Buschfieber - von Kanada und Alaska. Heimo Dobrovolny

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Название Buschfieber - von Kanada und Alaska
Автор произведения Heimo Dobrovolny
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783960088318



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etwas gequält so manches leichenblasse oder giftig grüne Antlitz entgegen. Bin nämlich nicht allein in diesem fast vorsintflutlich anmutenden Traktor auf Flügeln. Nun ja, diese Art zu Reisen ist schon etwas gewöhnungsbedürftig … da war doch so eine Geschichte von den „tollkühnen Männern in ihren fliegenden Kisten“. Ja freilich, Kiste wäre nicht ganz unzutreffend; z. B. sind die Fenster mit Kaugummi abgedichtet und ähnliche Dinge mehr. Und was heißt hier Männer? Sind zwar überwiegend männliche Fluggäste, haben allerdings auch zwei mutige Damen mit an Bord. Sie möchten ebenfalls hinaus in die Wildnis. Eine wird Rosi genannt und gehört zu mir; die andere heißt Moni und ist die Freundin meines Sohnes Ralf, welcher die ganze Sache angezettelt hat und als „Reiseleitung“ fungiert. Was es damit genauer auf sich hat, soll rasch erzählt sein:

      Zwei Jahre zuvor ist genannter Filius schon mal hier gewesen, mit einem gleichaltrigen Freund. Sie wollten, jugendlich mutig, einen auf Aussteiger machen und sind dabei kläglichst gescheitert. Das Unternehmen endete nämlich in einem Fiasko, um Haaresbreite dem Tode entronnen. Was damals dramatisch geschah, wurde in einem äußerst spannenden Tagebuch ausführlich festgehalten und auch publiziert.1)

      Ralf hat sich damals mit dem „Buschfieber“ infiziert und uns folglich damit in der Heimat angesteckt. Uns, das meint, außer den oben erwähnten Weibchen, sind da noch zwei gute Kumpels, namens Hans-Peter (künftig HP genannt) und Christian (alias Grizzly) mit von der Partie. Also, eine sechsköpfige Crew bricht auf, in die nordkanadische Subarktis, genauer gesagt, das Ziel liegt in den sogenannten Northwestterritories, in einem Gebiet zwischen dem Great Bear Lake und dem Great Slave Lake.

      In den letzten mündet der Yellowknife River, den wir jetzt nördlich flussaufwärts Richtung Polarkreis fliegen, hinweg über diese faszinierende Wildnis; eine Sinfonie in Grün und Blau. Eine unendliche Weite einer waldreichen, hügeligen Taigalandschaft, durchzogen von unzähligen meist namenloser Seen unterschiedlichster Größe, sowie dazwischen fließender Gewässer. Dieses überwältigende Land nennt der Nordkanadier seinen Busch.

      Bereits eine gute Stunde fliegen wir nun darüber hinweg. Man kommt nicht aus begeisterndem Staunen heraus, über dieses für uns Mitteleuropäer völlig fremdartige Bild der Natur. Die Idylle wird allerdings leicht gestört, durch da und dort aufsteigenden Rauch. Waldbrände wären hier nicht selten, wie wir aufgeklärt werden.

      Ich konzentriere mich hauptsächlich auf den Flussverlauf des Yellowknife Rivers und flippe vor Begeisterung fast aus, als da unten, kaum zu glauben, eine große weiße Fläche auftaucht. Ein Trugbild? Aber nein; mein Sohn klärt auf: „Damals mussten wir in einer wahren Ochsentour stundenlang das schwerbeladene Boot über gletscherartiges Gelände schleppen. Das ist die berühmt-berüchtigte „Icy-Portage“. Und ich entsinne mich auf diesen spannenden Bericht in seinem Tagebuch.

      Unser Pilot geht zwischendurch auch mal entsprechend tiefer, so dass die Germans vereinzelt einen Elch erspähen können. Einmal konnte man sogar, wenn auch bloß klein, auf freier Fläche einen Bär sichten. Ich wollte jubeln vor Glück!

      Apropos Bär: Bin schon gespannt auf mögliche Begegnungen mit Meister Petz. Oder doch lieber nicht? Da waren doch die sprichwörtlichen halbscherzhaften Mahnungen zu Hause: „Passt auf, dass Euch der Bär nicht frisst!“

      Die Empfindungen meiner Kameraden werden ähnlich sein, doch eine verbale Verständigung zwischen uns ist kaum möglich, der Donnervogel ist eben zu laut, weshalb man Ohrenschützer trägt, die wir jedoch rasch vom Kopfe nehmen, als Ralf, wild fuchtelnd in der Kanzel, seitlich nach unten weist und brüllt: „Da unten, schaut, da unten ist sie, die Sandy“, und meint damit den Platz wo wir landen, oder besser ausgedrückt, wassern werden. Mit „Sandy“ ist eine Bucht gemeint, die bezeichnenderweise der hiesigen Wasserfallumgehung, man nennt das eine Portage, ihren Namen gibt. Die Fluggäste wähnen sich fast an der Riviera. Diese Zone ist über mehrere Fußballfelder groß, baumfrei und, „nomen est omen“, sandig. Dort eben wollen wir unser dreiwöchiges Camp aufschlagen und verschiedene Unternehmungen starten. Mal sehen!

