Standort Deutschland. Volker Meyer-Guckel

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Название Standort Deutschland
Автор произведения Volker Meyer-Guckel
Жанр Зарубежная деловая литература
Серия
Издательство Зарубежная деловая литература
Год выпуска 0
isbn 9783170393295



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von amerikanischen Universitäten, führte zu einer weiteren Verhärtung der Ansichten in Beijing. Mit großen finanziellen Anstrengungen arbeitet China daran, seine Abhängigkeit von «unzuverlässigen» westlichen Partnern zu verringern. China fördert unter den Konzepten der «dual circulation» und der «indigenous innovation» die heimische Technologie unter zunehmendem Ausschluss ausländischer Unternehmen.

      Es wäre falsch, diese Entwicklungen einzig als Reaktion auf die rhetorische Aggressivität der Trump-Regierung zu sehen, und dass mit dem Abtritt von Trump der Status quo ante 2017 wieder eintritt. Die Staatsführung in Beijing ist zum Schluss gekommen, dass auch eine Regierung von Präsident Joe Biden nicht wesentlich anders agieren wird. Die Rhetorik mag wieder freundlicher werden, aber an der neuen Realität der strategischen Rivalität wird sich nichts ändern. Möglicherweise wird Biden im Gegensatz zum «America First»-Alleingang von Trump effektivere Allianzen schmieden, was China vor zusätzliche Herausforderungen stellt.

      Das ist das Umfeld, in dem sich Deutschland und Europa in den kommenden Jahren bewegen muss.

      3.2 Was Deutschland und China unterscheidet

      Bevor wir beleuchten, wie sich Europa in dieser sich veränderten Welt aufstellen muss, ist ein Blick auf die Unterschiede wirtschaftlicher Natur zwischen Deutschland und China – beziehungsweise zwischen Europa und Asien – sinnvoll. Nicht zuletzt im Umgang mit der Covid-19-Pandemie sind diese Unterschiede deutlich zu Tage getreten, kann doch festgestellt werden, dass praktisch alle Länder in Asien deutlich besser und pragmatischer, überdies mit geringeren wirtschaftlichen Schäden mit der Pandemie fertigwerden als die meisten Staaten Europas – von den USA ganz zu schweigen.

      Generell – und das gilt nicht nur für China – ist in Asien sowohl in der Bevölkerung als auch in den Regierungen eine größere Offenheit gegenüber neuen Technologien und dem technologischen Fortschritt festzustellen. Von Indonesien bis Korea ist die «mobile economy» weiter fortgeschritten als im Großteil Europas, sei es in der Durchdringung mit E-Commerce-Angeboten, bargeldlosen Bezahlsystemen oder Big Data-Anwendungen. Was die Bandbreiten in der Übertragungstechnologie betrifft, sind Länder wie Korea und Japan Deutschland um Jahre voraus.

      In Asien blickt die Bevölkerung – natürlich generalisiert und vereinfacht ausgedrückt – optimistischer in die Zukunft, zeigt eine höhere unternehmerische Risikobereitschaft und steht auch der Idee des grenzüberschreitenden Handels, die im Westen derzeit von protektionistischen Kräften geschwächt und in Frage gestellt wird, positiv gegenüber.

      Spezifisch auf China bezogen schafft ein Binnenmarkt mit 1,4 Milliarden, zunehmend urban lebenden Menschen ein erhebliches Maß an Nachfragepotenzial für Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen. Ein weiterer, deutlich negativer zu bewertender Aspekt Chinas ist die große Macht der staatseigenen Betriebe, die mit enormen versteckten und offenen Subventionen unterstützt werden und so signifikante Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten aus dem Ausland ausspielen können. Diese staatseigenen Kolosse drängen seit einigen Jahren vermehrt auf den Weltmarkt, bspw. unter dem Banner der Belt-and-Road-Initiative, und treten in Konkurrenz mit marktwirtschaftlich agierenden, westlichen Unternehmen.

      3.3 Wie soll Europa dieser Herausforderung begegnen?

      Europa hat weder die militärische und technologische Macht der USA, noch kann und soll es das staatlich gelenkte Subventions- und zentralistische Planungsmodell der Volksrepublik China imitieren. Das Interesse Europas – respektive der Europäischen Union – ist es, das zu bewahren, was die Volkswirtschaften des Kontinents nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich gemacht hat: Integrierte globale Wertschöpfungsketten mit gegenseitigen Abhängigkeiten.

