Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet. Holger Dr. phil. Wohlfahrt

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Название Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet
Автор произведения Holger Dr. phil. Wohlfahrt
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783946959632



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erkannt. Die Suchtforscherin Tagrid Leménager von der „Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit“ in Mannheim erklärt: „In unserer Konsumgesellschaft sind wir ständig auf der Suche nach Reizen, die ein Euphoriegefühl auslösen.“ Es werden also in immer kürzeren Abständen immer kostspieligere Outfits konsumiert, immer gewaltigere Reisen gebucht oder immer teurere und nutzlosere Artikel der Unterhaltungsindustrie angeschafft. Ein kurzzeitiges, hormonelles Gefühlshoch ist auf die Art nur allzu leicht zu bekommen. Um dann das gleiche gute Gefühl noch einmal zu erzeugen, „[…]braucht man dann mehr. Mehr Geld, mehr Partys, mehr Urlaub“, so Leménager. Die Dosis muss also, wie bei einer Drogensucht, erhöht werden. Der Einzelne wird so zu einem fremdbestimmten Wesen, das verzweifelt dem nächsten Gefühlskick nachjagt. Die Gesellschaft als solche verliert sich in einem blinden Konsumismus, für den die begrenzten Ressourcen unserer Erde herhalten müssen.

      Die beglückende Freude der Zufriedenheit

      Auch wenn die Auseinandersetzung mit der Neurowissenschaft es nahelegt, so muss doch festgehalten werden: Der Mensch ist nicht nur ein hormonell gesteuertes Triebwesen. Er besitzt auch Geist. Er zeichnet sich unter anderem durch seine Fähigkeit zum Nachdenken, Reflektieren, Philosophieren aber auch zum Innehalten und Meditieren aus. Diese Fähigkeiten helfen, die impulsiven Euphorie-Ausbrüche einzuordnen, in ihrer Funktionsart zu erkennen und sogar zu steuern. Der Mensch kann somit Hoheit über sich gewinnen. Er kann die Abhängigkeit von den süchtig machenden Glückskicks beenden und stattdessen eine tiefere Einsicht in die Zusammenhänge des Lebens erlangen.

      Menschen, die jene rein animalisch anmutende Instinktebene der unmittelbaren Triebbefriedigung verlassen, entwickeln dabei nachweislich ein besonders tiefes Bewusstsein. Neurowissenschaftler konnten zeigen, dass bei ihnen eine evolutionsgeschichtlich sehr junge Region im Gehirn, der sogenannte Cortex, stark aktiviert wird. In diesen Arealen der Hirnrinde wird von Forschern im Prinzip das verortet, was man Zufriedenheit nennt. Zufriedenheit steht somit für etwas, das als Ergebnis bewusster Vorgänge und erlernbarer Praktiken zu erlangen ist.

      Bereits im 18. Jahrhundert schrieb der britische Universalgelehrte Samuel Johnson (1709-1784): „Zufriedenheit muss dem Verstand entspringen. Jener, der die menschliche Natur so wenig kennt, dass er bei der Suche nach dem Glück alles ändert außer seiner Anlage, wird sein Leben in fruchtlosen Bemühungen verschwenden und das Leid, das er beseitigen möchte, vervielfachen.“

      Und damit kommen wir zur dritten und letzten Glücksdefinition. Um sie soll es im weiteren Verlauf des Buches vorrangig gehen.

      Die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt meint, dass all das, was gegenwärtig als „Glücksforschung“ bezeichnet wird, in Wahrheit ohnehin eine „Zufriedenheitsforschung“ sei. Doch der Begriff Zufriedenheit wird jenem grundlegenden Wohlbefinden, das dem menschlichen Gefühlshaushalt zugrunde liegen kann, vielleicht nicht ganz gerecht.

      Wer ausschließlich danach strebt, in gelassener Dauerruhe dahinzuvegetieren, droht seinerseits zum apathischen, teilnahmslosen und interessenlosen Wesen zu werden. Ein Streben nach Zufriedenheit kann schnell zu einem aus Bequemlichkeit vollzogenen Abschied aus dem tätigen und selbstbestimmten Leben degenerieren. Irgendwann, und sei es erst am Sterbebett, droht genau dieses Verharren auf einer niedrigen, vermeintlich wunschlosen Gefühlsebene, die zwar behaglich und bequem, aber eben auch „un-lebendig“ ist, für Unzufriedenheit zu sorgen. Im Bewusstsein kann sich ein „Un-Frieden“ breit machen. Der Philosoph und Dichter Khalil Gibran (1883-1931) drückt das in seinem Buch „Der Prophet“ so aus: „Die Behaglichkeit wird zu einem Bändiger und mit Haken und Peitsche macht sie Marionetten aus euren größeren Wünschen. […] Wahrlich, die Gier nach Behaglichkeit mordet die Leidenschaft der Seele und mischt sich dann grinsend in den Trauerzug.“

