Название | Schlacht um Sina |
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Автор произведения | Matthias Falke |
Жанр | Научная фантастика |
Серия | |
Издательство | Научная фантастика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957770295 |
Wenig später hob der Kanzler die Runde auf. Er verabschiedete sich feierlich und ein wenig müde von uns. Wir dankten ihm förmlich für sein Entgegenkommen und das in uns gesetzte Vertrauen. Dann packte ich Kauffmann an der Schulter. Ohne ihn hätten wir es nicht bis hierher geschafft. Die körperliche Geste war ihm unangenehm. Aber die Anerkennung für seine unermüdliche Unterstützung schmeichelte ihm sichtlich. Schwer zu sagen, wofür er uns eigentlich hielt. Für Abenteurer, Haudegen, Wahnsinnige. Für verantwortungsbewusste Leute ganz sicher nicht. Und dennoch hatte er in die Wege geleitet, dass uns Machtmittel in die Hand gegeben wurde, die kaum ein anderer Kommandant in der noch jungen interstellaren Geschichte der Unierten Menschheit jemals auf sich hatte vereinen können. Selbst General Rogers hatte erst auf dem Höhepunkt der Schlacht von Persephone, im Angesicht der drohenden Niederlage, als er alle Kompetenzen über die Flotte an sich zog und den bis heute umstrittenen völkerrechtswidrigen Antimaterieangriff befahl, eine vergleichbare Armada seiner Person unterstellt gehabt. Schon eine Stunde später, nach dem Untergang der Großen Sinesischen Flotte, hatte er einen Großteil der Befehlsgewalt wieder abgeben müssen.
»Ist das herrlich«, jubelte Jennifer. »Endlich ein Schiff, mit dem man online kommunizieren kann, ohne sinesische Hieroglyphen. Und ordentlich aufgemotzt haben sie die Alte!«
Obwohl wir auf der Passage eigentlich nur Gäste waren und die ENTHYMESIS offiziell dem Kommando eines altgedienten Captains unterstellt war, hatte sie es sich nicht nehmen lassen, selbst den Hauptbedienplatz einzunehmen und den Piloten dazu zu verdonnern, die zweite Konsole einzunehmen.
»Alle Systeme arbeiten einwandfrei«, meldete sie. »Aber wir haben jetzt wesentlich mehr Saft unter der Haube. Von den militärischen Spielereien ganz zu schweigen.«
Ich ging auf der Brücke hin und her und registrierte die sanften Erschütterungen, mit denen der Reaktor des Explorers anlief. Noch konnte ich es nicht glauben. Alles war unwirklich. Die wohlvertraute Umgebung kam mir fremdartig und phantastisch vor.
Nachts hatten erschreckende Albträume mich gequält. Sinesische Geschwader waren ins Sonnensystem eingebrochen. Überall, von der Merkurbahn bis zum Uranus-Orbit, öffneten sich Warpkorridore aus denen unzählige schnelle Jäger hervorquollen wie Wespen aus ihrem Nest. Schwere Schlachtschiffe tauchten in die Erdumlaufbahn ein und nahmen die Batterien in den Ringen unter Feuer. Ikosaeder-Kampfstationen wälzten sich über ganze irdische Flottenverbände und vernichteten alles, was in ihre Reichweite kam. Warpraumsonden materialisierten sich vor sämtlichen Planeten und attackierten sie mit Annihilationswaffen. Eine Welt nach der anderen wurde aus ihrer Bahn geworfen und stürzte in die Sonne. Am Ende war auch die Erde nicht mehr als eine zerstäubte Partikelwolke, die flirrend im Raum hing und von den Protuberanzen unseres Zentralgestirns aufgeleckt wurde.
Ich erwachte um sechs Uhr morgens, maltraitiert und zerschlagen, wie ich es von keiner schlaflosen Nacht hätte sein können. Draußen graute gerade ein kalter Morgen. Vielleicht der letzte, den ich über einen irdischen Horizont würde steigen sehen. Das Bett neben mir war leer. Ich fand Jennifer auf dem Balkon, wo sie nackt in der Frostluft saß und meditierte.
Kaufmann erwartete uns im Elevatorschacht. Er geleitete uns noch bis zur ENTHYMESIS, die aufgetankt und vollständig munitioniert im Zentrum des großen Kuppelkreuzes stand. Wir verfolgten gemeinsam, wie das sinesische Shuttle verladen wurde. Auf einer komplizierten Abfolge von Generatorschächten, Kraftfeldern, Hebebühnen und Schwenkkränen hatte man es bis vor die weit geöffnete Steuerbordrampe der ENTHYMESIS bugsiert. Jetzt schwebte das erstaunliche Gefährt, das uns einmal rings um den Äquator des gesamten Kosmos getragen hatte, wenige Meter vor der Luke des Drohnendecks unseres Explorers. Die Laderäume der ENTHYMESIS waren mit warpfähigen Lambda-Ionensonden, Antimaterietorpedos, Brennzellen und Zusatztanks vollgestopft. Nicht zuletzt hatten wir vier leichte Jäger und mehrere hundert Mann an Bord genommen. Aber ein Winkel war noch ausgespart geblieben. In ihn dirigierten die Techniker, unterstützt von feldgetriebenen Robotern jetzt das Shuttle, das sonderbar plump, wie ein gemästeter Käfer, in den unsichtbaren Seilen der Gravitationsgeneratoren hing. Es war in der Zwischenzeit repariert, gewartet, auf Uniertes Englisch umprogrammiert und betankt worden. Die unverwüstliche Technik stand für neue Herausforderungen bereit. Für die Passage allerdings musste es mit einem Touristenplatz in der vollgepfropften Drohnenkammer der ENTHYMESIS vorlieb nehmen.
