Название | Der Fluch der Dunkelgräfin |
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Автор произведения | Simona Turini |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783958693524 |
Man war froh, einen Sündenbock gefunden zu haben, und da der Schwund anschließend zurückging, fragte auch niemand weiter nach.
Natürlich wurden noch genauso viele Medikamente entwendet wie vorher, aber es fiel nicht mehr auf.«
»Wie das?«
»Die Medikamente, die verschwanden, tauchten in den Büchern nicht mehr auf. Nicht vor dem Diebstahl, und natürlich auch nicht danach. Ich weiß das genau, denn ich war es, die die Bücher fälschte. Ich brachte die Medikamente zum Doktor, damit er sie seiner Frau bringen konnte.«
»Warum brauchte Dr. Bromers Frau Medizin? War sie krank?«
»Nein, war sie nicht. Zumindest nicht auf die Art, wie Sie glauben. Sie war eher … liebeskrank. Melissas Tod hatte ihr das Herz gebrochen.
Sie verließ das Haus nicht mehr, und sie sprach auch mit niemandem. Nicht einmal mit ihrem Mann. So sagte er jedenfalls. Sie sang den Kindern immer etwas vor. Aber sie sprach nicht. Da musste der Doktor doch etwas tun, und er tat das Einzige, das Maria helfen konnte: Er brachte ihr Melissa zurück.«
»Kinder? Hatten die Bromers doch mehr als ein Kind?«
»Was? Ach, nein. Nein, das hatten sie nicht. Sie hatten nur Melissa, immer wieder.
Bitte, darf ich ein Glas Wasser haben? Das ist alles so anstrengend.«
»Aber natürlich. Lassen Sie uns eine kleine Pause machen. Bringen Sie Frau W. bitte ein Glas Wasser.«
Pause.
»Was können Sie uns über Doktor Bromers Frau sagen?«
»Ach, Maria, die Muttergottes. Eine reinere und schönere und frommere Frau kann auch ihre Namensgeberin nicht gewesen sein. Ist es nicht ein schöner Zufall, dass ihr Mann ausgerechnet in einem Kloster Anstellung fand, das der Heiligen Maria geweiht war, sozusagen seiner Frau?
Letzten Endes hatte es alles keinen Sinn. Sie wissen schon: was wir getan haben. Aber wir mussten es einfach versuchen, es wieder und wieder versuchen. Vielleicht hätten wir ihr ja doch noch helfen können!
Wir nahmen sie nur von Frauen, die sie nicht verdient hatten. Das müssen Sie mir glauben!«
»Was meinen Sie damit?«
»Na, die Kinder. Wir nahmen sie nicht von den liebenden Müttern, den aufgeregten jungen Frauen, die mit ihren Männern kamen, die glücklich lächelten, wenn es endlich so weit war, wenn sie endlich ihr Kind in Armen halten konnten, und das nach allem, was das Land durchgemacht hatte.
Wer hätte gedacht, dass überhaupt jemand zurückkehren und Kinder zeugen würde?
Wir nahmen doch nur die, die sowieso nicht glücklich hätten leben dürfen. Die Kranken am häufigsten. Kleine Schwachköpfe, denen man schon direkt nach der Geburt ansah, dass sie niemals laufen lernen würden, oder sprechen.
Oft waren es die unschuldigen Opfer heimlicher Abtreibungsversuche. Das war damals noch streng verboten und man hielt geheim, was man darüber wusste. Manchmal glaube ich, in diesen dummen Zeiten haben die Leute einfach über die Dinge geschwiegen, die ihnen nicht gepasst haben. Wenn man nicht darüber spricht, dann existiert es nicht, und dann kann es auch niemandem schaden.
Was dachten sie sich nur? Hatten sie nicht gerade erst die schlimmsten Gräueltaten gesehen, hatten sie nicht am eigenen Leib erfahren, zu was der Mensch fähig ist? Natürlich gab es all diese schlimmen Dinge, und besonders häufig gab es böse Männer, die in dreckigen Hinterzimmern arme Frauen mit Drahtbügeln und rostigem Besteck und giftigen Kräutern zum Bluten brachten.
Aber es funktionierte eben nicht immer, und wenn die Frauen überlebten, dann kamen sie zu uns, um die ungewollten Bastarde, kaputte Babys ohne Zukunft aus ihren Leibern zu pressen.
Die verdorbenen Früchte der zahlreichen Vergewaltigungen, die die Befreier unseren Frauen antaten.
