Название | Der Fluch der Dunkelgräfin |
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Автор произведения | Simona Turini |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783958693524 |
»Was tat er stattdessen?«
»Er pflegte es wieder gesund, bevor er es betäubte und an seinem Körper nach und nach all die Unzulänglichkeiten nachbildete, die Melissa umgebracht hatten.
Verstehen Sie, deshalb benötigte er so viele Medikamente: Er betäubte das Kind, verband die Wunden, die er ihm zufügen musste, gab ihm Mittel gegen Schmerzen und mögliche Entzündungen. Was den deformierten Schädel anging, versuchte er, sich die Weichheit der kindlichen Knochen und die natürlichen Öffnungen im Schädel eines Säuglings zunutze zu machen.«
»Wie sollte das funktionieren?«
»Er hat mir erklärt, dass die alten Ägypter ganz ähnliche Dinge taten. Sie haben Kindern die Schädel in feste Bandagen gewickelt und sie so verformt. Es schien ihm zu gelingen, er konnte seiner Frau endlich ein innerlich gesundes Kind bringen, das lediglich scheinbar so krank war wie ihre Tochter.
Wie entsetzt musste er gewesen sein, als er am nächsten Tag feststellte, dass all seine Mühe vergebens gewesen war! Der Sohn hatte zwar Melissas Behinderung, aber er war nun einmal ein Junge.
Anfangs war Marias Freude groß gewesen. Sie hatte das Baby gewiegt und gefüttert – Letzteres sogar endlich erfolgreich, denn der Junge konnte schlucken. Doch am nächsten Morgen, als sie es baden oder wickeln wollte, war ihr der entscheidende Unterschied zwischen diesem fremden Kind und ihrer Tochter aufgefallen, und wie schon bei den anderen Kindern zuvor hatte sie versucht, diesen Unterschied auszumerzen.
Mit einer großen Küchenschere entmannte sie den Säugling, der daraufhin elend verblutete. Das arme Kind hatte sein Leiden endlich hinter sich, und der Doktor begrub einen weiteren kleinen Leichnam in seinem Keller.
Er verfluchte sich und seine Kurzsichtigkeit. Solch ein dummer Fehler würde ihm nicht noch einmal passieren! Der Doktor hatte seine Aufgaben schon immer sehr ernst genommen, so auch diese, die Wichtigste in seinem Leben.«
»Wann genau begannen Sie ihm zu … helfen?«
»Nun, bisher hatte der Doktor alles allein durchmachen müssen, aber nun, nachdem das Fehlen der Medikamente aufgefallen war und ich den Ausschuss auf eine falsche Fährte geführt hatte, fasste er Vertrauen zu mir.
Er ließ mich Maria kennenlernen, die süßeste, schönste Frau von allen. Und er ließ mich an seinem Leben teilhaben. Mich! Ich war bereit, ihm in allen Belangen beizustehen. Es schien mir alles so schrecklich, und er tat mir so fürchterlich leid! Und Maria, die arme, traurige Maria! Auch ohne selber Mutter zu sein, konnte ich doch nachfühlen, wie es ihr gehen musste.«
»Wann halfen Sie das erste Mal bei einer Entführung?«
»Entführung! Ich glaube, Sie wollen mich überhaupt nicht verstehen! Wir entführten die Kinder nicht, wir nahmen lediglich die in Obhut, die sowieso keine Familie hatten.
Es dauerte lang, bis wir Maria ein neues Kind bringen konnten. Die Tochter eines polnischen Arbeiters, der in den Obstfeldern, die sich rings ums Dorf schmiegten, bei der Ernte half, war schwanger. Das junge Mädchen gebar eine wunderschöne Tochter, die aber nicht schreien wollte — spontan beschloss ich, diesen Umstand zu nutzen, und brachte den Säugling hastig ins Nebenzimmer.
Wir erklärten das Baby für tot und die Polen wirkten fast erleichtert.
Nur die frisch entbundene Mutter weinte und weinte und ließ sich nicht trösten. Sie wollte das Kind sehen, aber zum Glück hielt ihre Mutter sie davon ab. Die Alte war sehr abergläubisch und dachte, dass alle potenziellen Enkel tot zur Welt kommen würden, wenn wir ihrer Tochter den Leichnam in die Arme legen würden.
Mir war das nur recht, ich hätte nicht gewusst, was ich hätte tun sollen, wenn die Familie darauf bestanden hätte, das Neugeborene mitzunehmen. Ein Wunder hätte ich beschwören müssen: Oh, es lebt ja doch! Der Heilige Geist waltet an diesem Ort!
