Название | Bis zum Äußersten |
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Автор произведения | Rongliang Zhang |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783765574481 |
Ich war in meinem Leben an einer Weggabelung angekommen. Welchen Weg sollte ich wählen? Ich war hin- und hergerissen zwischen meiner Loyalität zur Partei und der Treue zur Gemeinde. Und ich kniete mich hin und begann zu beten. Kaum hatte ich angefangen, spürte ich etwas wie eine innere Stimme, die mir sagte: Setz Jesus an die erste Stelle, gib ihm die Ehre! Nein, ich durfte nicht zu dem Parteitermin, ich musste in den Taufgottesdienst gehen!
Ich wusste es in dem Augenblick noch nicht, aber diese Entscheidung sollte den Gang meines Lebens für immer verändern. Wir befanden uns damals mitten in der Kulturrevolution und geheime Treffen in der Nacht galten als Hochverrat. Mao Zedong selbst hatte geheime Treffen benutzt, um seine Revolution voranzutreiben und an die Macht zu kommen; er hatte den Sturz der Nationalisten in Geheimtreffen mit Gewerkschaftlern und Studenten vorbereitet. Er wusste, was für ein Umsturzpotenzial in solchen Treffen lag, und so war eine seiner ersten Maßnahmen als der Große Vorsitzende gewesen, sämtliche heimlichen Versammlungen zu verbieten.
Der Gemeindeleiter, der den Taufgottesdienst geplant hatte, war ein lieber Bruder namens Yao Wanming. Etwa hundertsechzig Menschen kamen in dieser Nacht zusammen. Unsere Gemeinde war in den vorangegangenen Monaten stark gewachsen und viele wollten getauft werden. Wir kamen nie mit den Taufen nach, weil alles im Untergrund durchgeführt werden musste. Ich hatte die Aufgabe, die Formulare für jeden der Täuflinge auszufüllen.
Bevor wir mit den Taufen begannen, hielt Yao Wanming eine Predigt. Alles verlief glatt. Gleich würden wir zu dem Teich gehen, wo die Taufen stattfinden würden. Damals zogen wir dazu oft unsere Schuhe aus und schoben sie uns unter den Arm, damit wir beim Gehen draußen nicht so viel Lärm machten. Doch diesmal sollten wir es nicht bis zum Teich schaffen, ja noch nicht einmal bis zur Tür.
Draußen hatten heimlich, still und leise dreißig Soldaten das Haus umstellt. Ohne Vorwarnung traten sie die Tür ein und umzingelten uns. Ihre Gewehrläufe zeigten auf unsere Gesichter. Es gab keine Möglichkeit zur Flucht und die meisten von uns hatten ja schon ihre Schuhe ausgezogen.
Die jungen Soldaten kamen mir bekannt vor. Natürlich, es waren Männer, die für mich arbeiteten. Ich war ihr Kommandant; ich hätte sie anbrüllen können, ihnen befehlen, die Leute in Ruhe zu lassen. Aber das ging natürlich nicht. Befehle erteilen? Als jemand, der bei etwas erwischt worden war, was in den Augen der Partei absolut verboten war?
Nun gut, erwischt war ich noch nicht. Der Raum war nur schwach beleuchtet und niemand erkannte mich. Ich wusste, wer diese Soldaten waren, aber sie wussten nicht, wer ich war. Keiner meiner Genossen, die da um uns herumstanden, wäre auch nur im Traum auf die Idee gekommen, dass ich hier war. Ich war noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, dies hier wäre meine erste Verhaftung gewesen. Ich war völlig schockiert und durcheinander. Die Zeit schien stillzustehen, nein, eigentlich raste sie wie verrückt.
Plötzlich packten zwei der Soldaten einen der Brüder, Gao Daoxue, der gerade auf dem Boden kniete und betete. Sie schlugen und traten ihn gnadenlos. Bruder Gao schrie laut den Namen Jesus und betete weiter, während die Schläge auf ihn herunterprasselten.
Ein anderer Soldat zeigte in die Runde und sagte: „Wenn ihr bereit seid, dem Namen Jesus abzusagen und Schluss mit eurem Aberglauben zu machen, dürft ihr nach Hause gehen und werdet nicht verhaftet. Wenn nicht, wartet morgen die Hölle der Zwangsarbeit auf euch. Ihr werdet Sand schaufeln und Straßen reparieren und wir werden euch auf den Straßen der Stadt vorführen, damit jeder weiß, was für ein konterrevolutionärer Abschaum ihr seid!“
Ein Augenblick Stille, während sie auf unsere Antwort warteten. Der Soldat lugte über den Lauf seines Gewehrs, die Augen voller Verachtung. Ich wusste, was er dachte, denn war ich eigentlich nicht ganz ähnlich wie er? Auch ich wollte doch unser Land schützen und die Revolution vorantreiben, auch ich wollte die Konterrevolutionäre mit Stumpf und Stiel ausrotten.
