen Mord, weswegen sich auch der BStU Dresden scheut, mit mir eine vernünftige Akteneinsicht durchzuführen, wie es der Gesetzgeber vorschreibt. Mittlerweile nerve ich die beim BStU Dresden. Und siehe da: Am 30.09.2014 bekam ich erneut Post. Darin bittet mich die Außenstelle Dresden, folgende Angaben über meinen Fall betreffende Täter zu machen: das genaue Geburtsdatum, den Geburtsort sowie Wohn- und andere Orte, die für die Recherchen in Frage kommen. Lieber BStU Dresden, ich habe nicht einmal die Handynummern von den Tätern, die ich Ihnen benannt habe, die werden sich auch hüten, mir die Daten freiwillig zu geben, und zum Schnüffler lasse ich mich nicht machen. Mir blieb nichts anderes übrig, als eine Liste von mir bekannten Tätern zu erstellen mit ihrer jeweiligen Funktion, die sie zu DDR-Zeiten innehatten. Es begann mit den Mitarbeitern der Abteilung Volksbildung und endete mit dem ABV (Abschnittsbevollmächtigten), das Ganze versehen mit einem Eingangsstempel vom 23.09.2014. Seitdem herrscht Funkstille zwischen dem BStU Dresden und mir. Wie so eine Anonymisierung des BStU ausschaut, erfährt der Leser auf den nächsten Seiten.

      René, jetzt hol doch mal Luft! Du platzt ja gleich.

      So schlimm ist das nun auch nicht! Es hindert mich nur an der Aufarbeitung, wenn mir die Akteneinsicht verwehrt wird, aus was für Gründen auch immer.

      Ich merke schon, das Thema nervt dich, richtig? Doch wat mut, dat mut, mien Jung!

      Klasse rübergebracht, du Held. Klappe jetzt!

      René, du hast doch die Unterlagen vom Haftkrankenhaus ungeschwärzt bekommen. Den Rest findest du in der Kinderheimakte mit Hinweisen auf die Täter. Da pfeif mal für eine kurze Zeit auf den BStU Dresden und hau in die Tasten.

      Richter, wenn ich dich nicht hätte!

      Ja, was wäre dann?

      Die Frage kann ich dir nicht beantworten, ich kenne es ja nur mit dir und den drei anderen da oben. Als Nächstes gibt es erst einmal eine kurze Vorgeschichte, damit man sich hineinversetzen kann, wie alles begann und wo meine Mutter aufgewachsen ist, bis sie 1955 in den russischen Sektor kam.

      ARTIKEL 49

       (1) Soweit diese Verfassung die Beschränkung eines der vorstehenden Grundrechte durch Gesetz zulässt oder die nähere Ausgestaltung einem Gesetz vorbehält, muss das Grundrecht als solches unangetastet bleiben.

       Das ist Akteneinsicht ganz im Sinne des BStU Dresden. Hier werden nicht nur Dritte verdeckt, nein auch sämtliche Textpassagen. Das schaut mir aus wie ein Staatsgeheimnis, welches nicht an die Öffentlichkeit darf.

       Dies ist die bislang letzte Nachricht vom BStU Dresden. Sie erreichte mich, kurz bevor ich das Manuskript fertig hatte.

      Ja, sag mal, René, kennst du denn nun die Namen von Tätern, deren Geburtsdatum, Anschrift und die Orte, an denen sich diese aufhalten?

      Was verlangst du von mir, Richter? Wie ich schon sagte, kenne ich nicht einmal deren Handynummer. Ich finde, diese Vorgehensweise ist schon sehr merkwürdig. Mehr als eine Namensliste mit Tätern und ihrer jeweiligen Funktion zu DDR-Zeiten kann ich dem BStU Dresden nicht bieten. Ganz bestimmt werde ich den Tätern nicht zu nahe treten – das wäre nicht mein Ding. Sonst hätte ich sie schon lange übers Knie gelegt. Ich mag keine Gewalt. Das Ganze entwickelt sich zu einem großen Geheimnis, habe ich den Eindruck. Da soll wohl was im Verborgenen bleiben und nicht ans Tageslicht kommen.

       ARTIKEL 65

       (1) Zur Überwachung der Tätigkeit der Staatsorgane hat die Volkskammer das Recht und auf Antrag von einem Fünftel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Diese Ausschüsse erheben die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich halten. Sie können zu diesem Zweck Beauftragte entsenden.

       (2) Die Gerichte und die Verwaltungen sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse oder ihrer Beauftragten um Beweiserhebung Folge zu leisten und ihre Akten auf Verlangen zur Einsichtnahme vorzulegen.

       (3) Für die Beweiserhebung der Untersuchungsausschüsse