Astrofotografie für Einsteiger. Alexander Kerste

Читать онлайн.
Название Astrofotografie für Einsteiger
Автор произведения Alexander Kerste
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783960886631



Скачать книгу

Horizont stand, dass einerseits der Horizontdunst nicht störte und andererseits die Bäume ein Gefühl für den Bildmaßstab vermittelten.

      Mein Teleskop hatte ich am 10. Juli 2020 ab etwa zwei Uhr morgens aufgebaut, aber die eindrucksvollsten Aufnahmen entstanden mit der "Backup-Kamera": Eine Micro Four Thirds-Kamera mit Fernauslöser und einem besseren Zoom-Objektiv auf einem normalen Fotostativ. Während die große Kamera am Teleskop arbeitete, konnte ich mit der kleinen Kamera experimentieren und schöne Stimmungsaufnahmen in der beginnenden Dämmerung einfangen. Bei den kurzen Brennweiten störte die Erdrotation auch noch nicht, und die Aufnahmen mussten nur minimal nachbearbeitet werden. 800 ISO war das Maximum, bei dem das Rauschen der Kamera noch nicht zu sehr störte.

       Seien Sie bereit

      Niemand kann mit Sicherheit sagen, wann der nächste helle Komet zu sehen sein wird. Die Kometen, die der Sonne regelmäßig nahe kommen, sind bereits »verbraucht« und haben nur noch wenig Material, aus dem sich ein prächtiger Schweif entwickeln könnte. Die unverbrauchten Kometen, die noch genug Eis und Gas für ein schönes Schauspiel haben, sind in der Regel noch unentdeckt – meist gibt es nur einige Monate Vorwarnzeit, daher existieren auch in den Jahrbüchern noch keine Hinweise auf sie. Die Internetseiten der Astronomie-Zeitschriften und die Internetforen sind die verständlichsten Quellen für Neuentdeckungen. Der Webauftritt der Fachgruppe »Kometen« der Vereinigung der Sternfreunde unter fg-kometen.vdsastro.de enthält eher trockene Daten.

image

       Komet C/2020 F3 (Neowise) am 10. Juli 2020 um 3:49 MESZ 50 mm, f/3.9, 6 s, 800 ISO, Panasonic G70 (MFT)

       Sternbilder und Milchstraße

      Sternbilder und die Milchstraße sind anspruchsvolle Ziele für eine Kamera auf einem Stativ. Zunächst begrenzt die Erddrehung die Belichtungszeit: Mehr als zehn bis 30 Sekunden sind nicht möglich, selbst mit einem Weitwinkelobjektiv. Sie brauchen also ein lichtstarkes Objektiv und eine Kamera, bei der Sie die ISO hochdrehen können, ohne dass das entstehende Rauschen die schwachen Sterne im Bild dominiert.

      Mindestens genauso wichtig ist der Standort: Nur wenn die Milchstraße auch mit bloßem Auge zu sehen ist, können Sie sie im Bild festhalten! Leider produzieren unsere Städte so viel Licht, dass dieses selbst noch in vielen Kilometern Abstand den Nachthimmel aufhellt. Wenn unsere Erdatmosphäre heller strahlt als die viel weiter entfernten Sterne, können wir natürlich weder Sterne noch Milchstraße sehen. Es hat seinen Grund, dass die meisten Milchstraßenbilder im Vordergrund grandiose Gebirgslandschaften oder abgelegene Wüsten zeigen: Nur dort ist es dunkel genug, um die Milchstraße noch zu sehen.

      Selbst wenn Sie fern der Zivilisation sind, kann es noch zu hell sein. In Vollmondnächten bleiben die meisten Astronomen zuhause, da der helle Mond dann alles andere überstrahlt – und sogar der Mond zeigt dann kaum Strukturen, da das Licht senkrecht auf ihn fällt und die Berge keine Schatten werfen.

      Wenn Sie eine dunkle, mondlose Nacht haben und die Kamera bereit ist, müssen Sie sie eigentlich nur noch auf die Milchstraße ausrichten. Sommer und Winter sind die besten Zeiten, da die Milchstraße dann hoch über unseren Köpfen steht. Im Frühjahr und Herbst verläuft sie dagegen flach am Horizont, wo sie sich auch noch gegen den Dunst durchsetzen muss.

      Probieren Sie für den Anfang eine zur Brennweite passende Belichtungszeit, bei der die Sterne noch nicht zu Strichen verzogen werden (siehe Seite 4) und verwenden Sie die automatische Rauschreduzierung. Mit Offenblende und verschiedenen ISO-Werten können Sie ausprobieren, was an Ihrem Standort mit Ihrer Kamera möglich ist. Der Einsatz von Filtern kann sinnvoll sein. Ein Lichtverschmutzungsfilter (Seite 75) kann einige Störlichtquellen beseitigen, durch den vermehrten Einsatz von LEDs werden diese Filter jedoch immer uneffektiver. Sie sind unter Namen wie IDAS-LPS, CLS, Neodym & Skyglow und ähnlichem erhältlich und blenden unterschiedliche Lichtquellen aus.

      Ein Weichzeichner (Seite 71) bläht die hellen Sterne auf, sodass die Sternbilder leichter zu erkennen sind. Leider ist der am häufigsten empfohlene Filter – der Cokin 820 – nur noch als Restposten erhältlich. Der Tiffen Double Fog 3 wird gelegentlich als Alternative genannt, legt aber auch einen Nebelschleier über das gesamte Bild – kein wünschenswerter Effekt. Für länger belichtete Aufnahmen oder niedrigere ISO-Werte benötigen Sie eine Nachführung – hier ist die Astrofotografie mit einfachen Mitteln langsam am Ende.

image

       Die Milchstraße über Kreta 11,4 mm (entsprechend 24 mm an Vollformat), f/1.7, 13 s, ISO 800, Panasonic LX-100

       Erscheinungen am Himmel

      Auch wenn es bei der Astrofotografie in erster Linie um Sterne geht: Wenn Sie häufiger bei Nacht unterwegs sind, wird Ihnen noch mehr am Himmel auffallen als nur die Sterne. Für vieles sind Eiskristalle in unserer Atmosphäre verantwortlich, die die verschiedensten Effekte haben. Der Regenbogen ist mit Sicherheit das bekannteste atmosphärische Phänomen, aber wenn Sie aufmerksam sind, werden Sie noch mehr sehen.

       Leuchtende Nachtwolken

      Die Wolken aus Wasserdampf, die unser Wettergeschehen ausmachen, befinden sich keine zehn Kilometer über uns. In klaren Sommernächten können wir nachts gelegentlich eine gänzlich andere Art von Wolken sehen: leuchtende Nachtwolken. Sie bestehen aus Eiskristallen, die in 80 bis 85 Kilometer Höhe zu Wolken kondensieren. In Deutschland sind sie vor allem im Juni und Juli zu sehen: Dann steht die Sonne so niedrig unter dem Horizont, dass sie die extrem hochstehenden Wolken beleuchtet. In den Stunden nach Sonnenuntergang stehen sie dann hell erleuchtet am Horizont – oder auch vor Sonnenaufgang, noch bevor die eigentliche Dämmerung den Himmel erhellt.

      Über Norddeutschland sind sie recht häufig zu beobachten, während Beobachter in Süddeutschland nur wenige Gelegenheiten haben. Die Aufnahme auf dieser Doppelseite entstand in einer der wenigen Nächte, in denen sie sogar aus dem Raum Augsburg gut zu sehen waren. Das Panorama aus zwei Aufnahmen entstand im manuellen Modus – wenn Sie mit Offenblende und vernünftiger ISO-Zahl arbeiten, werden Sie rasch sehen, welche Belichtungszeit nötig ist. Experimentieren Sie ruhig ein wenig: Wenn der Himmel noch nicht zu hell ist, können Sie auch ein paar Sterne mit auf das Bild bannen.

image

       Panorama-Aufnahme von leuchtenden Nachtwolken

image

      Diese Lichtsäule war nur wenige Minuten lang zu beobachten.

       Lichtsäulen

      Im Winter kann es bei ruhigem Wetter immer wieder geschehen, dass sich Eisplättchen in der Luft waagrecht ausrichten und das Licht der auf- oder untergehenden Sonne reflektieren. Dann sehen wir für wenige Minuten eine Säule aus Licht, die von der tiefstehenden Sonne direkt nach oben zeigt. Praktischerweise lässt sich dieses Phänomen bereits mit der Kameraautomatik gut im Bild festhalten – Sie müssen es nur rechtzeitig bemerken und die Kamera griffbereit haben.

      Lichtsäulen sind recht häufig und an 20 bis 30 Tagen im Jahr sichtbar. Sie sind nur eine Spielart der zahlreichen Halo-Erscheinungen. Bei Tag sind immer wieder Nebensonnen zu sehen: Wie ein Regenbogen sind auf einer oder beiden Seiten der Sonne farbige Lichtspiele zu erkennen. Einen guten Überblick über die verschiedenen Halos gibt die Webseite