Während die Soldaten warteten, begann einer der Brüder neben mir, laut zu singen: „Auf, Brüder, lasst uns geh’n, lasst alles steh’n! Nehmt euer Kreuz und folgt dem Herrn, es geht nach Golgatha!“
Die anderen Christen im Raum schauten zum Himmel auf und fielen in das Lied ein, laut und furchtlos. Die Tränen flossen uns über die Gesichter, während wir sangen. Dieses wohlbekannte Lied bekam eine neue Bedeutung für uns, hier vor diesen Soldaten und ihren Gewehren. Die Kraft des Herrn Jesus kam auf uns und wir spürten den Trost seiner Gegenwart. Täuschte ich mich oder waren die Soldaten plötzlich nicht mehr so selbstsicher? Fühlten sie sich getroffen vom Text des Liedes?
Egal, wir wurden alle verhaftet und ins Rathaus gebracht, wo wir den Morgen abwarten sollten. Die Soldaten bewachten uns. An Schlaf war nicht zu denken, dazu war die Ungewissheit zu groß. Was würden sie morgen mit uns machen? Betten gab es im Rathaus sowieso keine. Ich konnte den Morgen kaum erwarten; ich musste meine Kollegen kontaktieren!
Im Dunkel der Nacht hatte mich niemand erkannt. Als der Morgen kam, trat ich zu einem unserer Bewacher und sagte ihm, dass ich unbedingt Parteisekretär Ai sprechen müsse.
Man brachte mich zu ihm. Seine Augen wurden groß, als ich in sein Büro trat. „Zhang, was machst du denn hier?“
Ich erklärte ihm, was vorgefallen war. Er hörte aufmerksam zu, dann sagte er: „Warum hast du dich nicht eher gemeldet? Das tut mir ja so leid, was dir da letzte Nacht passiert ist. Wenn ich gewusst hätte, dass du mit in dem Haus warst, hätte ich was machen können.“
Ai brachte mich zu einem anderen Sekretär, Li Jinde, der höher in der Hierarchie stand. Ich erstattete auch ihm Bericht.
„Genosse Li“, sagte ich, „gestern Abend nahm ich an einer Versammlung in dem Haus eines Freundes von mir teil. Dort waren Christen zusammen, um ihren Glauben zu praktizieren. Wir wurden alle verhaftet und für den Rest der Nacht ins Rathaus gebracht. Ich habe bis jetzt gewartet, um Ihnen das zu berichten, damit Sie das Nötige veranlassen können.“
Li sah mich fest an. „Zhang“, sagte er, „Sie sind ein junger Mann. Nehmen Sie das nicht so schwer. Wir alle machen mal Fehler, das ist normal. Wichtig ist, dass wir diese Fehler dann nicht wiederholen. Die Sache ist nicht so ein großes Problem, wie Sie denken. Sie gehen jetzt nach Hause, schreiben ein Geständnis Ihres Vergehens und kommen wieder zu mir und legen es mir vor.“
Ich verließ Lis Büro. Was sollte ich in meinem „Geständnis“ schreiben? Dann fing ich an, die Geschichte meines Lebens und meiner Bekehrung zu Papier zu bringen. Ich erklärte, warum ich mein Leben Jesus Christus gegeben hatte und welche Rolle Opa Sun dabei gespielt hatte. Ich beschrieb, was sich durch meine Bekehrung in meinem Leben geändert hatte. Ich beendete den Brief mit dem Ausblick auf die Wiederkunft von Jesus, der eines Tages zurück auf die Erde kommen und uns zu sich nach Hause holen würde.
Dann kehrte ich zu Lis Büro zurück und reichte ihm den Brief. Er begann zu lesen. Ich merkte, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte, von „beamtenmäßig“ zu „verwirrt“. Dann sagte er: „Also, Ihnen scheint Ihr Fehler ja gar nicht leidzutun! Das hier ist kein Geständnis, das ist ... Wollen Sie mich etwa bekehren? So geht das nicht, Zhang, das sollten Sie doch wissen!“
Er räusperte sich und fuhr fort: „Sie haben hier nur eine Option und die sollte Ihnen eigentlich klar sein. Sie sind Mitglied der Kommunistischen Partei. Wir sind Atheisten. Sie können nicht gleichzeitig Christ und Mitglied der Kommunistischen Partei sein, Zhang. Sie müssen sich entscheiden und es wäre eine Katastrophe für Sie, wenn Sie sich weigerten, mit Jesus Schluss zu machen.“
Er dachte kurz nach, dann sagte er: „Wir machen Folgendes: Sie gehen nach Hause und denken noch mal in aller Ruhe darüber nach, was Sie da gemacht haben. Und dann schreiben Sie diesen Brief noch einmal und bringen ihn morgen früh zu mir.“
Ich nickte.
„Zhang, dies ist Ihre letzte Chance, eine weitere kriegen Sie nicht. Das ist wichtig! Dies könnte der wichtigste Brief Ihres Lebens