Tatort Deutschland. Gisela Sachs

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Название Tatort Deutschland
Автор произведения Gisela Sachs
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967526097



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trinkt gierig, wischt sich den Mund mit ihrem

      Handrücken ab. »Hm, jut. Und wo ist die Überraschung, Kalle?«, fragt sie.

      Kalle zeigt auf den Riesenkran. »Die Trinitatis Kirche. Sie bauen hier im Namen des Herrn, Marie.«

      »Die heilige Dreifaltigkeit«, sagt Röhre. »So wie wir, Marie. Du, ich und Kalle.«

      Er streckt Marie einen Black Bear Energier-Riegel hin.

      »Zur gesunden und schnellen Ernährung vor und nach dem Klettern, Marie.«

      »Was meinst du damit, Röhre?«

      »Wir spielen jetzt blinde Kuh«, erklärt Kalle, nimmt sein rot kariertes Tuch von seinem Hals ab und bindet es Marie um den Kopf. Er verknotet das Tuch an Maries Hinterkopf mit zwei Doppelknoten, hält seine Hände dicht vor ihre Augen und zappelt mit allen zehn Fingern. »Siehst du mich, Marie?«

      »Nein«, gluckst Marie. »Ich sehe nischt!«

      Maries Maiglöckchenduft raubt Kalle den Atem. »Gab es das Parfüm im Sonderangebot, Marie?«, fragt er.

      »Oder gibt es einen anderen Grund, warum du die halbe Flasche von dem Gestank über dich gekippt hast, Marie?«

      Röhre erhebt seinen rechten Oberarm und schlägt mit geballter linker Faust darauf.

      »Klatsch, klatsch«, sagt Marie.

      »Den Duft hast du dir von mir zum Geburtstag gewünscht, Marie.«

      Marie kichert. »Jaaa.«

      »Füßchen hoch, Marie«, sagt Kalle. »Jetzt geht es ab ins Himmelreich.«

      »In den siebenten Himmel?«, lallt Marie.

      »In den siebenten Himmel«, sagt Röhre. »Dahin, wo die Engelein singen.«

      Marie lacht und steigt die erste Sprosse der Leiter hoch. »Und noch ein Füßchen, Marie«, sagt Röhre. »Ja, so ist es gut, Marie. Immer schön ein Füßchen nach dem anderen setzen.«

      Marie steigt und steigt, erklettert auf allen vieren die erste Hälfte des Krans. Dann bleibt sie erschöpft stehen. »Ich kann nicht mehr!«

      Ihre strohblonden Haare umwehen ihr mit tomatenrotem Lippenstift verschmiertes Gesicht.

      »Noch ein Schlückchen, Kalle«, bettelt Marie. Kalle greift in seine Hosentasche, holt den Flachmann heraus, setzt ihn an Maries Lippen. »Zum Wohl, Marie!« Kalle nimmt die leere Flasche wieder an sich, verstaut sie in seiner Hosentasche. »Und weiter geht’s, Marie!«

      »Noch ein Schlückchen. Nur ein klitzekleines Schlückchen, bitte, Kalle!«

      »Erst steigen, Marie«, sagt Kalle. »Ein Füßchen nach dem anderen setzen, Marie.«

      Er greift Marie unter den Rock, kitzelt ihren Oberschenkel.

      »Kalleeee«, stöhnt Marie.

      »Später«, sagt Kalle. »Später, Marie.«

      Er schiebt Maries Po nach oben und Marie erklettert weiter als erste die Leiter innerhalb des Krans.

      »Die Affen steigen auf den Thron«, singt Röhre, der eigentlich Joachim heißt. Den Spitznamen Röhre hatte ihm Marie gegeben. Damals, nach ihrer ersten Liebesnacht.

      Röhre grölt. »Irgendwas passiert mit dir, du riechst, hörst wie ein Tier. Du hörst uns kommen, wir sind hier.«

      »Steig weiter, Marie!«, befiehlt Kalle.

      »Ich kann nicht mehr«, stöhnt Marie.

      »Steig, Marie!«, sagt Kalle. »Steig!«

      »Ich will nicht mehr blinde Kuh spielen«, japst Marie. Sie zerrt an dem Tuch um ihren Kopf.

