Buschfieber - von Kanada und Alaska. Heimo Dobrovolny

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Название Buschfieber - von Kanada und Alaska
Автор произведения Heimo Dobrovolny
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783960088318



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Sie finden den kleinsten Zugang zur Haut und hinterlassen dort starke „Verwüstungen“; besonders juckende, teils schmerzende, bunte Schwellungen. Auch Moni hat sehr darunter zu leiden, ebenso beim Blaubeerpflücken eingehandelt. Beide machen jetzt intensiv Umschläge mit der vielseitig verwendbaren essigsauren Tonerde; dank gut bestückter Buschapotheke.

      Aber was wollte ich eigentlich erzählen? Ach ja, die Sache mit dem Sturm! Als ich nämlich, trotz prasselnd stechendem Sand im Gesicht, die Hände schützend vor Augen, dringend mal austreten muss, ein prüfender Rundblick zu den drei Zelten. Was heißt hier drei?

      „Christian, schnell komm raus, ich glaub Dein Zelt ist fort!“

      So schnell auf den Beinen war Freund Grizzly lange nicht mehr gewesen.

      „Verflixt, HP, komm rasch, unsere Behausung fehlt.“ Da galt es aber Beeilung. Alle Männer beteiligen sich an der Suche. Gottlob kam die steife Brise vom See her, sodass gesuchtes Objekt bald hinten am Waldrand gefunden wird. Aber in welchem Zustand? Etwas zerlegt!, würde man meinen. Zwei Telestangen geknickt. Das hat er nun von seinem billigen Italo-Klump. Nicht verzagen, Christian fragen. Dieser Alleskönner in Sachen Technik, hat deshalb den zusätzlichen Beinamen „Daniel Düsentrieb“. Tatsächlich, nach Abflauen des Sturmes konnte er seinen „Windjammer“, so wurde sein Zelt getauft, provisorisch reparieren. „Wird schon halten“, des Freundes lakonischer Kommentar.

      Wie war das nochmal, was hat in Yellowknife ein alter Trapper gemeint: „Entweder du liebst ihn, den Busch, oder du hasst ihn.“ Tja, so langsam scheiden sich jetzt hier die Geister … und weitere Prüfungen sollte ich alsbald zu bestehen haben, „als der Vater mit dem Sohne“ zu einem kleinen Rucksacktrip aufbrach. Eine Episode, die es sicher wert ist, ausführlich erzählt zu werden:

      Seit Tagen schon beschäftigen wir uns anhand der topographischen Landkarten, in Yellowknife von den Damen beschafft, jeder hatte dort Aufträge zu erfüllen, mit dem genauen Studium des Umlandes. Dies ist freilich nur im geeigneten Maßstab von 1 : 50.000 möglich. Das Hinterland der Sandy schien uns weniger verlockend, desto mehr die dem Fluss gegenüberliegende Gegend: hügelreich und mit kleinen Seen durchwoben. Gerade geeignet für einen Tagestrip, zu Fuß selbstverständlich.

      Also schnüren wir unser Bündel; jeder seinen Rucksack mit leichtem Marschgepäck: Schlafsack (sicherheitshalber), Plane, Regenklamotten, Notapotheke, Notproviant (Müsli), Trinkflasche, Leuchtraketen und allerlei Kleinkram. Gewehr und Angel darf natürlich nicht fehlen.

      Los geht’s. Zu früher Morgenstunde setzt das Kanu über. Nun heißt es marschieren, aber gemütlich. Rasch kommt man ohnedies nicht voran, das lässt schon der dichte Urwald nicht zu, obwohl dann und wann eine angenehme, moskitofreie Lichtung überrascht. Es ist ein schwach bewölkter warmer Tag; bald fließt unvermeidlich der Schweiß. Von mancher Anhöhe gibt der schier unwegsame arktische Dschungel den Blick frei über die unermessliche, herbe Schönheit dieses gesegneten Stückchens Erde. Ja, man ist geneigt, sich in Superlativen zu ergehen.

      Und schon nach einigen Stunden erreichen wir einen kleinen romantischen See, mit baumfreiem, schilfgesäumtem Ufer.

      Jetzt scheint sogar die Sonne und zur Begrüßung springen die Forellen, dass es eine wahre Freude ist. „Hier bin ich König, hier darf ich sein!“

      Bald brät ein Fisch am Stock über knisterndem Feuerchen. Anschließend ein genüssliches Nickerchen auf bunt mit Flechten überwuchertem warmen Fels. Herz was willst du mehr?

      Als die Mittagsonne bereits den Zenit überschritt, war es Zeit für den Rückweg und brachen auf. Es begann freilich die Fortsetzung der Marschtortur. Der Weg zurück war allerdings etwas leichter, denn Wolken zogen auf und eine angenehme Brise sorgte für erträgliche Bedingungen.

