Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet. Holger Dr. phil. Wohlfahrt

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Название Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet
Автор произведения Holger Dr. phil. Wohlfahrt
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783946959632



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erschuf, würden heute in der westlichen Welt für Abscheu sorgen und chirurgisch behandelt werden.

      Für die Glorifizierung eines extremen Arbeitseinsatzes, wie sie uns in der westlichen Gegenwart begegnet, hätte man hingegen zur Zeit der griechischen Antike keinerlei Verständnis gehabt, man hätte sogar mit tiefster Verachtung reagiert. Blinden Arbeitseifer schätzte man damals nur an Sklaven.

      Demgegenüber gehörte Homosexualität in der griechischen und vor allem römischen Antike zum guten Ton, wurde dann aber später von den abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) als widernatürlich eingestuft und verteufelt. Bis heute leiden viele Homosexuelle an den noch immer nicht ganz überwundenen Nachwirkungen jener jahrhundertelangen Stigmatisierung.

      In der globalisierten Welt der Gegenwart werden Gegensätze in den kulturell geprägten Idealbildern besonders schnell deutlich. So entspricht dem westlichen Schönheitsideal beispielsweise eine gebräunte Haut. Freiwillig begeben sich daher Millionen von Menschen in krebserregende Solarien und lassen sich bereitwillig von der Sonne verbrennen. Demgegenüber schmieren sich Millionen von Asiaten ätzende, zutiefst schädliche Mittel auf die Haut, um dem Schönheitsideal von möglichst weißer Haut nahe zu kommen.

      Millionen von europäischen Jugendlichen bekommen wiederum sonderbare Formen von Spangen in den Mund gesetzt, um ihre Zähne ein paar Millimeter zu verschieben und gerader aussehen zu lassen. In Japan lassen sich zeitgleich Jugendliche Spangen einsetzen, um die Zähne auseinanderzudrücken und schief erscheinen zu lassen. Dies wirkt schließlich kindhaft und entspricht dem stark am Kindchenschema orientierten japanischen Schönheitsideal.

      Auch Gesinnung und Mentalität sind in hohem Maße relativ. So ergab eine gemeinsam durchgeführte Studie der Universitäten Yuerong Sun in Shanghai und der Waterloo University in Kanada, dass in Shanghais Schulen schüchterne, zurückhaltende und sensible Kinder am beliebtesten waren. In Kanada hingegen waren die schüchternen, zurückhaltenden und sensiblen Kinder in ihren Schulen schlecht angesehen. Sie waren weitaus unbeliebter als die lauten, frechen und schrillen.

      Es bleibt also festzuhalten: Stets ist der Kontext dafür verantwortlich, was als ideal betrachtet wird.

      Es soll daher in vorliegendem Buch gar nicht erst versucht werden, ein weiteres, letztlich doch wieder nur relatives Idealbild vom Menschen als solchem zu zeichnen. Der Mensch als hochkomplexes, nie ganz erschließbares Wesen soll in seiner wunderbaren Vielfalt und Widersprüchlichkeit belassen werden. Das heißt freilich auch, dass kein Ratschlag, keine noch so gut begründete und wissenschaftliche Empfehlung zum Dogma erhoben werden kann. Was dem Einen in seiner konkreten Wesenheit nützt, kann dem Anderen womöglich schaden. Was der Eine als schön und richtig einstuft und was vielleicht auch deshalb wirksam ist, kann der Andere als unattraktiv und daher ablehnenswert empfinden – was eine Wirksamkeit vielleicht unmöglich macht. Was also dem Einzelnen hilft, ist noch lange kein Allheilmittel.

      Dennoch erheben auch in heutiger Zeit noch viele Ratgeber, Gurus und Wissenschaftler ihre persönliche Einsicht zur letzten und allgemeingültigen Wahrheit. Sie wollen nicht wahrhaben, dass das, was bei ihnen oder vielleicht auch bei einzelnen Anhängern oder Probanden gewirkt hat, nicht zwangsläufig bei jedem anderen wirken wird.

      Diejenigen, die keine Wirkung einer Methode spüren, beginnen dann oft an sich selbst zu zweifeln. Sie verstehen nicht, warum bei ihnen nicht helfen soll, was bei anderen funktioniert hat. Immer wieder passiert es, dass einzelne Menschen in einen wahren Teufelskreis geraten. Sie investieren immer noch mehr Geld, Energie und Zeit in die Lehre eines Gurus. Oder sie eilen von Psychologen zu Psychologen. Oder kaufen Ratgeber um Ratgeber. Doch je mehr sie investieren, desto verzweifelter werden sie über das Ausbleiben der Wirkung – was wiederum neue Investitionen nach sich zieht.