Stattdessen konnte ich das Mädchen zu Dr. Bromer bringen.«
»Dr. Bromer hat bei dieser Geburt nicht geholfen?«
»Nein, er hatte an diesem Tag frei.«
»Wie hat er auf das Kind reagiert?«
»Er schien es nicht fassen zu können. Fast schon entsetzt wollte er mich wegschicken, aber ich überzeugte ihn davon, dass niemand von dem Säugling wusste, dass alle ihn für tot hielten. Ich hatte sogar die notwendigen Instrumente für die Umformung des kleinen Körpers mitgebracht.
Der Doktor sah ein, dass ich alles richtig gemacht hatte, er nahm das Baby und verwandelte es in Melissa.«
»Hatten Sie kein Mitleid mit dem Kind?«
»Aber nein, wir taten ihm ja nicht weh, es bekam doch Schmerzmittel. Wir waren auch sehr vorsichtig, besonders beim Auskugeln der Gelenke und den Knochenbrüchen.
Die Fortschritte in der Entwicklung des Mädchens waren erstaunlich. Ihr kleiner Kopf schien nur darauf zu warten, sich endlich abplatten zu dürfen, ihre schmalen Schultern kugelten sich wie von selbst in die aparte Haltung, die Marias erste Tochter gehabt haben musste, ihre Lippen wölbten sich den zwickenden und teilenden Zangen förmlich entgegen.
Es war Melissa! Maria würde überglücklich sein!
Aber sie nahm die Kleine erneut nicht an. Vielleicht waren es die Augen des Babys, die nicht stark genug aus dem Gesicht hervorquollen, vielleicht stimmte der Winkel des umgekehrten Unterschenkels nicht genau. Vielleicht war es auch das unausgesetzte Schreien der Kleinen, das Maria dazu veranlasste, sie zu schütteln bis ihr schwaches Genick brach und sie für immer verstummte.«
»Wie lange taten Sie das alles?«
»Etwa zwei Jahre. Zwei Jahre lang nahmen wir die ungeliebten und ungewollten Mädchen und Jungen von den selbstsüchtigen Frauen, die das Muttersein überhaupt nicht verdient hatten. Zwei Jahre lang erweckten wir Melissa zum Leben, wieder und wieder, um einem unglücklichen Kind und einer unglücklichen Frau die Chance zu geben, gemeinsam doch noch Glück zu finden.
Maria jedoch fand es nicht.
So sehr wir ihr auch zu helfen versuchten, wir konnten nicht zu ihr durchdringen. So sehr wir sie auch zu täuschen versuchten, sie erkannte immer, was nicht stimmte. Sie erkannte immer, dass die Kinder, die wir ihr gaben, Fremde waren. Melissa ließ sich einfach nicht von den Toten zurückholen, genauso wenig wie Maria.«
Die Zeugin weint. Eine weitere Pause lehnt sie ab.
»Es gibt doch nichts mehr zu sagen. Jetzt ist es eben raus. Es ist besser so. Es musste doch einmal jemand kommen, der danach fragt.«
»Der wonach fragt?«
»Was damals passiert ist, warum wir das gemacht haben. Das ist es doch, was die Leute interessiert.
Jetzt ist es wenigstens raus.
Dann kann ich eines Tages auch in Frieden ruhen, so wie der Doktor und Maria mit ihren Kindern. Mit all ihren Kindern.«
»Dann sehen Sie also doch ein, dass Sie ein Verbrechen begangen haben? Dass Sie all diese Kinder getötet haben?«
»Wir haben sie aber doch nicht getötet, im Gegenteil, wir haben Melissa zum Leben erweckt, immer wieder. Wir haben nichts Schlechtes getan, wir haben Melissa gerettet, und Maria wollten wir auch retten. Wie kann das denn ein Verbrechen sein?«
Siechtum
Ich wurde ertragen. Ausgehalten.
Ich dachte immer, Liebe ließe keinen Platz für so negative Gefühle, für so viel Abneigung, dass das Zusammenleben als Bürde empfunden wird.
Ich dachte, Liebe hieße Respekt voreinander, ein Akzeptieren des Partners, so, wie er ist – mit allen Facetten, ergo auch mit allen Fehlern.
Aber in einer Welt, die am Abgrund steht, funktionieren solche Regeln nicht mehr.
Oder haben es nie, was weiß ich schon.
Nun