Da war es doch ein Akt der Nächstenliebe, diesen Kindern ein Leben in Elend und Schmerzen zu ersparen, und ihren Müttern die Bürde der Verantwortung für ein ewiges Kleinkind, noch dazu die immerwährende Erinnerung an die Schmach und das schreckliche Verbrechen, das an ihnen begangen worden war!
Wir nahmen auch die, deren Mütter krank waren. Die Hurenkinder und die Verbrecherkinder. Die Frauen wollten sie doch überhaupt nicht haben. Man hat ihnen angesehen, wie erleichtert die waren, wenn man ihnen sagte, dass das Kind gestorben war. Die wollten ihr Kind noch nicht einmal sehen. Nie wollten sie das.
Dann wussten wir: Das wird Marias Kind sein.«
»Gab es viele Geburten in dem Hospital?«
»Das Hospital war über die Jahre gewachsen, und natürlich hatten nach der Rückkehr der Männer, die den Krieg überlebt hatten, auch die Hochzeiten und danach die Geburten wieder zugenommen. Wir waren wenige, aber wurden viele, und unser Werk trug Früchte.«
»Erzählen Sie uns mehr über Melissa Bromer.«
»Die Geburt der kleinen Melissa war bereits ungewöhnlich schwer gewesen, aber natürlich hatte Dr. Bromer sich hervorragend um Maria gekümmert, sie überstand alles recht gut. Doch Melissa konnte er nicht helfen, sie war wie gesagt schwer krank und es gab keine Hoffnung. So sagte er mir zumindest.
Maria schien anfangs sehr gefasst, liebevoll kümmerte sie sich um ihre Tochter, versuchte, sie zu füttern, schmuste mit ihr, sang ihr Lieder vor und erzählte ihr Geschichten. Aber schon kurze Zeit später wurde das Mädchen immer schwächer und schwächer und schließlich fand der Doktor es tot in den Armen seiner verzweifelten Frau.
Vermutlich ist es verhungert, das arme kleine Ding. Etwas stimmte nicht mit seinem Mund, es konnte nicht trinken.
Maria verstand nicht, was passiert war. Sie hatte das Baby aus seinem Bett holen wollen, aber das Mädchen bewegte sich nicht, war ganz kalt und steif.
Anschließend zog sie sich in sich zurück, sie hörte zu sprechen auf und tat auch sonst nichts mehr. Den ganzen Tag saß sie in Melissas Zimmer und starrte vor sich hin, manchmal liefen ihr die Tränen über die Wangen, aber sie gab keinen Laut von sich.
Wenn sie gezwungen wurde, das Kinderzimmer zu verlassen, nahm sie eine Puppe mit, die ihrer Tochter gehört hatte, drückte sie an sich, wie sie es mit dem toten Kind gemacht hatte, und manchmal sang sie der Puppe ein Schlaflied vor.
Dr. Bromer war ratlos. Er liebte seine Frau sehr, und auch die kleine Melissa, natürlich. Er wollte helfen, wollte Maria neue Lebensfreude schenken, und so beschloss er, dass ein neues Kind hermusste.«
»Sie meinen, er wollte seine Frau erneut schwängern?«
»Richtig. Doch sie gab sich ihm nicht mehr hin. Wie auch: Sie tat ja überhaupt nichts, geschweige denn, ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen.
Also nahm er sie sich, gegen ihren Willen offenbar, denn Maria tat sich nach dieser unheilvollen Nacht Fürchterliches an: Als wollte sie den Samen ihres Mannes aus ihrem Inneren holen, vielleicht auch eingebildete Reste ihres toten Babys, oder einfach verhindern, dass ein neues Kind in ihr entstand, auf jeden Fall traktierte sie sich mit einer Wurzelbürste, die sie in Seifenlauge getaucht hatte.«
»War das auch vor Ihrer Zeit im Hospital?«
»Ja. Resi, die dem Doktor bei der Rettung seiner Frau assistiert hatte, erzählte mir nur allzu lebhaft von den schrecklichen Verletzungen. Um ein Haar wäre Maria verblutet.«
»Was geschah dann?«
»An eine weitere Schwangerschaft war nach diesem Drama natürlich nicht mehr zu denken. Es wurde offensichtlich, dass Maria kein neues Kind wünschte, sie wollte ihr Kind wiederhaben. Also suchte der Doktor nach Wegen, ihr Melissa zu bringen.
Er fand eine Möglichkeit, als eines