      Wer in einem glücklichen Sinne zufrieden sein will, sollte daher vielleicht gerade nicht ausschließlich nach behaglicher Zufriedenheit streben. Stattdessen gilt es eine Art der Lebenskunst zu entwickeln, die es ermöglicht, das Leben in seiner Vielfalt, in seiner Schönheit, aber auch Tragik anzunehmen, voranzutreiben und auszukosten. Eine Lebenskunst, die dabei hilft, äußeres Glück genauso wie Pech, Erfolge genauso wie Niederlagen, Momente größter Wonne genauso wie schlimmste Schicksalsschläge zu akzeptieren und in die Geschichte des eigenen Lebens sinnvoll zu integrieren. Wem das gelingt, der empfindet wohl mehr als schlichte Zufriedenheit. Der Philosoph Robert Spaemann (1927-2018) spricht von einem Empfinden „inneren Jubels, der […] dauerhaft als Unterton mitschwingt.“ Er meint eine grundlegende Lebensfreude, die weit mehr ist als bloßes Glück. Bei dem großen Dichter Rainer Maria Rilke (1875-1926) heißt es dazu:

      „Freude ist unsäglich mehr als Glück,

      Glück bricht über die Menschen herein, Glück ist Schicksal –

      Freude bringen sie in sich zum Blühen,

      Freude ist einfach eine gute Jahreszeit über dem Herzen;

      Freude ist das Äußerste, was die Menschen in ihrer Macht haben.“

      Um jene Freude, deren Grundton ein „innerer Jubel“ ist, soll es in vorliegendem Buch nun überwiegend gehen. Die euphorisierende Wirkung des Kurzzeitglücks wird dabei jedoch nicht ausgeklammert. Sie wird immer wieder auf ihre Nutzbarmachung für wahrhafte Lebensfreude überprüft.

      Warum es nicht nur einen Weg zum Glück gibt

      Der antike Philosoph Platon (428/427-349/348 v.Chr.) hat mit seiner „Ideenlehre“ eine der bekanntesten und einflussreichsten Theorien der Menschheitsgeschichte entwickelt. Er geht davon aus, dass alle Erscheinungen der konkreten Welt als Abbilder ewiger Ideen zu begreifen sind. Diese ewigen Ideen hinter den Erscheinungen sind die wahre Wirklichkeit. Sie sind mit den menschlichen Sinnen nicht zu erkennen. Nur das „geistige Auge“ kann sich die Idee von etwas erschließen. Dennoch sind die Ideen das, was es ermöglicht, alle weltlichen Erscheinungen in Kategorien zu fassen. Jeder reale Mensch entspricht zum Beispiel der ewigen Idee Mensch.

      Von jeher war es ein menschliches Bestreben, sich dieser Idee anzunähern, also der Wahrheit nahe zu kommen. Menschen wollten stets ideale Formen ihrer selbst erschaffen. Religiöse, spirituelle, esoterische, in neuerer Zeit auch wissenschaftliche Modelle wurden und werden entwickelt, deren Umsetzung dazu beitragen soll, den Menschen zu vervollkommnen und ihn in seinem Ideal zu verwirklichen.

      Inzwischen beruft sich dabei kaum noch jemand auf Platon. Dennoch wirkt seine Lehre auf subtile Weise fort. Heute ist es Ziel jedes wissenschaftlichen Strebens, die platonische Idee als solche zu entschlüsseln. Immer wieder werden aktuelle Denk-Entwürfe oder Forschungsergebnisse als definitive Wahrheiten und damit quasi als überzeitliche Ideale dargestellt. Alle Abweichungen von diesen Idealen sind dann als fehlerhaft zu betrachten.

      Doch natürlich bleibt jeder als ideal deklarierte Forschungsstand vorläufig. Die Geschichte zeigt, dass es immer wieder zu einem Wandel der Lebensanschauungen, Glaubenssätze und damit auch Ideale kam und kommt.

      Problematische Begleiterscheinungen kann es geben, wenn das Wesen Mensch als solches zu sehr ins Zentrum der Idealsuche rutscht. Wenn nämlich einzelne von einem gegenwärtig gefundenen Idealbild abweichen, wurden und werden sie nur allzu oft stigmatisiert, als anormal aus der Gesellschaft ausgestoßen, manchmal sogar verfolgt und getötet.

      Wie der einzelne Mensch wahrgenommen wird, ob er einem gerade aktuellen Ideal entspricht oder ob er als „fehlerhaft“ angesehen wird, hängt von den jeweiligen Moden und Gesinnungen ab, deren Zustandekommen oft nicht eindeutig erklärbar ist.

      So würde man großen Personen der Weltgeschichte, die einst als Heilige verehrt wurden, aufgrund ihrer extremen Andersartigkeit heute höchstwahrscheinlich eine psychiatrische Behandlung nahelegen. Die Lebensentwürfe von Buddha, Jesus und Mohammed entsprechen jedenfalls in keiner Form dem, was man heute in der westlichen Welt auch nur ansatzweise als normal einstufen würde. Man denke auch an Heilige, wie Symeon (389-459), der mehrere Jahrzehnte auf einer Säule sitzend verbrachte. Oder an den heiligen Franz von Assisi (ca. 1181-1226), der Kruzifixe zu sich sprechen hörte und später für die Tiere des Waldes Gottesdienste abhielt.