77 Fehler und Irrtümer in der Notfallmedizin. Группа авторов

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Название 77 Fehler und Irrtümer in der Notfallmedizin
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Жанр Медицина
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Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783954660131



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kann nur mit einem Doppel-C-Griff unter größten Schwierigkeiten durchgeführt werden, gleichzeitig kommt es zu Erbrechen und Aspiration von Mageninhalt. Der Rettungssanitäter läuft aus dem 4. Stock zurück zum Rettungswagen, in dem Larynxmasken und ein Quick-Trach-Set verstaut sind. Nach Anlage einer Intubations-Larynxmaske Größe 5 kann der Patient problemlos ventiliert werden. Danach erfolgt hierüber die Intubation. Der weitere Verlauf ist komplikationslos.

      Hintergrund

      Der unvorhergesehen schwierige Atemweg ist in der präklinischen Situation deutlich häufiger als in der innerklinischen Anästhesiologie, und somit muss der Notarzt immer damit rechnen. Zudem sind präklinische Atemwegsprobleme aufgrund der Umgebungsbedingungen auch schwerer zu beherrschen. Besondere Probleme in der Präklinik bereiten Verletzungen und Erkrankungen im Gesichts- und Halsbereich wie z. B. ausgedehnte Mittelgesichtsfrakturen, Weichteilschwellungen im Larynx- oder Pharynxbereich sowie Larynxtraumata. Hinzu kommen häufig schwierige Rahmenbedingungen (z. B. ungünstige Lichtverhältnisse, erschwerte Lagerung etc.) sowie die fehlende Nüchternheit der Patienten.

      Zwar kann die Inzidenz des schwierigen Atemweges präklinisch kaum beeinflusst werden, jedoch müssen Notarzt und Rettungspersonal bei jeder Atemwegssicherung darauf gefasst und vorbereitet sein. Erfahrung im Umgang sowie die rasche Verfügbarkeit eines alternativen Atemwegsequipments sind genauso wichtige Bestandteile der Narkosevorbereitung wie das Bereitstellen der notwendigen Medikamente. In dem vorliegenden Fall hielt der Rettungswagen ein alternatives Atemwegsmanagement in Form einer Intubationslarynxmaske und eines Quick-Trach-Systems vor. Es ist zu spät, dieses Equipment erst dann holen zu lassen, wenn bereits Komplikationen eingetreten sind. Notfallpatienten haben häufig keinerlei respiratorische Reserven. Das alternative Atemwegsmanagement inklusive Skalpell für die Koniotomie sollten daher routinemäßig vorbereitet werden, um im Notfall sofort einsetzbar zu sein. Gleichzeitig stellt die Ausstattung des RTW und NEF mit dem notwendigen Equipment für ein alternatives Atemwegsmanagement eine conditio sine qua non dar. Notärzte und Rettungsdienstmitarbeiter müssen die Anwendung des vorgehaltenen Equipments beherrschen.

      Fehler und Gefahren

       Intubationsschwierigkeiten präklinisch häufiger als innerklinisch.

       Personal ist mental nicht auf den schwierigen Atemweg eingestellt.

       Alternatives Atemwegsequipment wird nicht sorgfältig vorbereitet.

       Alternatives Atemwegsequipment wird nicht auf den Rettungs- oder Notarztwagen vorgehalten.

       Equipment des alternativen Atemwegsmanagements ist den Notärzten und Rettungsassistenten in der Handhabung nicht ausreichend bekannt.

      Fehlervermeidung

       Alternatives Atemwegsequipment auf den Rettungswagen/Notarztwagen und Notfallkoffern vorhalten.

       Bei jeder Narkoseeinleitung bzw. Beatmung die Notwendigkeit eines alternativen Atemwegsmanagements einplanen.

       Notärzte und Rettungsassistenten im Umgang damit regelmäßig schulen.

       Mental auf den schwierigen Atemweg vorbereitet sein (die Frage „Was mache ich, wenn die Intubation misslingt und die Sauerstoffsättigung fällt?“ muss vor der Narkoseeinleitung beantwortet sein).

       Genaues Abwägen des Patientenzustands und der eigenen Erfahrung.

       Nicht das Zeitgefühl verlieren und beim wiederholten Versuch der Intubation die Pulsoxymetrie ignorieren und die Maskenbeatmung vergessen. Der Patient wird nicht durch die unmögliche Intubation sondern durch den Sauerstoffmangel geschädigt.

      Der Notarzt wird zu einem Verkehrsunfall gerufen, bei dem ein PKW von der Strasse abgekommen und mit der Beifahrerseite gegen einen Baum geprallt ist. Der Unfallwagen ist an der Vorderseite und im Bereich der Beifahrertür eingedrückt.

      Die noch im Fahrzeug sitzende Beifahrerin ist voll orientiert. Sie hat einen stabilen Kreislauf und eine unauffällige Atmung, allerdings blutet sie stark aus einer klaffenden frontalen Kopfplatzwunde. Ihr linkes Bein ist zwischen Sitz und Armaturenbrett eingeklemmt, ohne dass Verletzungen daran zu erkennen sind.

      Ein dreijähriges Kind, das auf der Rückbank im Kindersitz gesessen hatte, wird bereits von einem Rettungsassistenten betreut. Die körperliche Untersuchung ergibt zunächst keinerlei Auffälligkeiten.

      Der Fahrer des PKWs wird gehend und völlig verzweifelt direkt neben der eingeklemmten Patientin angetroffen. Er kann nur mit sanfter Gewalt von dem Unfallauto weg geschoben werden, da er sich offensichtlich Vorwürfe macht, den Unfall durch einen Streit während der Fahrt verschuldet zu haben.

      Während die Kopfplatzwunde der eingeklemmten Patientin versorgt wird, klagt sie über allmählich zunehmende Kopfschmerzen. Da ihr Ehemann kaum beruhigt werden kann und die Erstmaßnahmen und die Rettung durch die Feuerwehr zunehmend behindert, bittet der genervte Notarzt die Polizei darum, ihn von der unmittelbaren Einsatzstelle zu entfernen.

      Nach 15 Minuten ist die Patientin aus dem Fahrzeug befreit und wird in den RTW gebracht. Zusätzlich zu den Vorbefunden zeigt sich eine Schwellung am Außenknöchel, sodass neben der Kopfplatzwunde nun auch noch der Verdacht auf eine Sprunggelenksfraktur besteht. Die Patientin ist weiterhin stabil und nach wenigen Minuten im Rettungswagen für den Transport vorbereitet.

      Vor Abfahrt des RTW geht der Notarzt noch einmal in den Polizeibus, um den Fahrer des Unfallfahrzeugs über das weitere Vorgehen zu informieren. Er findet ihn blass und gekrümmt neben einem Polizisten, welcher ein Protokoll ausfüllt, sitzend vor. Der sofort gemessene Blutdruck liegt bei 105/65, die Herzfrequenz bei 110/min, die Bauchdecke ist bretthart. Darmgeräusche sind nur spärlich zu hören.

      Der Notarzt legt sofort drei großlumige venöse Zugänge und fordert einen zweiten RTW an. Da bis zu dessen Eintreffen mehr als zehn Minuten vergehen werden, wird die klinisch stabile Beifahrerin zunächst in den Bus der Polizei gebracht und der Patient mit dem Rettungswagen mit Sondersignal in die nächste Klinik gebracht. Dort bestätigt sich der Verdacht einer Milzruptur.

      Hintergrund

      Die Aufmerksamkeit aller Ersthelfer wird bei Verkehrsunfällen mit mehreren Beteiligten oft durch Ersteindrücke wie offensichtliche Frakturen, stark blutende Wunden und die Beteiligung von Kindern gebahnt.

      In besonderem Maße wird dabei die Aufmerksamkeit vor allem eingeklemmten Personen zuteil, während herumlaufende Unfallbeteiligte ohne offensichtlich sichtbare Verletzungen oft vorschnell als „unverletzt“ eingestuft werden.

      Selbst bei nur zwei oder drei Unfallbeteiligten ist eine erste „kleine Triage“ unverzichtbar und die Grundlage für eine ausreichende Nachforderung von Rettungsmitteln.

      Zeitliche Verzögerungen in der Versorgung von Unfallverletzten sind sehr häufig auf organisatorische Fehler wie verspätete Nachforderungen oder verfrühte Abbestellungen von Rettungsmitteln zurückzuführen, die letztendlich in der Verantwortung des zuerst eintreffenden Notarztes liegen.

      Auch bei Unfallbeteiligten, die bei der ersten Sichtung keine wesentlichen Auffälligkeiten aufweisen, sollte in jedem Fall eine adäquate Betreuung durch Fachpersonal sichergestellt werden, um auf eventuelle Verschlechterungen sofort reagieren zu können.

      Fehler und Gefahren

       Verzögerte Diagnosestellung, da die Aufmerksamkeit durch offensichtliche Frakturen, stark blutende Wunden oder die Beteiligung von Kindern gebunden wurde.

       Wegen der fehlenden Aufmerksamkeit gegenüber allen Unfallbeteiligten kommt es zu organisatorischen Verzögerungen im Einsatzablauf.

       Häufig falsche Festlegung der Transportpriorität.