      In besonders dramatischen Fällen können hieraus gefährliche Abhängigkeiten entwachsen. Das Ausbleiben der Wirksamkeit scheint sich dann nur noch damit begründen zu lassen, dass man dem entsprechenden Guru oder der herrschenden Lehrmeinung nicht ausreichend Folge leistet. Indem eine immer extremere Annäherung und Unterordnung vorgenommen wird, vollzieht sich oft genug, für den Betroffenen meist unbemerkt, ein Wandel zum Fanatismus. Das ganze Leben wird in diesen extremen Fällen an einer Lehre, einem Glauben oder auch einer Behandlungsmethode ausgerichtet. Andere Meinungen werden nicht mehr gelten gelassen.

      Daher soll vorab explizit darauf hingewiesen werden, dass jeder der in diesem Buch empfohlenen Glückswege nur einen Vorschlag darstellt. Egal wie gut begründet seine Wirksamkeit erscheinen und wie vehement seine Umsetzung nahegelegt werden mag – als allgemeingültig sollte er nicht betrachtet werden. Es handelt sich, metaphorisch gesprochen, tatsächlich nur um Wegweiser, welche die Richtung skizzieren. Im Sinne des eingangs zitierten Seneca werden also bestenfalls die richtigen Voraussetzungen für die Glückssuche geschaffen.

      In diesem Sinne: Gute Reise!

      Wegweiser zum Glück

      I.

       Die Notwendigkeit eines Lebenssinns

      Oder: Das Glück des Sisyphos

      Unterwegs sein

      Die Reise soll mit einem anderen Reisenden beginnen. Einem, dessen Reise vielleicht ungewöhnlich anmutet. Sie war unfreiwillig, endlos und äußerst anstrengend. Eine Reise, die wahrlich keinen Urlaub darstellte. Es geht um König Sisyphos.

      Der existentialistische Philosoph Albert Camus (1913-1960) widmete dem berühmten König der griechischen Mythologie einen wunderbaren Essay mit dem Titel „Der Mythos von Sisyphos“. Darin wird die antike Sage aufgegriffen und neu interpretiert.

      Dem schlauen und verschlagenen König Sisyphos war es demnach immer wieder gelungen, den Todesgott Thanatos, der ihn ins Reich des Todes holen wollte, auszutricksen und sich somit am Leben zu halten. Da beschlossen die Götter eines Tages, sich nicht länger von Sisyphos an der Nase herumführen zu lassen und ihn zu bestrafen. Sisyphos erhielt die göttliche Anweisung, einen Felsblock auf einen Berg zu schieben. Doch sobald er den Gipfel erreichte, rollte der Stein wieder nach unten. Und so begann die unendliche Reise des Sisyphos. Immer wieder brachte er den Stein nach oben, wo dieser sofort wieder entglitt. Ein langer Abstieg begann, um den Stein dann wieder vergeblich nach oben zu rollen.

      Heute steht der Begriff „Sisyphosaufgabe“ oder „Sisyphosarbeit“ in der Regel für eine harte Tätigkeit, die nicht nur ertraglos ist, sondern auch nie zu einem Ende kommt. Viele assoziieren mit Sisyphos daher vor allem Übel und Leid. Camus weist in seinem Essay jedoch auf einen anderen Aspekt hin. Er zeigt, dass die Erkenntnis der Sinnlosigkeit seines Tuns für Sisyphos zum Moment wahrer Selbsterkenntnis wird. Im Moment der bedingungslosen Akzeptanz, vielleicht sogar des Aufgehens in der absurden Tätigkeit, erfährt Sisyphos sich selbst. Er erkennt, wie unbedeutend sein ach so beharrliches Streben ist. Er kann somit jegliches menschliche „Sinnieren“ erleichtert einstellen und sich voll dem aktiven Tun widmen. Er hat den Sinn in der Sinnlosigkeit gefunden.

      Sisyphos steht als Synonym für den Menschen als solchen. Auch dessen Tun ist laut Camus stets von Absurdität gekennzeichnet. Wenn ihn die gestellten Aufgaben nur stark genug in Anspruch nehmen, hat er gedanklich keinen Raum, die Welt, in der er lebt, als unfruchtbar oder wertlos wahrzunehmen. Er eilt mit großem Kraftaufwand einem Ziel entgegen, das er doch nie endgültig erreichen kann.

      Camus beschließt seinen Essay mit der vielleicht überraschenden Feststellung: „Der Kampf gegen Gipfel (auf die Sisyphos seinen Stein immer und immer wieder rollt) vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“

      Sisyphos hat in seinem vermeintlich sinnlosen Tun also einen Lebenssinn gefunden. Camus, der als Existentialist auch als Philosoph der Freiheit bezeichnet werden kann, macht damit deutlich, dass jeder Einzelne im Leben Sinn finden kann, wenn er für sich selbst eine Aufgabe und ein klar umrissenes Ziel ausruft. Das Ziel sollte so groß sein, dass es das Leben überragt. Sobald es definitiv erreicht wird, droht nämlich eine mentale Erstarrung einzukehren. Ernüchterung, Langeweile und innere Leere machen sich breit. Daher ist es Camus zufolge für das individuelle Glücksempfinden wichtig, unterwegs zu sein und eben