      In den letzten Jahrzehnten haben sie dazu beigetragen, das Leben von Milliarden Menschen zu verbessern, indem sie beispiellosen Wohlstand und Frieden geschaffen haben. Die Basis dafür bildeten Handelsbeziehungen, die liberal, multilateral, regelbasiert und durch einen verbindlichen Streitbeilegungsmechanismus vor der Welthandelsorganisation WTO abgesichert waren. Der in Teilen der Welt beobachtete Anstieg von nationalem Protektionismus, Bilateralismus und dem Streben nach Autarkie stellt die EU vor eine Herausforderung, die sie meistern muss. Aber die Antwort Europas darauf sollte nicht sein, auch protektionistischer zu werden, sondern die liberalen, offenen Werte zu wahren und dafür einzutreten. Das bedeutet:

      • Die EU muss in erster Linie hart an ihrer eigenen Attraktivität als Partner arbeiten, ihren Binnenmarkt und ihre Innovationsfähigkeit stärken.

      • Sie muss eine Vorbildfunktion einnehmen und für die Wahrung der Grundsätze des freien und offenen Handels und des Wettbewerbs auf internationaler Ebene durch Sicherung gleicher Wettbewerbsbedingungen einstehen.

      • Sie muss zusammen mit ihren wichtigsten Handelspartnern eine internationale Reform der Welthandelsorganisation WTO anführen und praktikable Lösungen für die veränderte wirtschaftliche Realität im 21. Jahrhundert entwickeln.

      Europa kann und muss diese Aufgaben mit mehr Selbstbewusstsein angehen. Die Länder Europas sind nicht allein mit der Herausforderung einer durch die Rivalität von zwei Großmächten geprägten Welt. Andere Staaten, die in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg vom liberalen, regelbasierten Weltwirtschaftssystem profitiert haben – bspw. Kanada, Korea, Japan, Australien oder Neuseeland – sind in einer ähnlichen Situation und teilen viele Interessen Europas.

      Kommen wir nun zu den konkreten Bausteinen einer europäischen Strategie für die Zukunft. Sie lassen sich unter den Begriffen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Finanzierung subsummieren.

      3.4 Der Green Deal und die europäische Wirtschaft

      EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den «European Green Deal» zu einem der wichtigsten Themen ihrer Amtszeit erklärt. Es sollen 1.000 Milliarden Euro investiert werden, um die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Der Plan sieht vor, Strategien für eine neue Industrie-, Energie- und Verkehrspolitik der EU zu entwickeln und umzusetzen. Die Industrie ist die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Green Deal, denn ohne echte Innovationen aus der Industrie werden die ambitionierten Ziele nicht erreicht werden können.

      Die Covid-Krise hat das sehr deutlich gemacht: Die meisten von uns wurden überrascht von der Tatsache, wie wenig die CO2-Emissionen im Jahr 2020 zurückgingen, obwohl große Bereiche der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens zeitweise zum Stillstand kamen. Das zeigt: Es kann keine Lösung für den Klimaschutz sein, die industrielle Produktion abzuwürgen. Stattdessen brauchen wir eine Industrie, die stark genug ist, die erforderlichen Innovationen zu entwickeln, und wir brauchen einen mutigen regulatorischen Rahmen, damit diese Innovationen auch eingeführt werden können.

      Der Green Deal wird erfolgreich für Europa und damit auch für Deutschland, wenn er mit einer ehrgeizigen Industriestrategie und einer entsprechenden Wettbewerbspolitik unterlegt wird, um Investitionen und Innovationen in Europa zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrien zu stärken.

      Der Fahrplan und die bisher bekannten Vorschläge der EU-Kommission im Bereich Klimaschutz sind passend, denn es wurden Signale für die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien gesetzt. Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sind teuer, und Unternehmen brauchen die Aussicht darauf, dass CO2-arme Technologien in Zukunft auch einsetzbar sind. Es bleiben aber noch viele Fragen offen, etwa nach der Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen.

      Ein erfolgreicher Green Deal bietet die Chance, dass Wirtschaftsregionen außerhalb Europas dem Beispiel folgen – sei es beim Einsatz CO2-armer Produktionsmethoden oder der Nutzung von alternativen Energieträgern – und auf die erfolgreich angewandten Technologien und Modelle zugreifen können.

      Überlegungen zum sog. «Carbon Leakage»-Schutz mit den «Border Adjustment Measures» (BAMs) sind handelsrechtlich problematisch und stellen keinen echten Schutz der EU-Produktion noch von deren Transformation dar. Stattdessen sollten alternative Modelle wie Marktabgaben (ähnlich dem Grünen Punkt) in Kombination mit Zahlungen an die Material-Produzenten für CO2-freie Produktion («Carbon Contracts for Difference»)