      Doch bevor es so weit kommt, wollen wir noch etwas Rückschau halten. Möchte dem Leser nicht vorenthalten, was sich bisher ereignet hat:

      Wie schon erwähnt, Ralf war bereits hier, zwei Jahre zuvor für mehrere Monate lang, kennt also die Umstände bestens, worauf wir vertrauen können und uns zu einem Team mit großen Erwartungen zusammentun.

      Voll Ungeduld scharrt man in den Startlöchern, doch vorher ist noch eine Menge zu erledigen. Vor allem ist körperliche Fitness gefragt, ehe es ins „Eingemachte“ geht. Trainingsmärsche über Stock und Stein, bergan-bergab, schwer beladene Rucksäcke auf dem Buckel. Der Zahnarzt, der Orthopäde und Internist muss konsultiert werden. Zusammenstellung einer sinnvollen Reiseapotheke. Eventuell neue Outdoorkleidung zu besorgen. Vor allen Dingen, die Trekkingschuhe müssen gut eingelaufen sein. Und was da sonst noch alles an wichtigem Equipment und Utensilien zu organisieren ist; von Zelt bis Klopapier.

      Einer besonderen Beachtung kommt dem Bärenalarmgerät zu. Darüber wird an passender Stelle speziell zu reden sein.

      Ach ja, ehe vergessen, ein ganz wichtiger Punkt überhaupt, die Unternehmung steht unter dem Motto: „Mit und von der Natur zu leben.“ So zu verstehen, dass lediglich Notproviant mitgebracht wird. Nämlich Reis, Mehl, Müsli, Milchpulver. Davon nur in sehr knapper Menge, für ein Mal ein Mahl täglich. Den Hauptteil der Nahrung soll eben die Natur liefern; sprich Fisch, Fleisch, Früchte. Wird doch kein Problem sein, meint man optimistisch. Jeder bringt Angelausrüstung mit. Schusswaffen sollen vor Ort besorgt werden.

      Ja und trinken? Freilich, Tee (mit Schuss!) … und das Wichtigste überhaupt, so ist zu hören, darf nicht fehlen: Bier! Pro Person zehn kleine Dosen für den ganzen Zeitraum. Selbst einteilen, heißt es. Oh, mir schwant Böses. Werden darüber noch zu diskutieren haben!

      Tja, so manche „Konferenz“ war da unter den Beteiligten nötig, feucht fröhlich, selbstverständlich. So gingen viele Monate intensiver Vorbereitung ins Land. Bis es endlich so weit war.

      Wir schreiben das Jahr 1991. Hochsommer.

      Eine gewisse Nervosität ist uns freilich anzumerken, trotz bester „Einschulung“ und Vertrauen auf Ralfs Können und Kenntnisse. Von Selbstvertrauen sollten wir besser nicht reden, das steht jedem anheim und ist zur Bewährung ausgesetzt. Oder sagen wir so: Man macht sich gegenseitig Mut!

      Roswitha, Christian und meine Wenigkeit reisen von München nach Heidelberg, treffen da auf die übrigen Drei und werden zum Flughafen Frankfurt gebracht. Man sitzt bald bequem in einer Boeing und hebt ab. Vom Flug über den Atlantik gibt’s nichts Aufregendes zu berichten, außer dass die Raucher abwechselnd um den extra ausgewiesenen Qualmplatz kämpfen.

      In Chicago Maschinenwechsel. Langweilige mehrstündige Wartezeit auf den Anschluss, bevor es weitergeht nach Calgary. Hier abermals umsteigen, aber erst nach einer langen Nacht am Airport. Jetzt, endlich, strikt gen Nord, diesmal in einer Zweimotorigen, die zu unserem Vorteil nicht besonders hoch fliegt. Bei guter Sicht bestaunen und genießen wir das wildromantische kanadische Land, überfliegen nach zig Stunden den Großen Sklaven See und setzen in Yellowknife auf. Ein typischer Airport des hohen Nordens. Das Rollfeld ist ungeeignet für wirklich große Maschinen, der Rest erinnert stark an den ehemaligen Flughafen München-Riem: eben alt und mikrig!

      Und zum ersten Mal bekomme ich einen Eindruck von der hiesigen Bevölkerung. Es ist eine typische Pionieransiedlung mit heute knapp 20.000 Seelen; aufgrund der erheblichen Goldfunde in der Region nach dem letzten Weltkrieg rasch emporgewachsen. Dieses Städtchen ist zugleich Verwaltungszentrale für den autonomen Landesteil „Nunavut“, hervorgegangen aus den Northwest-Territories.

      Nicht selten trifft man auf die „Rothaut“ vom Stamme der Dené, sowie auf den schlitzäugigen Eskimo. Pardon, diesen Ausdruck verwendeten früher die Indianer als Schimpfwort für den Inuit; und bedeutet so viel wie Rohfleischfresser. Dem Touristen ist folglich nicht zu raten, diesen ausgesprochen gastfeundlichen Arktisbewohner auf diese Weise anzusprechen.

      Um nur ein grobes Bild zu gewinnen von diesem fantastischen Land in der Subarktis von Kanada: