Ghosting. Sebastian Ingenhoff

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Название Ghosting
Автор произведения Sebastian Ingenhoff
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783955756147



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Japaner kiffen offenbar nicht. Sei nicht so scheißrassistisch«, sagt Ana, wird in ihren Ausführungen jedoch von dem schwarz livrierten Kellner unterbrochen, der gerade an ihren Tisch tritt.

      »Darf ich Ihnen etwas bringen?«

      »Äh, ja, auf jeden Fall!«, sagt Ana und blättert hektisch in der Getränkekarte. Sie sucht nach der englischen Version.

      »Einen riesengroßen Blunt, bitte«, feixt Solana.

      »Entschuldigung, einen Blend? Wir haben nur Single Malts«, antwortet der Kellner.

      »Solana!«, schimpft Ana.

      »Vier Vodka Tonic, bitte«, unterbricht Ninja und nimmt den anderen die Entscheidung ab.

      »Für mich bitte auch vier Vodka Tonic«, sagt Solana, was wiederum einen bösen Blick von Ana und noch mehr irritierte Blicke des Kellners hervorruft.

      »Also … acht Vodka Tonic und einen Whiskey?«, fragt der Mann mit ernsthaftem Stirnrunzeln.

      »Haha, du bist so scheißwitzig«, meckert Ana in Solanas Richtung, ehe sie sich entschuldigend an den Kellner wendet:

      »Sorry, meine Freundin macht blöde Witze. Vier Vodka Tonic, bitte. Für jeden einen. Und keinen Whiskey, bitte.«

      Der Kellner nickt verständnisvoll und verschwindet Richtung Bar.

      »Der Witz ist übrigens von Asterix & Obelix geklaut«, sagt Ana.

      »Du bist selbst von Asterix & Obelix geklaut, du bist voll Humornix. Das war gar kein Witz. Ich brauch mindestens vier Vodka Tonic, um schlafen zu können. Oder einen dicken Blunt«, seufzt Solana und checkt ihr Handy. Auch die anderen tippen lustlos auf ihren Handys herum.

      In der New York Times sollte heute eine Lobhudelei einer berühmten Schriftstellerin auf Solana erscheinen. Aber sie weiß schon gar nicht mehr, wann heute anfängt und gestern aufgehört hat.

      Solana hatte letzte Woche mit der Schriftstellerin geskypt. Sie kannte sie nur vom Namen her. Die Schriftstellerin war um die dreißig und sehr sympathisch. Am Ende des Gesprächs sagte sie, sie sei auf dem Konzert in New York gewesen und so sehr berührt, dass sie noch Tage danach ihre Freunde genervt habe. Multiverse sei für sie das wichtigste Album unserer Tage, weil es einerseits ein so großartiges, zeitgemäß produziertes R&B-Album sei, sich andererseits aber nicht an den Mainstream anbiedere und Solana eine Edgyness verleihe, die ihr gutstünde. Dass sich eine so große Künstlerin so etwas traue, sei außerordentlich. Als Solana auf die Bühne gekommen sei und die ersten Takte von I started walking erklangen, jener ultraminimalistischen, ganz ohne Beat auskommenden, lediglich auf dunklen Bässen, schlangenartig zischelnden Hi-Hats und ihrer voluminösen Stimme basierenden Ballade, die auch nur als Bonus Track auf der Deluxe-Version des Albums enthalten war, da habe sie eine zentimeterdicke Gänsehaut bekommen. Die Schriftstellerin war offenbar wirklich sehr gerührt.

      Solana fand das süß und schämte sich ein bisschen, noch nie ein Buch von ihr gelesen zu haben. Sie beschloss aber, das nachzuholen, und lud sich noch am selben Abend die letzten beiden Romane der Schriftstellerin, von denen einer sogar mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden war, auf ihren Reader. Der Text der New York Times ist aber noch nicht online.

      »Scheiße, in nicht mal vier Stunden müssen wir aufstehen …«, setzt sie zum erneuten Klagelied an, wird jedoch durch den Kellner unterbrochen, der die Getränke auf einem Tablett herbei balanciert.

      »Vier Vodka Tonic, bitte.«

      »Ich mach das schon«, sagt Ana und zeichnet die Bestellung gegen. »Könnten wir vielleicht auch was zu essen bekommen?«

      »Entschuldigung, aber die Frühstückslounge öffnet leider erst um sechs und alles andere hat schon geschlossen«, entgegnet der Mann höflich.

      »Aber wir haben solchen Hunger, ohne Scheiß, und wir können nicht schlafen. Ich könnte einen Elefanten verputzen! Wir sind echt gefoltert, gōmon suru, verstehen Sie?«, quengelt Fanta, woraufhin der Kellner noch irritierter wirkt. »Entschuldigung, go… wie?«

      »Go…«

      »Alter, reiß dich zusammen«, giftet Ana in Fantas Richtung und wendet sich an den Mann. »Entschuldigung, wir sind ein bisschen übernächtigt. Keine Umstände, wir warten oder gehen noch mal auf unsere Zimmer. Aber wir verhungern schon nicht.«

      Ana ist der Meinung, man müsse das ja nicht überstrapazieren mit dem Rundumservice und den Extrawürsten.

      »Wenn Sie wollen, kann ich in der Frühstückslounge aber mal anrufen. Manchmal sind um die Uhrzeit schon …«

      »Echt? Das würden Sie tun? Das wäre absolute Weltspitzenklasse, wir würden Sie heiraten!«, sagt Fanta, die kurz davor ist, dem Mann um den Hals zu fallen.

      »Müssen nicht gleich heiraten, aber ich kann ja mal fragen«, antwortet der Kellner schmunzelnd, als fürchte er tatsächlich, gleich vierfach geheiratet zu werden.

      Dann verschwindet er Richtung Bar.

      »Babes, lasst uns betrinken«, prostet Solana den anderen zu.

      »Was anderes bleibt uns wohl auch nicht übrig«, seufzt Ana und nimmt einen großen Schluck.

      Der Vodka Tonic ist köstlich. Auf Vodka Tonic ist fast so viel Verlass wie auf Pizza. Pizza ist für sie die mit Abstand beste Erfindung der Menschheit und auf jeden Fall besser als alle molekularen Feinkostspezialitäten, die sie in den Edelrestaurants weltweit schon probiert hatte, zusammengerechnet. Pizza ist immer für einen da.

      Der Kellner kommt zurück an ihren Tisch.

      »Ich habe gefragt in der Frühstückslounge und es ist schon möglich American Breakfast oder Continental Breakfast, wenn Sie wollen. Sie bringen hierhin.«

      »Echt jetzt? Oh Mann, wissen Sie, wer der absolut weltspitzenmäßigste Typ im ganzen Universum ist?«, fragt Fanta mit einem Strahlen im Gesicht, als hätte sie gerade den Award für die beste internationale Tanzchoreografie gewonnen.

      »Entschuldigung, der weltgespitzteste was …?«, fragt der Kellner mit erneuter Irritation.

      »Sie! Der weltspitzenmäßigste Typ sind Sie!«, antwortet Fanta mit einem noch breiteren Grinsen, woraufhin sie von Ana unterm Tisch vors Schienbein getreten wird.

      »Aua! Was ist los mit dir?«, giftet sie zurück.

      »Ich würde sagen, wir nehmen dann viermal das American Breakfast, oder? Bitte mit Pancakes, Würstchen und doppelt Rührei für mich«, unterbricht Ninja.

      »Für mich bitte lieber das Continental Breakfast. Gerne mit ein bisschen Kimchi, Algensuppe und dazu ein kleines Tamagoyaki-Omelett«, sagt Ana.

      »Also dreimal American Breakfast und einmal Continental«, notiert der Kellner, verbeugt sich, bleibt aber noch kurz stehen, überlegt und grinst ein paar Sekunden vor sich hin, ehe er fast akzentfrei, jede Silbe betonend, hinzufügt: »Weltspitzenmäßigste Wahl, Alter.«

      Die Mädchen spucken fast ihre Drinks auf den Tisch vor Lachen.

       2

      Die Musik von Nina Simone ist wie Balsam für Solana. Ihre tiefe Stimme hat etwas Beruhigendes, so wie Yogaübungen oder ein dicker Blunt etwas Beruhigendes haben. Der Motor des Wagens ist leise, man hört ihn kaum. So stört er auch nicht die Musik. Solana summt die Melodie von Don’t smoke in bed leise mit und starrt gedankenversunken aus dem Fenster. Die Bucht von Tokio wirkt wie eine von technokratischen Göttern errichtete Version des Bosporus. Alles ist vollkommen akkurat angeordnet, die kleinen grünen Inseln wie geometrische Figuren, das Silberweiß der Hängebrücke penibel abgestimmt auf die Farbe der Gebäude auf der anderen Seite. Abends erstrahlt die Brücke in allen Regenbogenfarben. Die ganze Stadt flimmert und flackert, dass es eine Warnung für Epileptiker bräuchte. Solana findet es immer wieder erstaunlich, wie sich diese Megacities auf bizarre Weise ähneln, auch wenn Istanbul und Tokio natürlich zwei völlig verschiedene Paar Schuhe sind, das