      Zwei, drei Stunden mochten vergangen sein, wollte man auf luftiger, baumfreier Höhe, wohlverdiente Rast einlegen. „Können wir uns erlauben“, meint Ralf, „weit kann es jetzt nicht mehr sein, hinunter zum Fluss“, und weist die Richtung. „Dein Wort in Gottes Ohr“, mein Kommentar, „das möchte ich allerdings stark bezweifeln!“ … und strecke den Zeigefinger entgegengesetzt. „Schau mal da drüben, was ist denn das für ein Gewässer, davon ist nix auf der Karte?“

      „Hm“, meint Filius, „das ist wirklich komisch.“

      Dann fällt es wie Schuppen von den Augen: Wir sind wieder an unserm vorigen See, oder einen nebendran. Also im Kreis gelaufen! Konnten während des Marsches keine Richtungskontrolle vornehmen, da leichtsinnigerweise den Kompass vergessen. Und weil wegen der zunehmenden Bewölkung der Sonnenstand ebenfalls keine Orientierung bot, war man auf den puren Instinkt angewiesen, der uns leider im Stich ließ und haben deshalb hoffnungslos verfehlt.

      Was nun Freunde? Zum Camp schafft ihr es heute ohnedies nicht mehr. Am klügsten, beim kleinen See übernachten, einen schönen Abend verbringen, morgen sieht man weiter.

      Bis zum Mittag werden wir spätestens erwartet. Das war zumindest vorsorglich als zeitliches Limit gesetzt. Andernfalls wird eine Suchaktion gestartet. Die Zurückgebliebenen haben deshalb die in Frage kommende Peilung auf gezeichneter Kopie von unserer Karte. Die orangefarbigen Leuchtraketen werden zusätzlich Hilfe leisten. Jetzt also erst mal klaren Kopf bewahren und relaxen!

      In aller Gemütsruhe vor mich hinträumend, will ich mit der Angel das Abendessen besorgen. Da zerreißt ein ohrenbetäubender Knall die heilige Stille. Der gewählte Biwakort liegt am Ausläufer eines engen Tales, deshalb donnert ein mehrmaliges Echo durch den Busch. Als ich mich nach Ralf umsehe, ruft er mir zu: „Kannst mit Fischen aufhören, ich hab ein Karibu geschossen.“ (Anm.: diese Geweihträger trifft man zu momentaner Jahreszeit in dieser Region sehr selten).

      Wahrlich, bald danach schleift er ein noch sehr junges Ren heran. Noch gut vom Lagerplatz entfernt, muss das noch warme Tier aufgebrochen, ausgeweidet und zerteilt werden. Blutiges Geschäft. Igitt! Für mich zumindest eine äußerst unangenehme Angelegenheit. Dennoch, ein frischer Spießbraten ist freilich nicht zu verachten, besonders nach vielen Tagen Fisch, Reis, Müsli. Den Hauptanteil werden wir zum Camp bringen, dort wird man sicher nicht minder über diese Abwechslung auf dem Speiseplan erfreut sein.

      Nach dem abendlichen Festschmaus, diesmal fehlte leider ein Bierchen, und dem abschließenden Zigarettlein, schlüpfen die Waldläufer hundemüde in die Schlafsäcke, nachdem mit einer kleinen Plane das provisorische Wigwam gebaut war. Bald sinkt man wohlbehaglich ins Land der Träume.

      Leider nicht allzu lange. Aufkommendes Gewitter. Grelle Blitze lassen die Umgebung bizarr aufleuchten, krachende Donner hallen durch die Nacht. Wahrlich eine gespenstische Szenerie! Zu allem Überfluss sorgen folgende heftige Regenschauer für eine gewisse Ungemütlichkeit.

      Da in diesen nördlichen Breiten die Sommernächte bekanntlich kurz sind, überraschte bald das Morgengrauen. Die Buschgeister kommen, in rauchende Nebel gehüllt, über Wald und Wasser.

      „Ralf, Du, wach auf“, melde ich mit beträchtlicher Bange ein nicht weit entferntes Rumoren. Auch Filius zeigte sich deutlich besorgt über das Jaulen, Fauchen und Geknurre aus keiner großen Entfernung. Als wir uns aufrichten, die Augen reibend die Umgebung absuchend: ja, genau dort, wo die Kaributeile in den niedrigen Astgabeln hängen: ein Rudel Wölfe balgt sich um das Fleisch, scheinbar uneinig in der Hackordnung.

      „Ihr Bestien, das ist unsere Beute.“ – Sogleich der erste Kracher aus dem doppelläufigen Schießprügel streckt einen der Wölfe nieder. Ralf ist bekanntlich ein guter Schütze. Mal ehrlich, ein Warnschuss hätte auch gereicht.

      Die anderen gierigen Mäuler weichen erschreckt zurück. Doch jetzt wenden sie sich völlig unerwartet, zähnefletschend uns zu, von mehreren Seiten, dies ist bekanntlich Wolfstaktik.

      Sie haben uns als Futterrivalen ausgemacht und sind, mit gesträubten Nackenhaaren, zum Angriff bereit. Eine absolute Ausnahmesituation, denn normalerweise sind diese sehr scheuen Wildtiere den Menschen gegenüber nicht aggressiv.

      Durchladen … Schuss … nochmals … päng … dann macht es nur noch klick. Das Magazin ist leer! Ein weiterer aus dem Isegrim-Rudel hat eine Kugel mit dem Leben bezahlt.

      Geistesgegenwärtig greifen wir im