      »Gleich hast du es geschafft, Marie«, sagt Kalle. Es sind nur noch ein paar Stufen bis zu den Engeln, Marie.«

      »Sie leben hinterm Sonnenschein, getrennt von uns, unendlich weit«, sagt Röhre.

      Marie steigt weiter. In der Krankanzel nimmt Kalle das Tuch von ihrem Gesicht ab. »Braves Mädchen!« Marie sieht sich um und wird kalkweiß im Gesicht.

      »Wie wäre es mit Höhensex, Marie?«, fragt Röhre.

      »Das wäre doch einmal was anderes als es immer nur im Bett oder im Auto zu treiben, was, Marie?«

      Maries Lippen beben. »Ihr Gott verdammten Moorfroschmännchen«, zischt sie.

      Kalle und Röhre lachen.

      »Ich will da runter!«, japst Marie.

      Kalle schiebt die Hand unter ihren Rock, zerrt an ihrem Slip. »Du wolltest ficken, Marie.«

      Neongrüne Augen starren ihn gebannt an.

      »Du wolltest doch ficken, Marie, oder etwa nicht?« Röhre singt »Gleiches Fell, Stadtgestank.«

      Marie kreischt. »Runter! Ich will sofort da runter!«

      »Willst du gleich oder später Liebe machen, Marie?«, fragt Kalle. »Willst du erst mich vernaschen und dann Röhre oder umgekehrt, Marie?«

      »Ich …«

      »Du möchtest erst die Aussicht genießen, liebe Marie?«

      »Ich …«

      »Noch mal ganz von vorne Marie«, sagt Kalle. »Und das gaaaanz langsam, Marie. Damit dein vernebelter Verstand es auch verstehen kann.«

      Marie würgt. Röhre lacht.

      »Hör mir gut zu, Marie! Ich frage dich noch einmal. Willst du erst mit Röhre Liebe machen oder mit mir, Marie? Hier in der Kanzel oder draußen auf dem Ausleger?«

      Kalle zeigt nach draußen. Marie spuckt neongrüne Brühe vor seine Füße.

      »Aber nicht doch, Mariechen«, sagt Kalle. »Du beschmutzt ja dein schönes Röckchen, Marie.«

      »Wir kommen dich zu holen, die Affen steigen auf den Thron«, singt Röhre.

      »Du hast mich betrogen, verarscht, Marie. Mit ihm.«

      Kalle zeigt auf Röhre.

      »Und mich hast du mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr betrogen, mit dem Bürgermeister von Güntherstadt, mit …« Röhre brüllt gegen den frischen Morgenwind, schiebt Marie auf den Ausleger. »Hier geht die Party weiter, Marie!«

      »Ich will runter«, brüllt Marie.

      »Dann spring doch«, sagt Kalle. »Spiel Himmel und Hölle, Marie. Hüüü hüpf, Marie.«

      Röhre grölt. »Sie leben hinterm Sonnenschein. Getrennt von uns. Unendlich weit. Sie müssen sich an Sterne krallen, damit sie nicht vom Himmel fallen.«

      Er macht eine wegwerfende Handbewegung, reißt die Tür auf und gibt Marie einen Stoß. »Fick dich doch selbst, Marie!«

      

       HAMBURG

      Tatort Hamburg

      Der Badewannenkapitän

      Ich rieche die Fauna Indiens. Jasmin, Lotus, Vanille und Rosenduft umhüllen meine Sinne. Ich bin in Ghazipur, unweit der heiligsten Stadt der Hindus. Die Welt wird zum Blütenmeer und ich, die Schönste aller Blumen, fange an zu tanzen, vergesse Zeit und Raum. Ich bin glücklich. So unwahrscheinlich glücklich! Ich schlinge die Arme um meinen Körper. »Er liebt mich!« Ich zünde auch Räucherkerzen im Badezimmer an, lasse Wasser in die Wanne laufen, erst heißes, dann kaltes. Danach gebe ich bedächtig ein paar Tropfen von dem Rosenöl ins Badewasser, welches Er mir am Vorabend geschenkt hatte. »He, du«, sage ich zu dem goldenen Engel, der mit einem durchsichtigen Klebestreifen auf der Geschenkverpackung von Douglas befestigt war. »Jetzt wird aber weggeschaut!«

      Lächelnd lasse ich meine Seidenbluse auf den Fliesenboden fallen,