Als die Ladeklappen sich surrend schlossen und mit hydraulischem Schmatzen verriegelten, drückten wir Kauffmann die Hand und verabschiedeten uns von ihm. Ich hatte diesen korrekten, karrierebewussten Beamten, der so auf seine gewienerten Schuhe, den Sitz seiner Krawatten und die manikürten Fingernägel bedacht war, liebgewonnen. Beinahe hätte ich ihm vorgeschlagen, uns zu begleiten. Was er wohl gesagt hätte, wenn wir jenseits der Milchstraße aus dem Warpkorridor herauskamen? Aber er passte weder auf ein militärisches Schiff, als das wir die ENTHYMESIS jetzt wohl oder übel ansehen mussten, noch unter die raubeinigen Kolonisatoren der Eschata-Region. Sein Platz und seine Aufgabe war hier, in der Zivilverwaltung, wo er seine Fäden ziehen und seine Intrigen spinnen konnte. Es kamen größere Herausforderungen auf ihn zu, als er selbst zu diesem Zeitpunkt ahnte. Er war der Meinung, im Augenblick unseres Starts sei er uns los und aller von uns verursachten Probleme ledig; und wir sahen nicht ein, weshalb wir ihn nicht in diesem Glauben lassen sollten. Mit einem letzten Nicken wandte er sich ab und ging mit seinen weichen Schultern und seinem irgendwie femininen Gang zum Elevatorschacht zurück. Wir stapften die Backbordrampe hinauf und gingen an Bord.
Als alle Systeme hochgefahren waren und grünes Licht zeigten und als Jennifer mir über die Schulter hinweg das Good-to-go-Zeichen machte, fragte ich die Staffelführer ab. Die ganze Flotte war in Geschwader untergliedert und diese wiederum in Staffeln. Jede Staffel bestand aus zwölf bis fünfzehn Maschinen und unterstand einem Staffelführer. In rascher Folge gingen deren Okays bei mir ein. Ausnahmslos alle Maschinen waren bemannt, munitioniert, betankt und startklar. Es bereitete mir ein archaisches Vergnügen, die Außenmikrophone auf Automatik zu schalten und über einen offenen Kanal dem gewaltigen Dröhnen zu lauschen, das die kilometerlange, kreuzförmige Halle erbeben ließ. Hunderte starker Feldgeneratoren liefen heulend an. Reaktoren wurden angefahren, Ionentriebwerke waren zur Zündung bereit. Warpspulen warteten darauf, dass die Plasmakammern ihnen die nötige Energie zuführten, um lichtjahrweite Korridore auszureißen und, auf über tausend Hertz oszillierend, die Galaxis zu durcheilen. Die letzten Serviceroboter flitzten zwischen den warmlaufenden Maschinen hin und her. Hier wurde noch ein Tankschlauch entfernt, dort ein Druckausgleich hergestellt. Dann zogen die Mechanikerteams sich zurück. Die Luft in der Halle brodelte und kochte. Die Schmiede der Titanen war zum Leben erwacht, wo Hephaist und seine Gesellen die Waffen für einen neuen troianischen Krieg in ihren unterirdischen Essen härteten.
Als ich mich von der Einsatzbereitschaft der Flotte überzeugt hatte, ließ ich mich mit dem Tower verbinden, der wie ein Schwalbennest über uns unter der Decke der gewaltigen Felskonstruktion hing. Ich verspürte ein letztes Zögern. Noch war nichts geschehen. Aber schon in wenigen Minuten war alles unumkehrbar. Jennifer sah sich fragend nach mir um. Ihre Finger flatterten nervös über dem Hauptbedienpult, wie Kolibris, die darauf warteten, ihre Saugrüssel in die goldenen Nektarkelche einer prächtigen südamerikanischen Heliconia zu tauchen. Sie selbst schien ein einziger menschlicher Feldgenerator zu sein, der Funken sprühte, blaue Lichtbögen auswarf und reines Plasma aus allen Fugen schwitzte. Draußen donnerten tausend startbereite Maschinen. Die Herzen von mehreren tausend auf mich persönlich vereidigten Männern und Frauen schlugen höher im herrlichen Tumult dieses unerwarteten Morgens.
»Hangartor öffnen!«, befahl ich.
Ein vielstimmiger Jubel brach